Kapitel 1

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Ich war früh aufgestanden und schlenderte nun durch die Straßen meines Dorfes. „Y/N!", rief mich die Stimme meines besten Freundes und ich drehte mich überrascht zu ihm herum. „Was machst du denn schon hier? Ich dachte du musst heute früh arbeiten?" Er blieb vor mir stehen und sah mich gespielt beleidigt an: „Willst du damit sagen, dass du mich nicht um dich haben willst?" Ich verdrehte meine Augen, musste aber lächeln: „Du bist viel zu dramatisch!" „Das alltägliche Leben ist eben zu langweilig. Da muss man etwas Drama hinzufügen!", erklärte er. „Ach wirklich? Du findest das Leben mit mir also langweilig? Das hätte ich nicht von dir erwartet, Ilia!", nun war ich an der Reihe, gespielt empört die Arme an die Hüfte zu stemmen. Ilia lachte jetzt und hielt sich den Bauch: „Ich wollte dich keineswegs beleidigen!" Er hob beschwichtigend die Hände.

„Also dann sag mir lieber, warum du nicht bei deiner Arbeit bist!" Ilia zögerte einen Moment und ich wusste, dass etwas nicht stimmen konnte. „Ist alles okay?", fragte ich vorsichtig. „Ja, es ist nur so, dass mein Vater seit heute morgen krank ist", erzählte mein bester Freund. Das erklärt warum Ilia nicht arbeitet. Ilias Vater war auch gleichzeitig sein Arbeitgeber. Er war Schmied und lehrte Ilia seine Arbeit, damit sein Sohn die Schmiede eines Tages übernehmen konnte. Aber Ilia war noch lange nicht so weit. Deshalb musste er diesen Morgen wohl frei bekommen haben.

„Ist es denn sehr schlimm?", fragte ich besorgt. Selbst wenn man krank war, arbeitete man weiter, da man es sich als Familie mit armen Verhältnissen nicht leisten konnte, sich frei zu nehmen. Und die meisten Familien in diesem Dorf waren arm. Ilias Familie gehörte zu ihnen. Ich hatte keine Familie mehr. Ich wusste nicht einmal, ob ich jemals Eltern gehabt hatte. Ich wurde von den Leuten im Dorf einfach so gefunden. Erinnerungen an meine Kindheit hatte ich auch keine mehr. Vor zwei Jahren nahm mich dieses Dorf auf und das ist auch genau die Zeitspanne, an die ich mich erinnern konnte. Alles andere war einfach weg. Das einzige, was ich wusste war, dass ich aus dem Wald in der Nähe kam und seitdem auf dem Dachboden eines Ehepaars schlief, das schon immer Kinder haben wollte und mich mit Kleidung und Nahrung versorgte.

„Er hat hohes Fieber", riss mich mein Freund aus den Gedanken. Und dabei ist es noch nicht einmal Winter! „Glaubst du etwas Wasser würde ihm gut tun?", da ich nichts zutun hatte, wollte ich mich irgendwie nützlich machen und helfen. Ilia nickte: „Ja, das wäre sicher hilfreich." „Gut", grinste ich, um die Stimmung etwas aufzulockern. „Wettrennen zum Fluss im Wald?" „Na klar! Ich hole uns nur schnell Krüge!", rief Ilia dann auch schon im Wegrennen.

Wenig später kam mein Freund dann mit zwei Behältern und streckte mir einen davon entgegen. Als ich ihn entgegennehmen wollte, berührten sich unsere Finger einen kurzen Moment und ein angenehmes Kribbeln breitete sich auf meiner Haut aus. Schnell senkte ich meinen Blick, um nicht rot zu werden. In letzter Zeit gab es oft solche Momente, in denen ich Gefühle für Ilia aufkommen spürte. Aber ich hatte Angst davor, unsere Freundschaft zu ruinieren, wenn ich ihm meine Gefühle gestand. Ich war mir sicher, er wollte nur mein bester Freund sein. Nicht mehr und nicht weniger.

„Lass uns gehen!", lenkte ich deswegen ab und wollte schon los, als mir ein junger Mann entgegengerannt kam. Er sah sich panisch um und blieb mit wenig Abstand vor mir stehen. „Sie haben uns überfallen! Die Dämonen! Sie haben allen ihre Seelen genommen!", ich verstand zwar keines der Worte, die er wirr um sich schrie, aber sie jagten mir einen kalten Schauer über den Rücken. Durch den Lärm kamen nun auch einige der Dorfbewohner auf der Straße näher und andere sahen aus den Häusern. Der Dorfälteste näherte sich ruhig, aber vorsichtig dem Fremden Mann. „Was ist los?", wollte eine Frau wissen, die sich mit ein paar anderen um den Mann versammelt hatte. „Mein Dorf wurde überfallen! Die Dämonen haben ihre Seelen gefressen!", wiederholte der panische Mann.

Ich erinnerte mich, davon gehört zu haben, dass einige übernatürliche Kreaturen Dörfer überfielen, um die Seelen von Menschen zu fressen. Der Dorfälteste meinte, die Dämonen wollen dadurch stärker werden und dass die Seelen der Menschen durch ihren Mund entwichen. Bei der Vorstellung daran wurde mir schlecht und ich schüttelte den Kopf, um das Bild in meinen Gedanken loszuwerden.

„Hat niemand sonst überlebt?", fragte der Dorfälteste jetzt. „Nein, nur ich", der Mann kam langsam zur Ruhe. Doch dann senkte er traurig den Blick. „Ich habe meine Freunde und meine Familie verloren und ich werde sie nach meinem Tod nicht wiedersehen." Seine Worte lösten gleichzeitig Mitleid für den Mann, aber auch Wut auf die Dämonen aus. Wie können sie uns Menschen nur so etwas antun. Nur weil sie durch ihre Kräfte stärker sind, heißt das nicht, sie dürfen uns so einfach unterdrücken!

„Ihre Augen waren so leer", der Mann schien traumarisiert zu sein. Das reichte, um Hass in mir aufkommen zu lassen. Es muss doch einen Weg geben, zurückzuschlagen! Ilia spürte meine Unruhe und zog mich am Arm. „Komm, lass uns gehen!", flüsterte er mir zu und ich ließ mich weiter von ihm wegziehen.

„Glaubst du, das ist in einem der Nachbardörfer passiert?", fragte ich sofort, nachdem wir außer Hörweite der Dorfbewohner waren. Ilia blieb stehen und drehte sich zu mir um. Er zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung. Der Mann scheint etwas länger gelaufen zu sein." „Wie kannst du so ruhig bleiben?", es klang mehr wie ein Vorwurf, als ich es geplant hatte. „Entschuldige, aber ich mache mir gerade mehr Sorgen um meinen Vater", gab Ilia zu. Ich seufzte: „Wahrscheinlich hast du recht." „Immer noch Lust auf das Wettrennen?", Ilia zwinkerte mir zu. Die verräterische Röte kroch sich langsam in mein Gesicht und ich rannte ohne eine Antwort los, damit er sie nicht sah.

„Das ist unfair!", meinte Ilia weit hinter mir und ich beschleunigte meine Schritte nur noch mehr. Ich rannte den mir bekannten Pfad entlang, der zu meinem Lieblingsplatz am Fluss führte. Schon bald ließ ich Ilia hinter mir. Sein Keuchen war nicht mehr zu hören und der Wald flog förmlich an mir vorbei. Ich genoss die frische kühle Luft und kam noch lange nicht außer Atem. Ausdauer war eine meiner großen Stärken, genauso wie Schnelligkeit. Doch dann nahm ich plötzlich eine starke Präsenz war. Es war, als wäre irgendwo in meiner Nähe eine große Macht. Ich blieb abrupt stehen. Meinen Lieblingsplatz hatte ich schon fast erreicht und ich konnte etwas entfernt auch schon das Rauschen des Flusses hören. Vor mir tat sich die große Lichtung auf, die ich oft besuchte. Doch irgendetwas war anders als sonst. Und das war der Moment, in dem ich ihn entdeckte.

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So, das war das erste Kapitel. Danke fürs Lesen!! Ich hoffe es hat euch gefallen. Schreibt mir gerne Feedback in die Kommentare. Vor allem, ob die Erzählung zu schnell ist. Das passiert mir nämlich manchmal. Bis morgen!❤️💛

Zeldris - Du bist mein Mensch! (Reader ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt