Lichtblicke

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Hinata PoV

Es dauerte noch mehrere Wochen, bis ich endlich einen kleinen Lichtblick an meinem tristen brasilianischen Horizont erkennen konnte. Auch wenn ich mittlerweile immerhin ein paar grundlegende portugiesische Begriffe gelernt hatte, hatte ich es doch tatsächlich geschafft während meines Teilzeitjob als Essenslieferant eine Bestellung viel zu spät auszuliefern, was mir einige Diskussionen mit den Kunden beschert hatte, deren wüste Beschimpfungen ich (zum Glück) nicht verstand. Als ich auch noch feststellte, dass ich mein kleines Portemonnaie, welches Natsu mir kurz vor meinem Abschied geschenkt hatte, offenbar verloren hatte, hatte ich endgültig meinen Tiefpunkt erreicht.

In Japan war es mitten in der Nacht, weshalb ich Kageyamas wertvollen Schlaf nicht stören wollte. Ich entschloss mich also, an den Strand zu gehen, um mich ein wenig abzulenken. Ein paar Locals, die öfters an der Promenade Volleyball spielten überredeten mich zu einem kleinen Match. Tatsächlich halfen sie mir mich ein wenig auf andere Gedanken zu bringen. Begeistert stellten sie fest, was für Fortschritte ich gemacht hatte und auch ich merkte, dass ich mich so langsam an das anstrengende Training im Sand gewöhnt hatte.

Als ich mit meinem Partner eine weitere Runde gewonnen hatte unterbrach uns ein kleiner Applaus einer einzelnen Person, die am Rande des Spielfeldes mit verschränkten Armen stand. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und wandte mich um. Mitten in der Bewegung hielt ich inne, denn das was ich dort sah konnte einfach nicht war sein.

"Nicht schlecht, Chibi-chan. Deine Technik hat sich im Vergleich zu meiner Oberschulzeit ja deutlich verbessert." Braun gebrannt, die Haare zu einer perfekten Frisur gestylt, in einer lässigen Badeshorts und mit einem kurzen Tanktop bekleidet stand dort...

"Oikawa?", murmelte ich entgeistert und blinzelte einmal kurz, wie um festzustellen, ob das, was ich da sah keine Fata Morgana war. Der ehemalige Zuspieler der Aoba Johsai winkte mir kurz zu und verschränkte die Arme dann entspannt hinter dem Kopf. Ich starrte ihn weiter ungläubig an. "Wow, was für eine Überraschung. Was zur Hölle machst du hier?", fragte ich ihn und sah, wie er vergnügt lächelte.

"Urlaub. Ich habe ein paar Wochen frei, bevor die kommende Saison in Argentinien losgeht", antwortete er. Ich wusste, dass er mittlerweile für eine argentinische Mannschaft spielte, doch dass ich ihn ausgerechnet hier an einem brasilianischen Strand treffen würde hätte ich nie für möglich gehalten. Er wandte sich um. "Was hältst du von Abendbrot?", meinte er und ich nickte, bevor ich mich von meinen Mitspielern verabschiedete.

"Ich kenne mittlerweile einen guten Laden, der ganz annehmbare Ramen macht", erzählte ich und ich führte ihn in die engen Gassen neben der Strandpromenade. Die Tatsache, dass ich hier nach Wochen der Einsamkeit endlich ein bekanntes Gesicht sah erleichterte mich ungemein und obwohl ich den ehemaligen Sejioh Kapitän nicht mehr so richtig gesprochen hatte, seit dieser von der Schule gegangen ist, wusste ich, dass er regelmäßigen, wenn auch sporadischen Kontakt mit Kageyama hatte.

Als wir das kleine Lokal erreichten, welches von einer befreundeten Familie von Katō geführt wurde, setzten wir uns draußen in die noch milde Abendluft. „Erzähl, wie gehts dir?", fragte Oikawa und beugte sich interessiert nach vorn. „Gut", log ich. Oikawa schien das ganze direkt zu durchschauen, denn er hob nur eine Augenbraue.

„Na gut... es könnte besser sein", seufzte ich. „Natürlich, allen voran vermisse ich Kageyama, ich kann diese gottverdammte Sprache nicht, mein Mitbewohner kann mich nicht leiden, ich fühl mich unglaublich einsam-..." - „Wow okay, so schlimm?", unterbrach mich Oikawa und ich ließ schwach die Schultern sinken.

„Ich bekomme immer mehr Zweifel, ob das hier der richtige Schritt ist", murmelte ich und schob lustlos den Löffel in der Schüssel hin und her. Plötzlich ertönte ein schallendes Lachen von Oikawa, woraufhin sich einige Gäste um uns herum verwundert umdrehten. „Dass ich diese Worte mal von dir hören würde", grinste er und schüttelte den Kopf. „Wo ist denn der Shoyo hin, der alle mit seinem Übermut und Eifer ansteckt?"

Ich zuckte die Schultern, spürte jedoch, wie ich bei dem indirekten Kompliment ein wenig rosa anlief. „Ich hab ja echt Spaß am Volleyball... wie könnte ich auch nicht? Aber darüber hinaus fällt es mir grad echt schwer", sagte ich und stützte den Kopf auf meiner Hand ab.

„Mach dir mal keine Gedanken, das wird schon", sagte Oikawa aufmunternd und hielt mir ein Glas zum anstoßen hin. „Ich bin noch die ganze Woche da. Wenn du also ein wenig Gesellschaft brauchst, dann melde dich, ja?", fragte er mich und grinste. Ich hob ebenfalls die Mundwinkel und griff nach meinem eigenen Getränk, um es gegen seins zu schlagen.

***

Als ich Spätabends nach einem langen und lustigen Gespräch mit dem großen König in unser kleines Appartement kam, sah ich, wie Pedro auf seinem Bett lümmelte und hastig etwas unter seiner Bettdecke verschwinden ließ. Ich nahm sein seltsames Verhalten erst einmal stillschweigend zur Kenntnis und sagte: "Hey! Ich habe Ramen für dich mitgebracht! Willst du auch welche probieren?"

Pedros Blick huschte von mir auf die Tüte in meiner Hand, zu seinen Händen, die unter der Bettdecke versteckt waren und wieder zu mir zurück als er nervös stotterte: "Ähm... nein danke." Enttäuscht verzog ich ein wenig das Gesicht. Auf die Idee einfach mal Ramen mit nach Hause zu bringen hatte mich Oikawa gebracht. "Mit einer Portion Ramen erobert man doch jedes kalte Herz", hatte er dramatisch gelacht, als ich ihm in den Ohren lag, wie sehr mich die Atmosphäre zwischen uns annervte.

Ich packte die Ramen ein wenig traurig auf den Tisch und wollte mich gerade umdrehen um meine Jacke auszuziehen, als ich sah, wie Pedro heimlich etwas unter seiner Decke hervorzog. Als er meinen Blick sah, wollte er es schnell wieder verstecken doch ich war schneller. "Ist das etwa 'One Piece'?", rief ich aufgeregt und lief, ohne Rücksicht auf sein verschrecktes Gesicht zu nehmen, zu seinem Bett.

"Ich... hey, was soll das? Lass das, Shoyo, du machst es noch kaputt", zeterte Pedro, als ich die Decke zurück schlug und ihm den Manga aus den Händen riss. Tatsächlich! Es war der neuste Teil meiner Lieblingsmangareihe.

„Wahnsinn! Ich wusste gar nicht, dass du Mangas liest! Und dann auch noch ‚One Piece'", rief ich begeistert. Pedro schaute mich erst kritisch an, doch als er offenbar merkte, dass ich mir keinen Scherz mit ihm erlaubte leuchteten seine Augen auf. „Sag bloß, du magst das auch?", fragte er ungläubig. „Ob ich Mangas mag? Ich komme aus Japan, Pedro, natürlich liebe ich Mangas", lachte ich und zwinkerte ihm zu.

„Ich dachte immer du würdest mich für einen Verrückten halten, nur weil ich das lese. Meine Freunde können das nämlich nicht so nachvollziehen", murmelte er etwas und zog den Kopf ein.

„Hast du dich deshalb so zurück gezogen? Weil ich denken könnte, du wärst verrückt?", fragte ich ihn geradeheraus. Er zögerte erst, doch dann nickte er. „Ich hatte schon einmal einen Mitbewohner, der mich ausgelacht hat, als er einen meiner Mangas gesehen hatte... tut mir leid, dass ich dich mit der Person in eine Schublade gesteckt habe", sagte er leise.

Seine Worte freuten mich so sehr, dass ich nichts gegen das breite Grinsen tun konnte, welches sich auf meinem Gesicht ausbreitete. Endlich lief es mal gut für mich.

He is my sunrise || Hinata x KageyamaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt