Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.

Neuf

Am Sonntagmorgen war ich tatsächlich ziemlich aufgeregt, weil ich Pierre zum ersten Mal live bei einem Formel-1-Rennen sehen würde.
Die Temperaturen stiegen im Laufe des Vormittags bereits auf dreißig Grad, Tendenz steigend, weshalb ich mich für helle und dünne Klamotten entschied und meine Haare teilweise hochsteckte.

Nach einem ausführlichen Frühstück im Hotel und ein paar Vorbereitungen für meinen Artikel verließ ich um die Mittagszeit das Hotel und machte mich auf den Weg zur Strecke.
Anhand der Menschenmassen, die mir überall begegneten, erkannte man deutlich, dass heute das Rennen und damit das wichtigste Ereignis des Wochenendes anstand, was natürlich niemand verpassen wollte.

Als ich endlich im Paddock war, machte ich mich direkt auf den Weg zum Motorhome von Alpine, wie ich es mit Esteban und Elena ausgemacht hatte.
Während ich mich zwischen all den Menschen hindurchschob und gleichzeitig versuchte, nicht vor irgendwelchen Kameras zu landen oder fremde Interviews zu crashen, verlor ich ein wenig den Überblick und stellte plötzlich fest, dass ich bereits an meinem Ziel vorbeigelaufen war.

Hastig drehte ich mich um, um zurückzulaufen, wobei ich volle Kanne in jemanden reinknallte. Uns beiden entfuhr ein überraschtes Fluchen und ich rieb mir mit schmerzverzerrter Miene den Arm, wo mich die Handtasche meines Gegenübers schwungvoll erwischt hatte.

Unsicher hob ich den Blick und fühlte mich wie Harry Potter, der den sprechenden Hut anflehte, ihn nicht nach Slytherin zu schicken, als ich Gott stumm anflehte, dass er mich bitte nicht schon wieder in jemanden aus meiner Vergangenheit hatte rennen lassen.

Als ich sah, wen ich da vor mir hatte, fragte ich mich kurz, ob der Typ im Himmel mein Betteln tatsächlich berücksichtigt hatte, dann wurde mir klar, dass ich die hübsche Brünette durchaus kannte.

Es war lange her, aber Kelly war die Freundin von Daniil, einem Fahrer aus dem Red Bull Programm, zu dem ja auch Pierre gehörte. Allerdings überraschte es mich, sie hier zu treffen, denn Daniil hatte seit 2021 kein Cockpit in der Formel 1 mehr und wenn man ihn dieses Wochenende als Reservefahrer gebraucht hätte, hätte ich davon gewusst.

Kellys Entschuldigung riss mich aus meinen Gedanken und ich schüttelte schnell den Kopf.

"Nein, mir tut's Leid, das war meine Schuld. Ich hab mich ziemlich plötzlich umgedreht", beteuerte ich und begegnete dann dem forschenden Blick der Brasilianerin.

"Kennen wir uns? Du kommst mir irgendwie bekannt vor", fragte sie unsicher und ich lächelte schwach.

"Ja, wir sind uns vor etwa fünf Jahren schon ein paar Mal begegnet. Damals war ich mit Pierre Gasly zusammen, der genauso wie Daniil zur Red Bull Familie gehört."

Sofort hellte sich die Miene meines Gegenübers auf und sie begann ebenfalls zu lächeln.

"Stimmt, jetzt erinnere ich mich. Louanne, richtig? Wie schön, dass wir uns nach so langer Zeit mal wieder sehen. Was treibt dich heute hierher?"

"Ich bin als Journalistin hier, ein Kollege ist krank und ich musste für ihn einspringen. Und was ist mit dir? Ich hab Daniil das ganze Wochenende nirgends gesehen."

"Oh, ich... das mit Daniil und mir ist schon seit einer ganzen Weile vorbei. Ich bin mittlerweile mit Max zusammen und deswegen dieses Wochenende hier."

Peinlich berührt schoss mir das Blut in die Wangen, denn ich war mit meiner Unterstellung, sie sei wegen Daniil hier, offensichtlich viel zu vorschnell gewesen. Hätte sie mich auf diese Weise auf Pierre angesprochen, hätte ich mich definitiv unwohl gefühlt.

"Sorry, ich wollte nicht-"

"Schon gut", beruhigte Kelly mich lachend und winkte ab, "Es ist eigentlich mal ganz schön jemanden zu treffen, der sich nicht schon ein Urteil über mein Liebesleben gebildet hat."