die schöne Unwissenheit

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Es ist nun genau anderthalb Wochen her, seit Tommy, Brian und ich durch die unerwartete Rettung zu diesem Fort gebracht wurden. 
Jeder einzelne dieser Tage war hart und viel zu kurz. Weitaus schneller als ich je mit gerechnet hätte, sahen wir drei genauso Müde aus, wie der ganze Rest dieser Leute.
Nur wenige Tage nach unserer Ankunft mussten wir einzeln so einem von ihnen sogenannten 'Interview', bei dem man uns einige, teilweise auch sehr unangenehme Fragen gestellt hat.
Ich dachte schon bei den Sechzehn anderen Jugendlichen und Kindern, nach dem Ausbruch nie wieder so viele von uns auf einem Haufen zu sehen, weshalb man sich meine Überraschung vorstellen kann, als ich feststellte, dass es eine weitere Gruppe wie unsere gab, in der sich sogar Zwanzig Personen befinden. 
Mit den anderen Kindern und Jugendlichen sowie den Bewohnern des Forts hat man jedoch nur dann etwas zu tun, wenn man mit Ihnen zusammen Arbeitet oder den selben Zeitplan hat. 
Ansonsten ist es schwer außerhalb der wenigen Freizeit, Schichten und dem Einschluss in die Schlafsäle mit den anderen etwas zu tun zu haben. Da sich die Freizeit niemals mit der anderen Gruppe überschneidet, bekommt man sie nur zu Gesicht, wenn wir das 'Klassenzimmer' verlassen und sie eintreten. Zu beschäftigt mit den Gedanken, gibt es fast nie mehr als das heben der Hand und noch ein "Hey". 
Diese Tatsache ist allerdings nichts, was bei mir Unwohlsein hervor rufen würde.
Mindestens genau so Überrascht wurde ich von der Tatsache, dass sich die Leute, die Ranghöher sind, sich unter das niedere Volk mischt. Ich hatte erwartet, dass sie lieber unter sich bleiben, doch bei den meisten entsprach das Vorurteil nicht.
Die übrig gebliebenen 'echten' Soldaten bleiben zwar durchaus des Öfteren unter sich, zeigen aber auch keine Probleme damit, wenn sich andere Wachposten zu ihnen gesellen. Mit den Feldarbeitern und den 'Kindergruppen' wie wir unfreundlich genannt wurden, wollten sie dann zum Größtenteil aber doch nichts zu tun haben. Doch auch hierbei gibt es wenige Ausnahmen. 
Auch die Wissenschaftler zeigen sich Nahbar, wenn sie aus ihren hoch Sicherheitsanzügen ausgestiegen sind. 
Man bekommt sie zwar im allgemeinen recht selten zu Gesicht, was aber nicht an ihrem mangelnden Interesse zu liegen scheint, sondern daran, dass sie meist bis spät in die Nacht arbeiten. 
Selbst Ires bewegt sich des Öfteren unter den Leuten. Sie spricht mit Ihnen und hört sich ihre Probleme an. Sie wirkt stets ruhig und Selbstbewusst, als könnte sie einfach für alles eine perfekte Lösung finden und dennoch ist sie zur selben Zeit furchteinflößend, streng und fordernd. 
Ich selbst habe mich bislang weit gehend zurück gehalten, die Situation beobachtet und versucht mir einen genaueren Eindruck zu verschaffen. 
Während Tommy und Brian sich schon heimisch zu fühlen scheinen, habe ich noch immer dieses seltsame Gefühl in meinem Magen.
Es wirkt einfach alles zu perfekt. Die wenigen Todgeweihten, die sich bis hierhin verirren sind kein Problem, die Stimmung ist ausgelassen und befreit und alle akzeptieren und verstehen, wofür sie so hart arbeiten. Jeder möchte seinen Beitrag hierzu leisten und ihre Dankbarkeit zeigen. 
Die wenigen Leute, mit denen ich bislang gesprochen habe, scheinen das ganze hier als eine Chance zu sehen. Eine Chance, die Zivilisation, die Gesellschaft aufrecht zu erhalten und vielleicht dabei zu helfen, sie wieder neu Aufbauen zu können, sollten wir die Todgeweihten eines Tages ausgelöscht haben. 
Ihren Enthusiasmus kann ich allerdings nicht wirklich teilen. Selbst wenn wir davon ausgehen, das ein Drittel dieses gesamten Kontinents überlebt hat und selbst wenn wir die Kanadische sowie die Südamerikanische Population komplett außen vor lassen, und davon ausgehen dass die Zählung 2021 stimmen, die besagt, Amerika hätte eine Einwohnerzahl von 331.893.745 Menschen, so gäbe es immerhin noch 221.262.496 Todgeweihte. Und auch das verbliebene Militär, sowie Privatmilizen und andere überlebende dürften den Wert nicht maßgeblich minimiert haben. 
Wenn man dann weiterhin bedenkt, dass sie nicht Bluten wie wir gesunden, und einen gänzlich anderen Stoffwechsel haben, kann man davon ausgehen, dass ihre Lebenszeit länger andauert als die unsere. Solange sie also ausreichend Futter und Wasser finden, dürften sie uns sogar um einiges Überleben. All diese Fakten, die nur ein Minimum dessen ist, was es vermutlich über sie zu Wissen gibt, zeigt an, dass wir keine ehrliche Chance haben, das Land zu retten. Vielleicht unsere Kinder oder Enkelkinder aber wir nicht. 
Doch so unsozial ich auch bin, weiß ich, dass die Menschen etwas brauchen an das sie Glauben können, etwas, dass ihnen die Kraft gibt weiter zu machen. Also warum sollte ich es ihnen nehmen, von der Tatsache mal abgesehen, das niemand auf einen schlecht gelaunten Jugendlichen hören würde.
Doch wenn ich in die Gesichter der Wissenschaftler sehe, kann ich erkennen, dass sie es ebenfalls wissen. Sie schweigen aber ebenfalls darüber. 

Moribund - They are Already DeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt