4. Eine Party ohne Ehrengast

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Der folgende Tag verlief stressig.

Ich war bereits um vier Uhr am Morgen aufgestanden, um das Amt der Weltenwandler noch vor Sonnenaufgang zu eröffnen, da sich unzählige Gäste für den Geburtstag angekündigt hatten, die es scheinbar kaum erwarten konnten, einen Blick auf ihre zukünftige Prinzessin zu erhaschen. Dieser Tag war in ganz Yrvat seit Ewigkeiten herbeigesehnt worden und aus diesem besonderen Anlass, waren die Regeln, was andersartige Wesen betraf, ein wenig gelockert worden.

Ihnen war es gestattet, der Zeremonie beizuwohnen, vorausgesetzt, sie hielten sich nicht im Freien auf, sondern begaben sich auf direktem Weg zu der Stadtvilla meiner Familie.

Noch bevor ich meinen ersten Kaffee getrunken hatte, tummelten sich Kobolde, Trolle, Ghule und andere Wesen vor dem Portal und warteten darauf, in die Menschenwelt einreisen zu dürfen.

Ich hing meinen Mantel an die Garderobe und trat in die kleine Küche, die hinter dem Portalraum lag. Sie war nichts Besonderes, doch da ich die meiste Zeit meines Lebens in dem Amt verbrachte, war die Küche so etwas wie mein persönlicher Rückzugsort geworden. Die Wände waren in einem warmen Pfirsichton gestrichen und der Linoleumboden war in einfach Holzoptik gehalten. Die weiße Küchenzeile war im Landhausstil und unter dem kleinen Sprossenfenster stand ein Tisch, an dem vier Personen auf gemütlichen Bistrostühlen Platz nehmen konnten.

Ich musste mich ein wenig strecken, um an einen der Hängeschränke heranzukommen und ihn zu öffnen und zog eine Kaffeetasse heraus. Es war die Tasse, die Ellie mir im Jahr zuvor zu Weihnachten geschenkt hatte. Ich lächelte wehmütig, als ich sie betrachtete. Das glänzende, graue Porzellan zierte ein Foto, welches uns beide zeigte. Arm in Arm lächelten wir glücklich in die Kamera. Ellie hatte ihre feinen, hellblonden Haare zu zwei niedlichen Zöpfen geflochten und einen dunkelblauen Schlapphut getragen und ich hatte meine langen, schwarzen Haare zwar nur zu einem nachlässigen Dutt gebunden, doch mein Lächeln auf dem Bild, war echt und fröhlich.

Es war der Sommer vor zwei Jahren gewesen, als wir unsere Urlaube noch gemeinsam am Meer verbracht hatten. Letztes Jahr hatten wir nicht verreisen können, weil Ellies Vorbereitungsunterricht intensiviert worden war und ihr seither kaum noch freie Zeit zur Verfügung gestanden hatte.

Ihr Unterricht hatte zum ersten Mal stattgefunden, als sie acht Jahre alt gewesen war. Ihre Lehrer waren zwei grimmige Feen des Lichthofs, mit den Namen Quinn und Braka. Ellie lernte dort die Geschichte der Lichtwelt und alles über die Wesen, die sie bewohnten und natürlich die Etikette des königlichen Hofs. Im letzten Sommer waren Quinn und Braka dann mit ihr tatsächlich nach Yrvat gereist und sie hatte dort die Bekanntschaft des Königs und seiner Tochter gemacht. Den Prinzen hatte sie nicht getroffen.

Die beiden Feen waren überaus zufrieden mit ihrer Schülerin gewesen, als sie aus der Lichtwelt zurückgekehrt waren, denn der König war, wie sie es ausgedrückt hatten, „ganz verzaubert" von der zukünftigen Prinzessin gewesen.

Ellie war nach ihrem Besuch eine ganze Weile lang ungewohnt still und grüblerisch gewesen. Ich hatte sie nicht bedrängt. Vermutlich war ihr erst zu diesem Zeitpunkt bewusst geworden, dass sich ihr gesamtes Leben fundamental verändern würde.

Es war jedoch nicht nur ihr Leben, welches sich maßgeblich ändern würde. Auch mein Leben würde ein anderes werden, ganz ohne sie. Ich bemühte mich krampfhaft darum, nicht egoistisch zu sein und ihr nicht im Weg zu stehen, doch ich würde sie vermissen. Sie war meine Cousine und auch meine beste Freundin.

„Guten Morgen, Winnie", hörte ich eine Stimme hinter mir trällern, während ich mir Kaffee in die Tasse eingoss.

„Guten Morgen, Mavis", erwiderte ich, sah auf und schenkte dem zierlichen Mädchen, welches gerade die Küche betreten hatte, ein müdes Lächeln. Dem weißbraun gefleckten Mischlingsrüden, der hinter ihr erschien und seine lange, graue Schnauze schnüffelnd in die Luft erhob, nickte ich kurz zu. „Guten Morgen, Aki". Er neigte den Kopf zur Begrüßung. „Morgen, Winnie", sagte er.

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