Überraschte Blicke empfingen mich, als ich das Wohnzimmer betrat.
"Hey, fühlst du dich besser?", fragte Coco mit sanfter Stimme und ich nickte schwach, auch wenn besser immer noch alles andere als gut bedeutete.
Ich konnte mich nur schemenhaft daran erinnern, was nach meinem Zusammenbruch im Keller passiert war. Wenn ich es richtig rekonstruiert hatte, hatte meine Mutter mich zu trösten versucht und dann Jules gerufen, der mich hoch in mein Bett getragen hatte. Coco war sofort zu meiner Seite geeilt und hatte so lange neben mir gesessen und meine Hand gehalten, bis ich stumme Tränen weinend eingeschlafen war.
Ich hatte den Blick in den Spiegel vermieden, als ich mir eben im Bad eine Ladung Wasser ins Gesicht gespritzt hatte. Trotzdem konnte ich mir gut vorstellen, wie rot und geschwollen meine Augen von den vielen Tränen waren.
Coco rutschte ein Stück zur Seite und klopfte neben sich auf das Sofa, woraufhin ich mich neben sie setzte und vorsichtig an sie lehnte. Mein Blick fiel auf den prachtvoll geschmückten Weihnachtsbaum in der Ecke.
"Er sieht toll aus", murmelte ich mit dem kläglichen Versuch eines Lächelns.
"Danke. Die Kiste mit dem Schmuck steht mittlerweile übrigens im Regal hinter der Tür", antwortete Maman mit nervöser Stimme.
Ich nickte schwach, dann schaute ich sie fragend an.
"Wieso hast du es aufgehoben?"
Natürlich wusste sie sofort, wovon ich sprach.
"Weil ich wollte, dass du entscheidest, was damit passieren soll."
"Wie sollte ich das entscheiden, wenn du mir nie verraten hast, dass es hier ist?", entgegnete ich.
"Ich wollte warten, bis du über die ganze Sache hinweg bist."
Überrascht starrte ich meine Mutter an.
"Und du glaubst, dass ich immer noch nicht darüber hinweg bin?"
"Es sieht für mich nicht danach aus, nein."
Eine Antwort blieb mir im Halse stecken, denn sie hatte Recht. Ich war alles andere als darüber hinweg.
"Woher wusstest du, dass ich es noch nicht bin?", fragte ich unsicher.
"Ich hab es an deinem Blick gesehen, jedes Mal wenn du hier warst. Du hast ihn gesehen. Hinter jeder Straßenecke, in sämtlichen Winkeln deines Zimmers, überall. Ich weiß nicht genau, was du brauchst, um über Pierre hinwegzukommen. Vielleicht seine Vergebung, vielleicht einfach nur mehr Zeit. Egal, was es ist, du kannst ihn immer noch nicht loslassen und solange du das nicht konntest, warst du nicht bereit für das Kleid."
Ich schwieg einige Sekunden lang, dann atmete ich tief durch.
"Er hat mir vergeben."
"Was?", entfuhr es meinem Vater überrascht.
"Pierre hat mir vergeben", wiederholte ich.
"Aber... wann?"
"Das ist... eine lange, komplizierte Geschichte", begann ich und spürte Cocos Blick auf mir, als ob sie sich versichern wollte, dass ich das gleich wirklich tun würde und ich ergriff ihre Hand und drückte leicht zu, um ihr zu zeigen, dass ich mir sicher war, ehe ich den Blick wieder meinen Eltern zuwandte, "Und sie beginnt vor sechs Jahren, als ich allen erzählt habe, ich hätte Pierre betrogen."
"Als du allen erzählt hast, du hättest ihn betrogen?", echote meine Mutter fassungslos und ich nickte schwach.
"Ihr wisst, dass Pierre den Motorsport geliebt und schon als kleiner Junge von der Formel 1 geträumt hat. Über die Jahre habe ich ihn bei allem unterstützt, weil ich wollte, dass er sein großes Ziel eines Tages erreicht. Aber je älter wir wurden, desto schwieriger wurde es für Pierre, alles gleichzeitig hinzukriegen. Er wollte 100% in der Beziehung mit mir geben und gleichzeitig 100% beim Fahren und das hat ihn immer mehr zerrissen. Er stand andauernd zwischen den Stühlen, musste sich zwischen Zeit mit mir und Training entscheiden und egal wie oft ich ihm versichert habe, dass es für mich okay ist, wenn er sich auf seine Karriere konzentriert, wollte er trotzdem alles gleichzeitig schaffen. Das hat ihn kaputt gemacht und ich... ich musste dafür sorgen, dass es aufhört. Ich wusste, wie wichtig Pierre Treue ist und dass er mich nicht gehen lassen würde, wenn ich ihm sage, dass ich es zu seinem Besten tue. Also hab ich-"
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Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.
FanficEine alte Halskette, ein neues Hochzeitskleid, ein geborgtes Paar Schuhe und eine blaue Blume im Brautstrauß. Das war der Plan, so hätte es damals laufen sollen. Aber stattdessen kam alles anders und fünf Jahre später stehe ich hier und das Schicksa...