Vingt-six

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Irgendwo in meinem Gedächtnis tauchte eine Erinnerung an meine Recherche über Pierre für meinen Artikel auf und mir fiel ein, dass er in der Gegend um Mailand herum wohnte, aber ich wäre nicht im Traum darauf gekommen, dass wir uns ausgerechnet hier über den Weg laufen würden.

So viel zum Thema »Man sieht sich immer zwei Mal im Leben«, schoss es mir sarkastisch durch den Kopf und ich spürte, dass jeder Millimeter meines Körpers angespannt war.

Einen Augenblick lang spielte ich mit dem Gedanken, Pierre zu ignorieren und einfach so zu tun, als ob ich ihn nicht gesehen hätte, aber dann kehrten meine Erinnerungen an die letzten Wochen zurück. An das ganze Drama, das ich hatte durchstehen müssen, weil mein Ex-Verlobter nichtmal auf die Idee gekommen war, auf Instagram zu posten, dass wir kein Paar waren.

Er hatte nichts dagegen unternommen, dass ich das Opfer von Hass und Hetze geworden war und ich war mir sicher, dass all das nicht an ihm vorbeigegangen war. Er hatte schon immer viel Zeit in den sozialen Netzwerken verbracht und ich war mir sicher, dass er das immer noch tat und genau mitverfolgt hatte, was dort geschehen war.

Entschlossen presste ich die Lippen aufeinander und murmelte in Thierrys Richtung irgendwas davon, dass ich gleich wieder da sei, dann steuerte ich auf Pierre zu. Als ihm klar wurde, was ich vorhatte, glaubte ich für einen Moment Überraschung in seinen Augen aufblitzen zu sehen, aber schon in der nächsten Sekunde wurde sein Blick wieder ausdruckslos.

Als ich ihn erreicht hatte und tief Luft holte, stockte ich einen Moment, weil sein vertrauter Duft einen Augenblick lang all meine Sinne betörte, dann besann ich mich wieder und streckte entschlossen den Rücken durch.

"Was für ein Zufall, dass ich dich hier treffe. Wir beiden haben noch was zu besprechen, meinst du nicht?", begrüßte ich ihn so kühl wie möglich, was Pierre mit einer hochgezogenen Augenbraue quittierte.

"Haben wir das? Ich wüsste nicht, worüber wir beide reden müssten", antwortete er ebenso kühl und ich spürte, wie ich vor Wut zu beben begann.

"Oh, ich denke das weißt du sehr wohl. Du kannst mir nicht erzählen, dass du im August nichts von dem ganzen Theater um uns mitbekommen hast. Wieso hast du nichts unternommen? Eine Story bei Instagram mit einer Richtigstellung, dass wir kein Paar sind, hätte doch gereicht."

"Es war mir egal", entgegnete Pierre und ich konnte nicht anders, als ihn fassungslos anzustarren.

"Es... es war dir egal?! Das kann nicht dein Ernst sein. Verdammt, ich hätte deswegen meinen Job verlieren können, ich wurde im Internet komplett durch den Dreck gezogen, ich dachte ich verliere den Verstand! Und dir war das einfach egal?", fuhr ich ihn an und spürte, wie mir Wuttränen in die Augen traten.

"Wieso hätte mich das kümmern sollen? Du hast dich doch damals auch einen Scheiß um mich geschert", knallte Pierre mir an den Kopf.

"Erstens hab ich mich sehr wohl um dich geschert, aber du wolltest mich laut eigener Aussage nie wieder sehen. Zweitens war ich 15 Jahre lang Teil deines Lebens, da hätte ich durchaus erwarten können, dass ich dir nicht komplett am Arsch vorbeigehe. Und drittens warst du mit Schuld an der Situation, weil du mich geküsst hast und wir deswegen miteinander geschlafen haben", zählte ich auf und versuchte zu überspielen, wie verletzt ich von seiner Gleichgültigkeit war.

"Hör auf das Opfer zu spielen, Lou. Du weißt genau, dass ich uns noch eine Chance gegeben hätte, wenn du dich ernsthaft bei mir entschuldigt und um mich gekämpft hättest, aber ich war dir komplett egal. Hab ich dir damals vorgeworfen, dass wir uns 15 Jahre lang kannten und ich deswegen ein anderes Verhalten von dir erwartet hätte? Nein. Also kannst du dir dieses Argument gleich wieder sonstwohin stecken."

Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt