11. Schatten

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Callan hatte seine goldenen Augen fest auf den Riesen gerichtet. Seine dichten Wimpern warfen dunkle Schatten auf seine Wangen. Er neigte den Kopf ein wenig zur Seite, so als würde er die Neuigkeiten langsam auf sich wirken lassen.

Meine Gedanken wirbelten umher. Was, zur Hölle, tat Ellie in Yrvat? Ich hatte angenommen, sie sei geflohen, damit sie einer arrangierten Ehe und einem Leben in der Lichtwelt entkommen konnte, um in einer überteuerten Großstadt zu wohnen und am Ende vielleicht doch noch ein normales Leben führen zu können. Meine Stirn legte sich in tiefe Falten. Es ergab einfach keinen Sinn. Ellie verband, abgesehen von unserer Herkunft und der Prophezeiung, nichts mit dieser Welt. Sie hatte noch nicht einmal einen Job im Amt der Weltenwandler.

„Deine Informationen sind für mich unbrauchbar", sagte Callan schließlich und riss mich damit aus meinen verwirrenden Gedankengängen heraus.

Yknis Miene verfinsterte sich. „Thalvin?".

Den Namen hatte ich zuvor schon einmal gehört. Er war es gewesen, den Callan kurz vor meiner unspektakulären Flucht getroffen hatte.

„Das ist unwichtig".

Yknis Augenbrauen zogen sich grüblerisch zusammen. „Wenn du mir mehr Zeit gibst, kann ich dir weitere Informationen beschaffen. Meine Leute werden Augen und Ohren offenhalten".

Callan erhob sich von seinem Platz und ließ zwei funkelnde Goldmünzen auf den Tisch fallen. „Das wird nicht nötig sein. Ich benötige deine Dienste nicht länger".

„Warte!", stieß der Riese aus, während ich mich ebenfalls von der Sitzbank erhob. Auf seine Stirn traten feine Schweißperlen und ich fragte mich unwillkürlich, wieso er sich dermaßen fürchtete. „Ich bitte dich bloß um einen kleinen Aufschub. Meine Leute...". Callans Augen verdunkelten sich. Er legte seine Hände auf den Tisch und beugte sich langsam zu dem Riesen hinunter, was einigermaßen merkwürdig aussah, da Ykni die gesamte Sitzbank einnahm.

„Meine Königin und der Prinz werden nicht besonders erfreut sein, wenn sie erfahren, dass ihr mir das falsche Mädchen gebracht habt". Seine Stimme war bloß noch ein gefährliches Flüstern. Ykni schluckte lautstark und wich vor dem Fee-Krieger zurück. „Ich würde dir also raten, die Füße stillzuhalten und mich nicht zu provozieren".

Königin? Ich musste zwar zugeben, dass ich einige gravierende Wissenslücken hatte, was Yrvat betraft, doch ich war mir ziemlich sicher, dass es von einem König beherrscht wurde, dessen Königin vor vielen Jahren gestorben war. Lichtwelt hatte keine Herrscherin.

Callan richtete sich langsam auf und wandte sich ab.

Ich folgte ihm durch die Gaststätte hindurch und bahnte mir einen Weg an den vielen Gästen vorbei, nicht ohne jedoch noch einen letzten Blick über die Schulter zurückzuwerfen. Ykni saß noch immer auf der Sitzbank. Er zitterte – ob vor unterdrückter Wut oder Furcht, wusste ich nicht, doch in beiden Fällen war mein Entführer dafür verantwortlich.

Als wir aus der Schenke in die kühle Morgenluft hinaustraten, fröstelte ich mit einem Mal und schlang mir die Arme um den Oberkörper. Callan beachtete mich kaum, während wir zu dem Gästehaus und in das Zimmer mit den präparierten Tierköpfen zurückkehrten.

„Ich muss etwas erledigen", brummte er mir wenige Minuten später zu und verschwand. Ich war nicht so dumm, einen erneuten Fluchtversuch zu wagen. Stattdessen blieb ich in dem Zimmer zurück und blickte aus dem Fenster hinaus auf das belebte Dorf, wo nun im Morgengrauen, Händler ihre Warenstände eröffneten.

Was auch immer Callan zu erledigen hatte, er wollte nicht, dass ich etwas davon erfuhr, schließlich hatte er mich auch zu dem Treffen mit Ykni mitgenommen.

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