Kapitel 8

282 13 10
                                    

Ich saß an einem Tisch in dem Gasthaus und presste meine Hände gegen die heiße Tasse Tee, die Elizabeth mir gemacht hatte. Erstaunlicherweise gab es hier auch noch etwas anderes als Alkohol. Während ich versuchte meine Hände zu wärmen, dachte ich immer wieder über die Ereignisse nach. Mehrere Male spielte ich die Szene, in der ich Zeldris angegriffen hatte in meinem Kopf ab. In diesem Moment war ich so selbstbewusst gewesen. Obwohl man das eigentlich nicht wirklich Selbstbewusstsein nennen konnte. Eher Kontrollverlust. Aber ich war einfach wie selbstverständlich hinter ihn getreten, um ihm meine Zähne in den Hals zu rammen. Ich hatte schon angesetzt und seine weiche Haut an den Spitzen meiner Reißzähne gespürt. Erst in diesem Moment hatte Zeldris sich gewehrt. Gerade noch rechtzeitig. Eine Sekunde später und meine Zähne wären in seiner Haut versunken. Aber warum hatte er es so weit kommen lassen? Er hätte mich schon viel früher wegstoßen oder festhalten können. Er hätte einfach verschwinden können. Stattdessen hatte er mich sogar noch vor meinem Wutausbruch gewarnt. Davor, dass ich die Kontrolle verlieren würde. Warum hatte er das getan? Es konnte ihm doch egal sein, er hatte sich durch mich sicher nicht bedroht gefühlt. Dämonen waren schließlich immer noch stärker als Vampire. Also warum hätte es in seinem Interesse liegen können, mich aufzuhalten und zu beruhigen? Ich schüttelte meinen Kopf. Ich sollte mich besser auf etwas anderes konzentrieren. Zum Beispiel darauf, wie es jetzt weitergeht. Doch so sehr ich meine Gedanken auch von dem Anführer der zehn Gebote ablenken wollte, sie kehrten immer wieder zu ihm zurück. Von dem Moment an, als er plötzlich da war und mich festgehalten hatte bis zu dem Moment, an dem er auf einmal vor Meliodas' und meinen Augen verschwunden war. Die ganze Situation ließ mich nicht los. Nicht nur weil ich Zeldris' Verhalten hinterfragte. Auch ich hatte mich seltsam verhalten. Ich hatte dem Dämon gedroht. So etwas hätte ich mich früher nie getraut. Geschweige denn einen Dämonen anzugreifen. Und ich hatte kein bisschen Angst vor ihm. Auch nicht, als seine Arme mich umschlungen hielten und er nah an meinem Ohr sprach. Als ich seinen kalten Atem am meinem Hals spürte. Er war mir so nah! Fiel mir plötzlich auf und ich erinnerte mich an seine harten Muskeln, die ich an meinem Rücken gespürt hatte, an seine Hand, die auf meinen Lippen lag. Und konnte es sein, dass seine Lippen beim Sprechen mein Ohr gestreift hatten? Stopp, was denke ich da?! Ich versuchte mich von diesen Bildern zu lösen und biss mir auf die Unterlippe, um das heiße Brennen in meinen Wangen zu unterdrücken. Schnell trank ich einen Schluck Tee, um meine Reaktion zu überspielen. Mir ist warm, weil ich gerade Tee trinke! Und ich habe sicherlich noch etwas Fieber! Redete ich mir selbst zu, obwohl ich wusste, dass das Fieber schon längst zurückgegangen war. So lange wie ich im Bett gelegen und Elizabeth sich um mich gekümmert hatte, musste sich mein Körper erholt haben.
Doch Zeldris' Verhalten hatte mich verwirrt. Er hat sich die ganze Zeit zurückgehalten und als ich zusammengebrochen bin, hat er sich vor mich gekniet und sich freundlich mit mir unterhalten. Es hat sich angefühlt, als wären wir Freunde. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Aber nein. Er ist nicht mein Freund. Er ist mein Feind. Das habe ich ihm selbst gesagt und dazu sollte ich auch stehen. Nicht nur weil ich es geschworen habe, sondern auch für Ilia. Schließlich ist sein Tod Zeldris' Schuld. Und diese ganze Sympathie hat Zeldris nur vorgespielt. Ich sollte eigentlich schlau genug sein, um nicht darauf hereinzufallen!
Ich vergrub meine Finger in meinen Y/H Haaren und stützte meinen Kopf auf meinen Händen ab. Ich war alleine in dem Raum. Meliodas und Merlin besprachen sich noch. Ich vermutete es ging darüber, wie sie mir möglichst schonend erklären sollten, warum ich ein Vampir bin. Mir war eigentlich egal, wie hart die Fakten waren, die sie mir beizubringen hatten. Ich hatte das Gefühl, nichts mehr könne mich jetzt noch so sehr schocken oder verletzen, dass ich es nicht verkraftete. Schließlich hatte ich schon so viel verloren und wusste inzwischen ja nicht einmal mehr, wer ich war. Was sollte mich da noch aus der Fassung bringen? Aber es löste ein warmes Gefühl in mir aus, dass sie sich so sehr um mich kümmerten und sich Sorgen um mich machten. Allein, dass King und Slader gerade auf der Terrasse Wache hielten, damit kein Dämon auf die Idee kommen würde, mich zu besuchen, zeigte mir, wie gut ich es bei den Sins hatte und was für ein Glück ich hatte, sie kennenzulernen. Ich war ihnen allen sehr dankbar für ihre Hilfe, die sie mir anboten, obwohl sie mich noch nicht einmal sehr lange kannten. Müde legte ich meinen Kopf auf den Tisch. Hätte ich eigentlich das alles verhindern können? Hätte ich den Überfall auf mein Dorf wirklich verhindern können? Wie viel hätte es gebracht, wenn ich rechtzeitig gekommen wäre? Wären die Dorfbewohner wirklich schnell genug entkommen? Ich kniff angestrengt die Augen zu. Und Ilia... Hätte ich ihn retten können? Und was hätte er dann getan? Wäre er mit mir zu den Sins gekommen? Ich presste meine Lippen aufeinander, da ich spürte, wie der noch frische Schmerz wieder in mir aufstieg. Es war nicht so einfach jemanden loszulassen, mit dem man gefühlt sein ganzes Leben verbracht hatte. Aber ich wusste, dass es auch nichts brachte, mir immer wieder diese unnötigen Fragen zu stellen. Es war alles vergangen und ich konnte nichts mehr daran ändern. Ich sollte besser nach vorne sehen, denn das taten die Sins schließlich auch und ich konnte nicht ewig trauern. Ich hatte jetzt ja auch ein Ziel. Und dafür musste ich stark werden. Physisch, sowie auch mental. Ich konnte nicht einfach wieder in dem Schmerz versinken, wenn ich Melascula oder Zeldris oder einem der anderen Dämonen in einem Kampf um Leben und Tod gegenüberstand. Ich musste über meinen Verlust hinwegkommen. Sonst würde er mich nur behindern.
Als die Tür knarzend aufging, hob ich schnell meinen Kopf. Merlin trat ein. Hinter ihr stand Meliodas, der auch gerade eintreten wollte, doch die Zauberin hielt ihn zurück. „Ich erkläre ihr das alleine!", sie sagte es nicht laut, doch ihre Worte waren hart und erwarteten keine Widerrede. Der blonde Junge zögerte einen Moment. Sein Blick war ernst, doch in der nächsten Sekunde erschien ein Lächeln auf seinen Lippen und der Ausdruck in seinen Augen erhellte sich. „Alles klar, aber sieh zu, dass du sie nicht zu sehr verstörst", obwohl es wie ein fröhlicher Scherz klang, konnte ich Meliodas' Sorge hören. Der Anführer zwinkerte zum Abschied und schloss die Tür. Merlin drehte sich zu mir um und sah mich mit einem sanften Blick an. Ich wusste, dass ihre Erscheinung nur eine Illusion war, doch ihr Ausdruck wirkte sehr realistisch. Langsam schwebte ihr Heiliger Schatz auf mich zu, so dass die große Frau vor mir stand. „Bleib sitzen", befahl sie mir, als ich aufstehen wollte. Ich ließ mich wieder zurück auf den Stuhl sinken. „Hör mir gut zu. Das wird etwas kompliziert. Aber ich denke ich weiß jetzt was du bist."

Zeldris - Du bist mein Mensch! (Reader ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt