Zwischen Lüge und Wahrheit

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Während dem Rennen und meiner Schnappatmung versuche ich mich umzusehen. Doch meine Augen Tränen durch die schneidende Kälte und ich sehe überwiegend verschwommen. 
Trotz allem erkenne ich, wie die Erwachsenen sich ebenfalls in Reihen aufgestellt haben, sie wurden wohl kurz vor uns nach draußen getrieben. 
Es steht jeweils ein Soldat vor den Gruppen und brüllt diese an. 
Wir werden weiter zur Wiese vor dem 'Schulgebäude' getrieben. Ein noch beschisseneres Gefühl schießt durch mein Hirn, als ich durch den Bogen, die wenigen Stufen zur Wiese Jogge. 
Der Mann, der uns aufgeschreckt hat läuft auf und ab und brüllt uns spuckend in die Gesichter. 
"In Reihe aufstellen, Zack, Zack! Schneller!".
Die zweite Gruppe Teenager steht einige Meter von uns entfernt, so dass sich das Gebrüll der beiden Männer vermischt. 
Ich höre, wie der jüngste der Jungen zu weinen beginnt. Jannik rennt eben vorbei und schenkt mir einen drohenden Blick. Dann stehen wir alle da. Zwei Reihen, hintereinander. Immer ein Junge, dann ein Mädchen. Zehn vorne, sieben hinten. Der Soldat läuft die beiden Reihen ab, begibt sich anschließend nach vorne und bleibt mit einem unleserlichen Gesichtsausdruck stehen, während er uns einzeln zu lesen versucht. 
"Captain der Jugendgruppe J eins nach vorne!" 
Whiskers löst sich aus der Gruppe und stellt sich neben ihm auf. 
Er dreht seinen Körper um 90°C und schaut sie streng an. "Ist Ihnen etwas in ihrer Gruppe aufgefallen, dass sie mir berichten sollten?" Er brüllt, obwohl die junge Frau direkt vor ihm steht und ihn auch mit normaler Lautstärke perfekt verstanden hätte.
Sie schaut verwundert drein. 
"Nein! Nicht das ich wüsste!" antwortet sie zögerlich. Ich hatte die junge Frau bislang nie so verunsichert gesehen. 
Während der Mann abgelenkt ist, versuche ich, einen Blick auf den Innenhof zu werfen. Viel zu erkennen ist von unserem Standort aus nicht, doch ich kann sehen, wie die Männer und Frauen nach wie vor aufgereiht dastehen. Ein Soldat läuft ihre Reihen auf und ab. Eine Frau scheint zusammen zu zucken, als er an ihr vorbei geht. 
Plötzlich bewegt sich Ires ins Bild. Sie bleibt vor den Erwachsenen stehen und scheint auf sie einzureden. 
"Hey du! Antworte!" Das Gesicht des Soldaten erscheint Nah vor meinem, sodass meine Pupillen zu schielen beginnen, um ihn überhaupt noch erfassen zu können. 
"Äh... Ich... entschuldigen sie, Sir! Ich habe nicht zugehört!"
Er dreht mir den Rücken zu, bewegt sich zwei Schritte weg und ist mit einem wieder bei mir. 
"Ist euch Gören eigentlich bewusst wie ernst die Lage ist? Welche Strafen es nach sich ziehen wird, wenn der Täter nicht gefasst wird!" er schaut die Leute einzeln an, dann wieder mich. 
Ich merke, wie meine Achseln immer mehr Schweiß absondern und meine Kehle trockener wird. Ich versuche zu schlucken, doch dafür ist nicht mehr genug Speichel vorhanden. 
"Ich wollte wissen, ob sich gestern Nacht einer von euch seltsam verhalten hat!" 
Hilfesuchend schaue ich mich um und sehe auf Janniks hoch rotes Gesicht, welches einen noch bedrohlicheren Blick aufgesetzt hat. 
"Du brauchst nicht nach den anderen zu schauen! Schau nur mich an und beantworte gefälligst meine Frage!" Der Mann brüllt wieder. Erneut bekomme ich Spucke Tröpfchen ab. Es kostet mich alle Mühe, mein Gesicht nicht angeekelt zu verziehen. 
"Nein, nein, Sir! Ich habe nichts bemerkt! Soweit ich weiß, haben alle die Nacht über geschlafen!" 
Er geht zu meiner Nebenfrau. Er fragt sie das selbe, auch sie verneint und behauptet alle hätten geschlafen. 
Er geht die Reihe weiter ab und mein Schwitzen verstärkt sich nur noch mehr, als er vor Jannik zum stehen kommt. 
Doch gerade als er die Frage stellt, Jannik einen Schritt vor macht um zu antworten, erklingt eine vermeintlich sanfte Stimme vom Bogen her. 
Jannik bleibt die Stimme hängen und er verstummt. Ires, die von vier Soldaten geschützt auf uns zu kommt, macht einen kleinen Bogen, geht zur anderen Gruppe, spricht mit deren Soldaten und flüstert ihm anschließend etwas ins Ohr, während wir alle die Szenerie beobachten. 
"Abtreten!" schreit deren Soldat plötzlich und die Jugendlichen und Kinder beginnen davon zu Joggen, mit ihm als ihren Begleiter. 

Mit breitem lächeln kommt die auf mich bedrohlich wirkende Frau auf unsere Gruppe zu. 
"Guten morgen, meine Lieben!" Sie klingt freundlich, doch ich habe das Gefühl, einen gefährlichen Unterton zu vernehmen. 
"Gibt es schon etwas neues?" fragt sie an den Soldaten gerichtet. 
"Ich war eben mitten in der Befragung, als sie dazu kamen, Mam." er wirkt auf einmal nervös.
"Dann lassen sie sich nicht aufhalten!" sie verschränkt ihre Arme hinter dem Rücken. 
Während ich wieder zu dem Soldaten und Jannik schaue, bemerke ich ihren Blick, der auf mir zu ruhen scheint. 
"Sir! Ich habe eine Meldung zu machen!" spricht Jannik aus. 
Eine unbeschreibliche Wut steigt in mir auf. Dieses verdammte stück scheiße! Tut so, als würde ihm das ganze hier am Arsch vorbei gehen aber dann Petzen. Andererseits, hatte er es mir ja quasi schon angedroht. 
Sein Blick geht zur mir. "Ich habe beobachtet, wie Jeffrey sich äußerst Verdächtig verhalten hat!" 
Dieses mal ist es mein Blick, der töten könnte. Hatte er eigentlich auch nur die geringste Ahnung, was hier mit den Gefangenen passiert? Nein, die hatte er natürlich nicht. Oder?
Gerade als er weiter sprechen möchte, hebt Ires ihre Hand. 
"Danke, mein Lieber, für deine Auskunft! Dafür wirst du natürlich belohnt werden!" 
Jannik starrt sie an. "Aber ich kann noch mehr s..." 
sie unterbricht ihn, indem sie ihre Hand noch Signalisierender ausstreckt um ihm zu zeigen, er solle schweigen. 
Sie kommt auf mich zu, bleibt wenige Meter vor mir stehen. 
"Also, mein Lieber! Hast du etwas zu deiner Verteidigung zu sagen?" Ihre Stimme wirkt Mütterlich und Nah, doch ihre gesamte Ausstrahlung schreit geradezu nach Gefahr. 
Mein Mund fühlt sich nun an, wie eine Wüste, meine Knochen wirken schwer und der Felsbrocken in meinem Magen, droht mich ein weiteres mal nach unten zu reißen, doch ich nehme all meinen Mut zusammen, gehe einen Schritt vor, schaue sie mit scharfem Blick an und wende mich dann an meine Gruppe. Wenn ich wütend werde, fällt es mir wesentlich leichter, vor Leuten zu sprechen, meine Scheu ihnen gegenüber abzulegen.
"Hört zu! Ich weiß wie sehr ihr eurer altes Leben zurück wollt, Normalität eben! Aber bitte! Euch muss klar sein, dass das aktuell nicht möglich ist! Auch hier nicht! Euch muss doch auch aufgefallen sein, dass hier etwas nicht stimmt! Bitte!" Ich zeige mit dem Finger auf Ires. 
"Sie ist nicht so Nett wie sie immer tut! Habt ihr euch nie gefragt, was mit den Gefangenen passiert, warum man sie nie wieder sieht? Ihr müsst das doch auch merken! Ihr müsst einfach!"
Ich atme tief durch und wundere mich, das mich niemand aufhält meine Gedanken laut auszusprechen. 
"Sie führen Experimente an denen die Verhaftet werden durch! Sie alle sind gestorben! Ich habe Ihre Akten gesehen! Und sie schreiben unglaubliche Dinge über uns auf! Wir werden durchgängig von denen beobachtet!" Ich schreie nun. 
Da ich fertig bin, drehe ich mich zu Ires und erstarre, als ich ihr grinsen sehe, was mich dazu bewegt, erneut zu meinen Gleichaltrigen zu schauen. 
Sie schütteln teilweiße den Kopf, einer verdreht die Augen. Sie glauben mir nicht. Ich bin fassungslos. Wenn ich noch mehr sage, bringe ich mich nur weiter in Schwierigkeiten und ich bezweifle ernsthaft, dass mir dann geglaubt werden würde.
Ich schlucke absolute Trockenheit hinunter und mein Hals beginnt zu Schmerzen als Brian einen Schritt nach vorne macht. 

Moribund - They are Already DeadWo Geschichten leben. Entdecke jetzt