Der Zaun

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Das Essen, zusammen mit drei Löffel voll aus einer der Dosen, war mit das beste dass ich seid beginn des ganzen gegessen habe. 
Draußen ist es dunkel geworden. Stockdunkel. Es gibt keine künstlichen Lichter mehr, die von draußen durch das Fenster scheinen und somit das Zimmer zu erhellen mag. Selbst das Mondlicht scheint zu fehlen, soweit man es von hier drinnen beurteilen kann. 
Tommy hat sich auf dem Sofa zusammen gerollt und starrt an die Wand ihm gegenüber.
"Ich will nach Hause! Zu meiner Familie." Murmelt der blonde traurig und legt seine Arme um seine Waden. Brian sieht mich traurig an als würde er von mir hören wollen, was wir für seinen Freund tun können. Doch er muss ihn letztendlich am besten kennen.
"Hey Jeff! Eine Frage!" Spricht er dann in meine Richtung.
"Hmm?" Ich schaue ihn an.
"Wenn dein Stiefvater ein Prepper war und mit dem Untergang der Gesellschaft gerechnet hat, wieso war er dann nicht wesentlich besser vorbereitet?" Fragt er in die wieder herrschende Stille.
Ich zucke mit den Schultern.
"Woher soll ich das wissen! Ich sagte doch schon, dass ich kaum mit ihm gesprochen habe!" Log ich ihm entgegen.
Brians Blick geht zu Boden. Die Stimmung ist stark gedrückt.
Die Mahlzeit konnte zwar kurzzeitig zu einer besseren Laune bei uns allen beitragen, doch diese ist bereits wieder verschwunden.
Mein Kopf fühlt sich schwer an, ich habe das Gefühl, dass mir immer wieder schwindelig wird. Ich kann die Auswirkungen der Übermüdung inzwischen stark spüren.
"Wie kannst du deine Mom nicht vermissen?" Fragt Tommy und dreht den Kopf leicht zu mir.
"Wie kommst du denn darauf?" Frage ich wenig empört.
"Ich hab dich nicht einmal über sie sprechen hören! Oder sagen hören, dass du überhaupt jemanden vermisst!"
Ich denke mit zusammen gezogenen Augenbrauen nach.
"Weißt du, Tommy, ich glaube ehrlich, es wäre besser für sie, wenn sie Tod wäre!"
Spreche ich meine Gedanken laut aus.
"Was?" Der blonde setzt sich aufgebracht auf und sieht mich aus großen Augen an.
"Dass ist doch nicht dein Ernst!" Fügt er hinzu.
Ich zucke mit den Schultern.
"Doch! I... Ich glaube schon!" Sage ich nachdenklich. "Nicht, dass ich sie nicht liebe! Nicht dass ich sie nicht vermissen würde! Aber ihr müsst verstehen..." Ich breche ab und überlege genau, wie ich meinen Satz fortsetzen soll.
"Bill war nicht sehr gut zu euch beiden, hmm?" Merkt Brian an.
Traurig schaue ich ihm entgegen.
"Nein! War er nicht!" Ich schlucke Laut. "Er ist ein Drecksack! Ein verabscheuungswürdiger Mensch! Er hat die Trauer meiner Mom ausgenutzt, als sie sowieso schon am Boden war."
"Nachdem dein Vater gestorben ist?" Fragt Tommy nach.
Ich nicke. "Mhmm... Sie hat ihre Trauer in Alkohol ertränkt. Und eine ganze Weile ging es trotzdem gut! Ich habe mich Best möglich um sie gekümmert aber ich war selbst noch zu Jung!
Aber mein Onkel, ich habe euch von ihm erzählt. Er war Soldat und wurde nach Afghanistan einberufen. Er ist kurz darauf verschwunden. Als wir die Nachricht erhalten haben, ist sie vollends zusammen gebrochen. Keiner konnte uns genau sagen, was passiert war. Sie hat sich anschließend um nichts mehr gekümmert. Er war der letzte Anker für uns, der sich wirklich Sorgen um sie gemacht hat, nachdem er weg war hat ihr niemand mehr halt geben können. Auch ich nicht."
Es ist seltsam all meine Gedanken und all meine Trauer laut aus zusprechen. Worte, die ich seid sieben Jahren niemandem anvertraut habe. Worte, die auch heute noch drohen, mir ein Magengeschwür zu verpassen, weil ich sie stetig herunter geschluckt habe. Es macht mir Angst mich so zu öffnen und dennoch nimmt es mir in diesem Moment eine große Last von den Schultern. Es fällt mir äußerst schwer, mich eigentlich fremden Menschen so sehr und so schnell anzuvertrauen. Es fühlt sich unbeschreiblich falsch und zugleich so richtig an.
Ich schaffe es nicht mehr, meinen Blick auf einen der beiden zu richten.
"Jedenfalls, hat Mom sich noch mehr gehen lassen. Sie hat nicht mehr nur getrunken und ihren Depressionen nach gegeben, sondern hat nach anderen Möglichkeiten gesucht, die sorgen um Geld, unsere Zukunft und der Gegenwart einfach... eben Einfach auszuschalten. Dabei hat sie Bill kennen gelernt. Und ich meine, sie ist... Oder war, wer weiß das schon, eine wunderschöne Frau." Mir laufen Tränen die Wangen hinab und ich merke, wie der Rotz ungehindert in meiner Nase zu fließen beginnt.
"Er hat sie ausgenutzt! Hat ihr seinen Dreck verkauft! Sie noch tiefer in ihr Loch geschoben und so getan, als würde er ihr damit helfen!" Ich beginne zu schluchzen. "Als sie von ihm abhängig war, als wir es beide waren, da hat er sie dazu gezwungen..." Ich unterbreche meine Worte.
"Ach egal! Vergesst es! Ist nicht wichtig! Jedenfalls glaube ich, dass sie ganz dringend sterben wollte! In den letzten Jahren konnte ich es immer mehr in ihren Augen sehen. Selbst wenn sie weggetreten war, hatte sie diesen Blick. Diese Mutlosigkeit, dass wissen, nicht mehr von diesem Schwein weg zu kommen, einfach, keine Zukunft mehr zu haben! Sie hat mich schon vor vielen Jahren verlassen, wenn man's ganz genau nimmt!"
Ich wische mit meinem Unterarm über meine Wangen, ein Sinnloser Versuch, die Tränen aufzuhalten, während ich auf den Boden vor mir starre.
Die beiden sehen sich an, dass erkenne ich aus den Augenwinkeln, und schweigen. Aber was sollen sie auch dazu sagen. Meine Lippen beginnen zu beben und ich kann die Tränen weiterhin nicht aufhalten, weshalb ich aufstehe und schnellen Schrittes zum Bad gehe, wo ich die Türe hinter mir zu drücke. Ich mag es nicht, wenn mich jemand weinen sieht. Das zeigt nur meine Schwäche, hat Bill immer gesagt.

Moribund - They are Already DeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt