In der darauffolgenden Woche hatte ich kaum Zeit, um über den Zettel mit Pierres Handynummer in meiner Nachttischschublade nachzudenken, denn kaum war ich ins Büro zurückgekehrt, erwartete mich ein riesiger Haufen Arbeit. In den zwei Wochen, die ich in Italien verbracht hatte, war natürlich einiges liegengeblieben, das jetzt dringend behandelt werden musste und ich war dankbar für diese Ablenkung.
Als ich freitags völlig erledigt in meine Wohnung kam, hätte ich mich gern auf ein ruhiges Wochenende in meinen eigenen vier Wänden gefreut, aber das stand mir leider nicht bevor, auch wenn meine Pläne durchaus schön waren.
Esteban hatte mich eingeladen, morgen mit ihm und einigen Freunden seinen Geburtstag nachzufeiern, der schon letzten Samstag gewesen war. Da hatte Esteban jedoch mit seiner Familie und Elena im ganz kleinen Kreis gefeiert, dieses Wochenende sollte es etwas größer werden.
Statt sofort unter eine entspannende Dusche zu steigen, holte ich also meinen kleinen Koffer raus, den ich immer nahm, wenn es sich nur um eine wirklich kurze Reise handelte, ich meine Kleidung aber nicht in einen Rucksack stopfen wollte, und begann zu packen. Für die Party wanderten ein schwarz-weiß-karrierter Rock, ein weißer Oversize-Pullover, ein schwarzes Top und eine Strumpfhose ins Gepäck, dann packte ich auch noch Sachen für Sonntag ein, weil ich meinen Eltern versprochen hatte sie zu besuchen.
Esteban feierte in Amiens, das nur etwa 100 Kilometer von meinen Eltern entfernt war und weil sie mich so lange nicht mehr gesehen hatten, hatte ich ihnen angeboten, auf dem Rückweg von Amiens bei ihnen vorbeizukommen. Erst als wir das Treffen ausgemacht hatten, war mir aufgefallen, wie viel Zeit vergangen war, seitdem ich Maman und Papa das letzte Mal besucht hatte, weshalb ich mich umso mehr auf Sonntag freute.
Frisch gewaschen und in kuschelige Kleidung gehüllt, machte ich mir anschließend etwas zu essen, setzte mich aufs Sofa und gönnte mir ein paar Stunden mit einem guten Buch, denn auch wenn ich eigentlich noch genug Arbeit zu tun gehabt hätte, wollte ich mich vor meiner Reise morgen lieber ausruhen.
Als ich mich schließlich kurz vor Mitternacht in mein Bett legte, fiel mir der Zettel doch wieder ein. Nachdenklich öffnete ich die Nachttischschublade und strich mit dem Finger sanft über Pierres Namen, dann seufzte ich leise.
Wieso war nur alles so kompliziert? Wieso hatte ich bis vor eineinhalb Wochen nicht gewusst, dass ich Pierre immer noch liebte? Und wieso lungerte tief in meinem Kopf die Angst, dass ich niemals über ihn hinwegkommen würde?
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Während der Zugfahrt nach Amiens hatte ich mich mit Kopfhörern in den Ohren und meinem Laptop auf dem Schoss in übriggebliebene Arbeit gestürzt, nach meiner Ankunft am Bahnhof hatte ich mir ein Taxi zum Hotel genommen und jetzt stand ich vor dem Spiegel und musterte mein Aussehen.
Ursprünglich hatte ich gar nicht vorgehabt mich großartig zu schminken, aber dann waren mir die eingefallenen Wangen und die tiefen Augenringe aufgefallen, die wohl dem extremen Schlafentzug der drei Wochen geschuldet waren, und hatte mich umentschieden. Jetzt sah ich wieder halbwegs lebendig aus und schnappte mir nur noch meine Handtasche, bevor ich das Zimmer verließ.
Draußen vor dem Hotel wartete bereits mein bestelltes Taxi auf mich, das mich zur Location brachte und als ich ausstieg, musste ich unweigerlich lächeln, weil ich mich an diesen Ort nur allzu gut erinnern konnte. Hier hatten wir alle gemeinsam Estebans ersten Kartsieg gefeiert, neben Esteban, Pierre und mir auch einige andere Freunde und natürlich unsere Eltern. Es war eine großartige Party gewesen.
Mit einem melancholischen Lächeln auf den Lippen löste ich mich aus der Starre, in die ich kurzzeitig verfallen war, und betrat das Restaurant. Als ich mich umschaute, konnte ich keinen von den anderen entdecken, weshalb ich auf einen Kellner wartete und ihn fragte, wo ich hin musste. Er führte mich um zwei Ecken und schon hatte ich mein Ziel erreicht.
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Something Old, Something New, Something Borrowed, Something Blue.
FanfictionEine alte Halskette, ein neues Hochzeitskleid, ein geborgtes Paar Schuhe und eine blaue Blume im Brautstrauß. Das war der Plan, so hätte es damals laufen sollen. Aber stattdessen kam alles anders und fünf Jahre später stehe ich hier und das Schicksa...