Kapitel 16

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Nachdem Zeldris verschwunden war, hatte ich einige Minuten gebraucht, um mich aus meiner Starre zu lösen. King war auf der großen Wiese unterwegs gewesen, um mich zu suchen. Er hatte mir Bescheid geben wollen, dass es bereits Abendessen gab. Zeldris hatte er anscheinend nicht bemerkt. Falls doch, ließ er es sich nicht anmerken. Inzwischen saßen wir wieder zusammen am Tisch und warteten wie immer darauf, dass Meliodas uns das Essen servierte. Inzwischen hatte Merlin sich sogar an verschiedenen Gerichten ausprobiert und es gab nicht immer nur Suppe. „Wie lief das Training alleine so?", fragte mich King und lenkte mich somit etwas von meinen Gedanken an Zeldris ab. Wofür ich ihm sehr dankbar war, auch wenn er das nicht wissen konnte. „War ganz okay", seufzte ich. „Ich glaube nur nicht, dass es viel bringt, wenn ich ohne Partner trainiere." Damit waren meine Gedanken auch schon wieder bei dem Anführer der zehn Gebote, der mir angeboten hatte, mein heimlicher Trainingspartner zu sein. King nickte: „Kann ich verstehen. Ich würde dir ja gerne helfen, aber ich bin, was körperliches Kämpfen ohne magische Kräfte angeht, nicht wirklich gut." „Schon gut", antwortete ich. „Trotzdem danke." Endlich kam Meliodas mit unseren Tellern, die er uns grinsend entgegenhielt. Als ich meine Arme ausstreckte, um mein Essen entgegen zu nehmen, verzog ich schmerzhaft das Gesicht. „Immerhin sollte ich ein paar Armmuskeln von meinem Einzeltraining bekommen", scherzte ich und stellte meinen Teller vor mir ab. „Tut mir leid, dass ich dich heute schon wieder hängen lassen musste", richtete sich Meliodas an mich. „Ich hatte wieder einiges zu tun." Ich nickte nur stumm in seine Richtung. Ich wusste genau was er die ganzen letzten Tage zu tun hatte. Warum er jetzt schon einige Male mein Training hatte ausfallen lassen. Er suchte mit Merlin immer noch verzweifelt nach einem anderen Weg, die Dämonen zu besiegen. Ein anderer Weg, als mich ihnen auszuliefern. Meliodas gab einfach nicht auf, auch wenn ich schon ein paar mal versucht hatte, ihm das auszureden. Es gab keine andere Lösung. Und ich musste damit klarkommen. Solange ich auf diese Weise den Menschen und den Sins helfen konnte. Ich würde zu einem Vampir werden. Da passte ich doch gut in die Unterwelt. Und wenn der Vampir von mir Besitz ergriff, würde ich vielleicht sowieso nichts mehr mitbekommen. Zumindest wäre es kein richtiges Leben mehr. Es belastete mich, doch ich gab alles, um mich abzulenken. Und dafür hätte ich Meliodas die letzten Tage wirklich beim Training gebraucht. Alleine war es nutzlos und lenkte mich auch nicht wirklich ab. Doch der Anführer war einfach zu sehr damit beschäftigt, mich retten zu wollen.
Schließlich kamen auch noch Elizabeth, Slader, Gil, Howzer, Griamore und Hendrickson dazu und wir begannen endlich zu essen. Bei den ganzen Gedanken bekam ich jedoch kaum etwas herunter und wurde von Gil und Elizabeth mehrmals gefragt, ob es mir gut ginge. Ihre Sorge um mich löste ein warmes Gefühl in mir aus. Doch es machte den Fakt, dass ich ihnen nicht erzählen konnte, was los war, nur noch schlimmer. Also wehrte ich alle ihre Versuche, herauszufinden, warum es mir schlecht ging ab und setzte mir ein eingeübtes Lächeln auf, das ich erst wieder ablegte, als ich in mein Zimmer trat. Erschöpft von dem Training, der plötzlichen Begegnung mit Zeldris und dem Abendessen ließ ich mich auf's Bett fallen und seufzte erleichtert. Endlich etwas Zeit zum Ausruhen.
Im nächsten Moment fiel mir jedoch ein, dass Zeldris sich mit mir verabredet hatte und verschwunden war, bevor ich etwas dazu hatte sagen können. Doch keine Ruhe. Frustriert schlug ich auf die Matratze ein. Hoffentlich hat er vergessen, dass er sich mit mir treffen wollte. Zugegebenermaßen hatte ich über die letzten Tage völlig vergessen, dass ich mit Zeldris weitere geheime Treffen vereinbart hatte. Neben den ganzen Ereignissen, Merlins Plan, meiner Entscheidung, mich zu opfern, den Anspannungen mit Meliodas und dem immer näher rückenden Turnier, war das Geheimtraining eher in den Hintergrund gerückt. Und als Zeldris dann heute plötzlich aufgetaucht war, hatte ich ihm sagen wollen, dass ich mich nicht mehr treffen wollte. Nur dass King uns dann unterbrochen hatte. Es war nicht so, dass ich mich wirklich nicht mehr mit dem Dämon treffen wollte. Ich konnte einfach nicht. Ich sollte nicht. Wir waren befeindet. Ich war auf der Seite der Sins. Ich hatte ihm geschworen, ihn zu töten. Und er schien so, als würde er das ignorieren. Was mich beunruhigen sollte, da er irgendetwas planen musste. Vielleicht wusste er ja schon wer ich wirklich war. Vielleicht wusste er schon, in wen ich mich verwandeln würde und wollte mir eine Falle stellen, um mich bei ihm zu halten. Ich drehte mich um, so dass ich mit dem Rücken auf dem Bett lag und schüttelte den Kopf. Nein, er kann es noch nicht wissen! Das hat Merlin zumindest gesagt. Und Merlins Wissen zweifelte ich nicht an. Auch wenn ich mit ihr und Gowther von den Sins bisher am wenigsten warm werden konnte. Merlin lag noch nie falsch. Schnell brachte ich meine Gedanken wieder zurück zu dem, was ich Zeldris hatte sagen wollen und konzentrierte mich. Jetzt, wo ich mich dazu entschlossen hatte, mich ihm ausliefern zu lassen, sollte ich mich umso mehr fern von ihm halten. Seine Nähe beschleunigte meine Verwandlung, das hatte Merlin auch gesagt. Und ich durfte mich nicht zu schnell verwandeln. Zum Einen wollte ich möglichst viel Zeit haben, in der ich noch ich selbst sein konnte. Zum Anderen könnte Zeldris durch einen schnelleren Verwandlungsprozess auch früher als geplant herausfinden, wer ich war. Und ich durfte unseren Plan nicht gefährden. Es war unsere einzige Chance. Ich durfte das nicht vermasseln. So sehr sich Meliodas vielleicht auch wünschte, ich hätte nicht zugestimmt. So sehr ich mir auch wünschte, ich könnte einfach mir selbst gehören. Könnte einfach wieder in mein Dorf zurück und mein altes Leben zurückhaben. Aber es war nicht mehr wie früher. Und es würde nie wieder so sein.

Zeldris - Du bist mein Mensch! (Reader ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt