Kapitel 7 Sohn des Alphas

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Pov Unbekannt:

Ich bin noch ein Kind.
Wie alt genau – das weiß ich nicht. Zehn vielleicht. Elf.
Aber das spielt keine Rolle. Hier, in der Hölle meines Vaters, zählt Zeit nicht.
Jahre vergehen anders, Geburtstage gibt es nicht.
Und wer zählt, will sich schwach entschuldigen. So sagt er.
Und Schwäche duldet er nicht.

Ich stehe barfuß auf kaltem, nassem Boden.
Der Dreck klebt zwischen meinen Zehen, das alte Blut fremder Kämpfe durchtränkt die Erde.
Um mich ragen schwarze Bäume in den Himmel, still und wachsam wie stumme Zeugen.
Mein Vater nennt diesen Ort eine Prüfung.
Ich weiß, es ist ein Urteil.

Vor mir steht einer seiner Krieger.
Ein erfahrener Wolf, doppelt so groß, gebaut für den Kampf.
Kein Flackern in seinen Augen, kein Zögern in seinem Stand.
Er ist nur hier, um zu gehorchen.

Ich verwandle mich, bevor er es befiehlt.
Ich will nicht bitten, nicht warten. Ich will zeigen, dass ich bereit bin.

Die Verwandlung reißt durch meinen Körper.
Knochen brechen, verschieben sich, Muskeln dehnen sich schmerzhaft neu.
Ich halte still. Beiße den Schmerz runter, presse die Kiefer zusammen, bis Blut meine Zunge füllt.

Dann springe ich.

Ich greife an – ohne Finesse, ohne Zurückhaltung.
Ich kämpfe, wie ich atme: weil ich muss.
Weil ich nicht wieder am Boden liegen will.
Nicht heute.

Ich treffe ihn, bringe ihn leicht ins Wanken, aber es reicht nicht.
Er kontert. Mit voller Wucht.
Sein Körper schlägt in meinen, ich werde vom Boden gehoben und gegen einen Baum geschmettert.
Die Rinde reißt auf, mein Rücken schreit.
Ich lande hart, schnappe nach Luft – stehe wieder auf.

Noch ein Angriff.
Noch ein Versuch.

Ich werfe alles in diesen Moment: Wut, Wille, Angst, Hoffnung.
Doch er ist zu schnell. Zu stark.

Ein weiterer Treffer.
Dann noch einer.
Ich fliege erneut – pralle gegen einen zweiten Baum.
Diesmal bleibe ich liegen.

Meine Glieder zucken, mein Brustkorb hebt und senkt sich in flachem Keuchen.
Das Blut läuft warm aus meiner Schnauze, meine Sicht verschwimmt.
Ich sehe Schatten, Formen – und dann ihn.

Meinen Vater.

Er steht dort, regungslos, als wäre das alles nichts.

Kein Zorn in seinem Blick.
Kein Triumph.
Nur diese kalte, tiefe Enttäuschung, die schlimmer ist als jede Peitsche.

Er sagt nichts.
Dreht sich einfach um und geht.

Und ich bleibe zurück.
Im Dreck.
Blutverschmiert. Zerschunden.
Unbedeutend.

Später – oder vielleicht nur Minuten danach, ich weiß es nicht – werde ich gepackt.
Nicht sanft, nicht grob. Nur zweckmäßig.
Als wäre ich kein Sohn, sondern ein Gegenstand, der versagt hat.

Sie schleifen mich durch den Wald, dann durch einen schmalen Gang in den Berg hinein.
Die Steine sind kalt, die Wände feucht. Es riecht nach Metall, nach Moder – und nach Angst.
Ich kenne diesen Ort.
Zu gut.

Der Kerker liegt tief unter der Erde.
Kein Licht. Kein Geräusch von draußen. Nur das Echo deiner eigenen Gedanken.

Ich werde gegen die Wand gedrückt.
Eiserne Ketten klirren, als sie mich hochziehen.
Die Handgelenke über dem Kopf, raues Metall, das sich in die offene Haut schneidet.
Ich bin zu klein für diese Fesseln. Zu leicht.
Aber das ist Absicht.
Er will, dass es schmerzt.

Ich könnte mich befreien.
Mit einer einzigen Verwandlung.
Ich könnte alles sprengen, diese Ketten zerreißen, die Wände mit meinem Zorn zum Beben bringen.

The AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt