das Kennenlernen

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Missmutig schaue ich dabei zu, wie es sich die beiden gemütlich machen. Brian setzt sich in den Sessel, der sich gegenüber des Sofas befindet, an der Ecke, die den Flur vom Wohnzimmer und der Haustüre trennen.
Niemals, nicht Mal die letzten Monate hätte ich es gewagt, mich in diesen zu setzten. Alleine dass er sich dort hinein schmeißt, lässt mir meine Nackenhaare aufstehen und bringt in meinem Magen eine wiederliche Übelkeit hervor, welche mir die Galle in den Rachen steigen lässt.
Ich öffne zwar den Mund, wage es aber nicht, etwas zu sagen. Tommy lässt sich neben mir nieder und starrt mich nun genauso an wie es sein Freund bereits tut.
"Wie lange bistn du schon hier?" Fragt er. Ich schlucke Laut und Versuche eine Antwort zwischen der Galle hervor zu pressen. "Seit 6 Monaten ungefähr!" Gebe ich noch leiser von mir, als es eigentlich gewollt war. "Also, hast du schon vorher hier gewohnt? Ihr seid quasi gerade eingezogen, kurz bevor alles begann!?" Fragt er ohne direkt zu Fragen. Ich nicke vorsichtig.
"Oh man, Alter! Du kannst dir nicht vorstellen, was wir bis hierhin für einen Stress hatten! Es war zum kotzen!" Er war scheinbar lauter als er sein sollte, denn Brian schenkte ihm einen 'nicht so laut, man!' Blick.
"Sorry!" Meint Tommy nun leiser. "Ich meine... Kein Plan, was du alles weißt, aber ihnen aus dem Weg zu gehen ist wirklich nicht einfach!".
Ich nicke. Ihnen aus dem Weg gehen, dass konnte ich! Ich vermeide es die meiste Zeit ziemlich gekonnt nach draußen zu gehen. Außer in seltenen, dummen Momenten, in denen ich mir selbst etwas beweisen möchte, oder weil der Hunger mich voran treibt.
Das einzigst gute an diesem Haus war nunmal, dass es auf diesem Hügel liegt. Die Straße endet an diesem Haus. Die beiden direktesten Nachbarshäuser liegen einmal unterhalb des Müllbergs, wo man einen gutes Überblick über die Gärten dieses Hauses und die angrenzenden Grundstücke hat, und das andere auf der entgegen gesetzten Straße von dem genannten Haus mit Garten. Somit waren wir wortwörtlich das Ende der Straße. Die Straße führte nach der Haustüre in einen kleinen Wendekreis. Hinter diesem beginnt direkt ein seichter Wald, der auf einer Höhe mit diesem Haus aufliegt und gleichzeitig dafür sorgt, dass man an dessen Rand nach unten auf den Vorort blicken kann. Die Baumgrenze ist zwar nicht dicht bewaldet, aber die Bäume sind dafür groß genug um nicht von unten gesehen zu werden, will man dies vermeiden. Allerdings konnte man von dort oben hauptsächlich die Seiten oder die Hinteren Teile der Häuser sehen, sowie die kleinen, meist hässlichen Gärten. Seit dem Ausbruch habe ich mich jedoch nicht getraut dorthin zu gehen und nach unten zu schauen. Ich bin mir noch immer nicht ganz sicher, ob ich das ganze überhaupt erblicken möchte.
Nicht dass ich der Meinung bin, dass all die Arschlöcher hier und überall sonst etwas anderes verdient hätten, doch sehen muss ich das ganze nicht unbedingt! Alpträume habe ich auch so schon zu genüge.
Jedenfalls war mir Dank der Bäume und dem Dichter werdenden Wald, umso tiefer man vordringt, möglich gewesen, lediglich im Dunkeln das Haus zu verlassen um meine Selbstgebauten Fallen auszulegen und sofort wieder in der Sicherheit dieser vier Wände zu verschwinden.
Selbst wenn ich auf diese kurzen Ausreißer verzichten könnte, benötige ich etwas zu essen. Und es hatte mir bereits zwei Kaninchen zum Essen in den vergangenen Wochen beschert. Letzten Endes war diese Art der Nahrungsbeschaffung immer noch besser als in die Stadt vordringen zu müssen, in der sich weiß Gott wie viele der Todgeweihten in Stufe drei befinden. 

Ich starrte auf meine Hände während ich leise fragte "wollt ihr etwas zu essen? Ich habe nicht viel hier, aber... ich schätze alles ist Besser als nichts!?" Der letzte Teil wurde so leise, dass die beiden sich vorbeugen um überhaupt noch etwas zu verstehen.
Tommy grinst Brian an, dann mich
"Scheiße ja! Was zu futtern wäre der Hammer! Du hast ja keine Ahnung wann wir das letzte Mal was richtiges zwischen den Zähnen hatten, Alter."
Tommy wirkt ehrlich begeistert und für meinen Geschmack auch viel zu aufgedreht.
Ich stehe auf und hebe den Fuß, um über Tommy's Beine zu steigen, als Brian blitzartig aufspringt, mich an der Kehle packt und gegen die Wandkante drückt.
Ich spüre wie die Luft meine Lungen verlässt, als ich mit dem Rücken hart gegen die schmerzende Ecke aufkomme. Ich keuche laut auf.
"Du willst uns doch hoffentlich nicht vergiften oder so ein scheiß!" Er sah zu seinem Freund "ich traue dem Freak nicht!"
Mein Körper beginnt in seinem festen Griff zu zittern, während Tommy sitzen bleibt und die Augen verdreht.
"Hör doch auf, Alter! Wirkt er auf dich so, als würde er das machen? Komm schon man! Lass ihn!"
Brian zögert sichtlich, lockert seine Finger aber ein wenig, bis er sie schließlich gänzlich von meinem Hals nimmt. "Ich behalte dich im Auge!" Knurrte er in mein Ohr.
Ich spüre, wie Gänsehaut über meine Haut kriecht und so meinen gesamten Körper einnimmt. Diese Geste seines Misstrauen schmerzt, doch ich akzeptiere sie. In der heutigen Zeit sollte man niemandem mehr einfach vertrauen! Tommy's die keinen Brian hatten, waren jetzt zum aussterben verurteilt.
"Komm schon man! So geht man echt nicht mit Leuten um, die einen zu sich nach Hause und zum Essen einladen, Alter!" Tommy hat einen strengen Blick aufgesetzt, der Brian nicht einzuschüchtern oder zu beruhigen scheint.
Wieder einmal sammeln sich Tränen in meinen Augen. Mit meinem nackten Arm wische ich sie mir aus den Augenwinkeln, ziehe den Rotz durch die Nase empor und gehe meinen Weg.
"Es muss eh schnell weg! Gibt ja keinen Kühlschrank mehr!" Murmel ich laut genug, damit sie es vernehmen können und tue somit, als hätte Brian mich eben nicht gewaltsam um mehrere Atemzüge erleichtert.
Noch immer zittere ich sichtlich, als ich den Gaskocher aus dem unteren Küchenschrank heraus hole und das restliche Hasenfleisch aus einer Kühlbox, die eigentlich nicht mehr mehr als Deko ist.
Ich spüre, wie beide Augenpaare auf mir liegen und mich beobachten. Ich drehe mich nicht um, möchte keinesfalls, dass sie die Tränen sehen, die mir nun doch unaufhaltsam die Wangen runter laufen.
Während ich das Fleisch mit dem Küchenmesser zerkleinere, beginnt Tommy hinter mir zu sprechen.
"Du musst wissen, wir haben seit Tagen nichts mehr richtiges zwischen den Zähnen gehabt! Und Brian hier wird dann immer eine richtige Zicke!" Der Junge kichert seinen Worten hinterher.
Ich beneide ihn bereits! Er scheint immer zu sagen, was ihm durch den Kopf geht. Er wirkt, als wäre ihm egal, was andere von ihm halten oder ob er mit seinen Worten anecken könnte. Dennoch wirkt es, als würde er niemals, jedenfalls nicht absichtlich, beleidigend werden und Menschen somit bewusst verletzten.
"Halt die Schnauze!" Schnauzt Brian in Tommys Richtung, ohne den Blick von mir zu lassen. Ich beobachte ihn durch meine Augenwinkel ebenfalls.
Ich atme tief ein, nehme meinen ganzen Mut zusammen und Frage ohne mich zu den beiden umzudrehen "kennt ihr euch schon länger, oder erst seitdem?"
Brian schnaubt laut, als wolle er sagen was mich das denn angeht, während Tommy erneut redselig scheint.
"Nö, Alter! Wir kennen uns schon ewig! Wir hingen immer zusammen rum! Glaub mir, Alter! Er ist eigentlich ein ganz netter Kerl! Er braucht halt etwas Zeit und vertrauen. Oder brauchte es." Er macht eine kurze Pause und wirkt dabei schwermütig "Aber jetzt! Jetzt sind es andere Zeiten! Da müssen wir wohl alle etwas mehr aufpassen!"
Er müht sich ein Lächeln ab, ich nicke ohne den Blick vom Fleisch zu nehmen. Tommy sieht sich um, sein Blick bleibt an dem einzigen, kleinen Bücherschrank im Eck unter dem kleinen Wohnzimmerfenster hängen.
Ich sehe aus den Augenwinkeln wie er aufsteht und auf dieses zu geht. Nun drehe ich den Kopf doch in seine Richtung und spüre, wie meine Augen groß werden.
Er schaut zu mir und rümpft die Nase. Ich fühle mich dabei erwischt, wie ich ihn beobachte.
"Was isn das für n scheiß, Alter?" Fragt er in den Raum hinein und beginnt zu lachen während er eines der Bücher heraus nimmt.
Ich hebe den Arm und will gerade aufschreien er solle es liegen lassen, als mir Brians böser, mich verfolgender Blick einfällt und mir meine Worte im Hals stecken bleiben. Ich krächze, da ich die Worte verschlucke und sie mir im Hals stecken bleiben.
"Klinische Epidemiologie - Grundlagen und Methoden!" Liest er kichernd vor.
Traurig schaue ich ihm dabei zu und muss erneut schlucken.
"Bitte lass dass!" Flüsterte ich leise.
"Epidemiologie... Epidemiologie... was zur Hölle, Alter!?" Gurrt der kleine amüsiert. Er dreht sich zu Brian um und kneift lachend die Augen zusammen.
"Bitte! Leg es zurück!" Versuche ich ein weiteres Mal meinen Willen mitzuteilen.
In dem Moment, indem er das Buch aufschlägt, springe ich über die Sofalehne und versuche ihm das Buch aus der Hand zu schlagen.
Doch Tommy sieht meinen kläglichen Versuch kommen und zieht seinen Arm hoch, wobei ein Bild aus den nun lockeren Seiten fällt.
Nachdem das Sofa mich abgefangen hat und ich mit dem Bauch Halb über lehne und halb auf der Sitzfläche liege, Versuche ich schneller an das Bild zu kommen als der Blonde.
Doch erneut scheitere ich auf frustrierende weiße und er schnappt sich das Bild zuerst.

Er schaut sich das Bild schweigend an und läuft einfach über meinen inzwischen halb auf dem Boden liegenden Oberkörper hinweg, um das Bild Brian zu geben.
Dieser blickt erst auf dieses und dann auf mich. "Wer ist das?" Fragt er ohne wirkliches Interesse dahinter zu zeigen.
Ich springe unbeholfen auf und gehe auf ihn zu um mir das Bild zu schnappen, Versuche direkt darauf, es zurück in das Buch zu legen, dass Tommy fallen lassen hat da er das Foto interessanter fand, nur um dann mit meinem Blick  daran hängen zu bleiben.
Gedankenverloren schaue ich darauf. Wie so oft, versetzt mich mein Kopf in eine Zeit zurück, die es so schön lange nicht mehr gibt. Erneut fühle ich das Brennen, dass immer dann aufkommt, wenn sich die Tränen durch den Tränenkanal nach oben in meine Augen kämpfen.

Tommy schlägt das Buch, welches sich noch immer in meinen Händen befindet, zu und sorgt somit dafür, das mein Blick auf das Bild unterbrochen wird. "Sorry, Alter! Ich wollte nicht..." Tommy wirkte aufrichtig. Er nahm mir das Buch aus der Hand und brachte es zurück an seinen Platz.

Wortlos ging ich wieder zu meiner vorherigen Tätigkeit zurück , um den Hasen nicht verkochen zu lassen...

Ich stelle das fertige essen auf den kleinen Tisch und setze mich schweigend.
Während die beiden sich gierig über den kleinen Topf beugen und sich mit den Händen mehrere Teile Fleisch heraus fischen um sie sich direkt in ihrem Mund zu Schaufeln, schaue ich auf den Topf.
"Oh! Oh mein fucking Gott! Ich hätte niemals gedacht das pures Fleisch ohne Beilage so geil schmecken kann!" Stöhnt Tommy glücklich auf.
Ich glaube, eine kleine Träne in seinen Augen glänzen zu sehen.
Ich nehme all meinen Mut zusammen und entschließe mich, doch noch auf ihre Frage von vorhin zu antworten.
"Dass..." Ich muss unterbrechen, um mich zu sammeln. "Dass waren meine Mom, mein Dad und ich in besseren Zeiten!"
Tommy sah zu mir. "Du meinst, vor alldem hier?"
Ohne den beiden einen Blick zu würdigen schüttelte ich heftiger als nötig den Kopf und musste erneut aufkommenden Brechreiz mit Galle hinunter schlucken.
"Nein! Mein Dad starb, als ich 6 war. Meine Mom hat sich davon nie ganz erholt!" Murmel ich in Richtung Topf, als würde ich mit diesem sprechen. Ich denke an das Bild zurück. Das glückliche Gesicht mit den Pausbacken, kam mir so unbekannt vor. Wenn ich mir den Jungen zwischen den beiden glücklichen Erwachsenen heute anschaue, wirkt er stets fremd!
>Das konnte nicht ich selbst sein! War ich jemals so? So glücklich? Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie es ist glücklich zu sein, also so richtig glücklich!< 
Ich spüre, wie meine Gedanken wieder abdriften. Eine gefährliche Angewohnheit.

"Er..." Mir kommen ein weiteres Mal die Tränen, dieses Mal jedoch, verberge ich sie nicht. "Er hätte bestimmt etwas gegen die Todgeweihten gefunden! Er war genau für so was zuständig!" Ich wusste, wie egoistisch mein Gefühlsausbruch war. Alle haben während der letzten Wochen jemanden verloren!
"Er war also wirklich Epidemiologe?" Fragt Tommy. Ich nicke "Er hat für das CDC* gearbeitet."
woraufhin selbst er das restliche Essen über schweigt.

Moribund - They are Already DeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt