17.12.22

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Die Hexe der Wilden Kerle

Es war mal wieder ein verregneter Tag, so wie es im letzten Monat jeden Tag war. Nach der Schule durften wir wieder zum Bolzplatz radeln. Eher gesagt, die anderen fahren mit ihren Rädern, während ich mit meinem Skateboard hinterher Lurche. Meinem Anführer gefällt dies überhaupt nicht. Denn er konnte mich schon von Anfang an noch nie leiden und dies lässt er mich auch fast jede einzelne Minute, durch seine Blicke, seine Sprüche und anhand seiner Körpersprache spüren. Ich bin eigentlich nur in der Mannschaft, wegen meines besten Freundes und dem besten Freundes meines Anführers. Es ist ihm eigentlich egal, dass ich Spitzenklasse in meiner Position bin. Ihm ist alles egal, was mit mir zu tun hat. Ihm ist es egal, was ich bin und dass ich durch einen Unfall Angst vor Fahrräder habe. Doch es weiß keiner von meiner Angst. Nicht meine Familie, nicht mein bester Freund und schon meinen Anführer erst Recht nicht. Im Moment bin ich mit meinem Anführer auf dem Weg zu unserem Fußballplatz. Um genauer zu sein, zum Teufelstopf, dem Hexenkessel der Hexenkessel. Es ist schön dort mit den Jungs Fußball zu spielen, auch wenn es regnet. Ich folge also, auf meinem Skateboard, meinem Anführer durch den Regen zum Teufelstopf. Die anderen aus der Mannschaft sind schon Mal vor gefahren, so muss ich jetzt mit meinem Anführer dorthin fahren. Doch plötzlich kommt uns ein Auto entgegen. Mein Anführer kann gerade noch so ausweichen, während es für mich beinahe zu spät wäre. Doch ich kann mich retten, indem ich von meinem Skateboard springe und die Motorhaube vom Auto etwas hoch laufe. Auf dem Dach des Autos springe ich mit einem Salto wieder runter und lande auf meinem Hintern. Dort bleibe ich geschockt sitzen und starre auf mein Skateboard, welches jetzt in zwei Teilen vor mir liegt. Es war das letzte Geschenk von meinem Bruder, bevor er bei einem Unfall ums Leben gekommen ist. „Boar! Was ist los?!", höre ich meinen Anführer hinter mir kalt fragen, der gerade angefahren kommt. Ich schaue ihn mit Tränen in den Augen an und halte ihm meinen Board entgegen. Er schaut es sich verachtend an und verdreht seine Augen. „Da bist du jetzt selber schuld, wenn du dich mit deinem verflixten Board umnieten lässt! Würdest du mit dem Fahrrad fahren, wäre es gar nicht passiert und wir wären schon längst bei den anderen!", meckert er mich an. „Aber, Leon! Ich kann kein Fahrrad fahren!", jammere ich nur und schaue traurig auf mein Board. „Pha! Jeder kann Fahrrad fahren!", erwidert er nur. „Nein, du verstehst nicht! Ich habe Angst vor Fahrräder!", sage ich zitternd und schaue ihn mit großen Augen an. „Wie meinst du das?", will er erfahren und mustert er mich. „Vor ein paar Jahren hatten mein älterer Bruder und ich einen Fahrradunfall. Mein Bruder ist dabei gestorben und ich bin noch einmal mit meinem Leben davon gekommen", erzähle ich Leon leise zitternd und senke meinen Kopf. „Seitdem habe ich Angst vor dem Fahrrad fahren!", füge ich hinzu. „Ha! Ich wusste es!", ruft mein Anführer aus, als er mich weinen sieht. „Du bist so ein Mädchen! Du hast Angst und ein Wilder Kerl hat NIEMALS Angst! Zudem weint ein Wilder Kerl nicht! Das macht nur ein Mädchen, was einfach nur auf wild tut und es aber nicht ist!", meint Leon und lacht mich hämisch aus. „Außerdem können Mädchen kein Fußball spielen, was du mir auch jeden Tag beweist!", macht er weiter und schaut mich verachtend an. „Deswegen wollte ich nie ein Mädchen in der Mannschaft haben. Ihr könnt nichts!", brüllt er mich an und mir laufen immer mehr Tränen über mein Gesicht. „Deshalb bist du ab heute kein Wilder Kerl mehr! Denn Mädchen gehören in ihren Puppenküchen und nicht auf dem Fußballplatz!", ruft Leon und wendet sich von mir ab und schnappt sich sein Fahrrad. „Ach ja! Halt dich von uns fern! Ich will dich nie wieder in der Nähe von einem von uns sehen", meint er und schwingt sich auf sein Rad. „Und wehe, du sagst irgendwem den wahren Grund, warum du geflogen bist. Dann mache ich dir das Leben zur Hölle! Das schwöre ich dir und dafür lege ich dir meine beiden Beine auf den Grill", ruft er noch, bevor er los fährt. „Denn Jungs sage ich, dass du gemerkt hast, dass du doch mehr ein Mädchen bist und keine Lust mehr auf Fußball hast!", ruft Leon beim Wegfahren, mir noch zu. So lässt er mich im Regen auf der Straße, mit einem kaputten Skateboard sitzen. Ich schaue traurig auf die Straße, bevor ich meine Augenbrauen zusammen kneife und in den Himmel schaue. Mein Herz ist dank Leon, meinem ehemaligen Anführer, gebrochen. Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Mein Traum ist hinüber!

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