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Anmerkung: Laura hat in diesem Kapitel eine Panikattacke.

Der restliche Schultag vergeht tatsächlich mal schneller als erwartet, was mich natürlich freut. Da ich keine Lust habe schon nachhause zu gehen, setze ich mich auf die Bank etwas weiter vom Eingang entfernt. Eine Weile sitze ich einfach nur da und beobachte eine alte Frau, die in den Mülleimern nach Pfandflaschen sucht. Ja das ist schon traurig irgendwie, dass alte Leute mit ihrer geringen Rente nicht um die Runden kommen. So geht es vielen bei uns im Wohnblock.

Ich lasse zweimal das Feuerzeug klicken und ziehe gleich ein paar Mal an meiner Zigarette. Und jetzt ratet mal, wer gerade um die Ecke kommt. Genau, Miss Gerstl.

„Ach Laura, was machst du denn noch hier? Ich dachte ihr habt heute schon um 13 Uhr Schluss?"
„Haben wir doch auch. Sitze nur hier. Verboten?", will ich grinsend wissen.
„Nein. Die Zigarette in deiner Hand jedoch schon.", erwidert sie kühl.
„Spaßverderberin.", quittiere ich ihre Aussage.
„Kann ich mich setzen?", fragt sie mich schließlich.
„Sicher."

Als sie sich setzt, berühren sich kurz unsere Hände, was ungefähr eine Millionen Gefühle in mir auslöst. Es war doch nur eine kurze Berührung... Verwirrt über die Reaktion meines Körpers kratze ich mich nachdenklich am Kopf. Miss Gerstl holt einmal tief Luft und fragt schließlich wies mir geht.
„Ähm, ganz gut denk ich." Und das ist nichtmal gelogen. Gerade geht es mir wirklich ganz gut. Liegt das etwa an ihr? Hoffentlich nicht.
„Das freut mich. Ich muss gestehen, dass ich mir etwas Sorgen gemacht habe."
Sorgen? Céline Gerstl macht sich Sorgen um mich? Wie kommt sie denn darauf? Ich habe doch nichts gemacht.

„Was meinen sie?", frage ich nachdenklich.
„Ich denke ich bin zu weit gegangen, als ich dich in meine Wohnung mitgenommen habe. Vielleicht- vielleicht sollten wir in Zukunft wieder ein professionelles Lehrer-Schüler Verhältnis anstreben. Es tut mir leid, dass ich diese Grenze überschritten haben.", ihre Stimme zittert leicht merklich.
„Hä? Kapier ich nicht. Professionelles Lehrer-Schüler Verhältnis. Was soll das sein?"
„Jedenfalls nicht das, was wir haben.", sagt sie und fuchtelt mit einer ausladenden Geste vor meinem Gesicht rum.
„Was haben wir denn?", hake ich grinsend nach.
„Schön dass du das witzig findest, mir ist aber nicht zum Lachen zumute.", erwidert sie jetzt genervt.
„Jetzt liegt es an mir? Wer hat sich denn in mein Privatleben geschlichen? Die ständige Fragerei, die Sache im Club, Krankenhaus... wäre alles nicht passiert, wenn sie sich aus meinen Angelegenheiten rausgehalten hätten."

Sie schluckt und sieht zu Boden. Scheint sie wohl getroffen zu haben. Eine Weile sagt sie nichts, strafft dann aber die Schultern und holt tief Luft.
„Mag sein, dass ich in einigen Situationen zu weit gegangen bin. Da hast du recht. Im Club hätte ich nicht mit dir reden dürfen."
„Sag ich doch die ganze Zeit." Ich sehe mich schon als Siegerin dieser Konversation, aber da lag ich wohl falsch. Sie redet weiter.
„Was jedoch dich betrifft: Du benimmst dich unmöglich. Im einem Moment bist du unfreundlich und herablassend und im anderen siehst du mich an, als wär ich der Weihnachtsmann höchstpersönlich."
„Hä?"

Ich versteh sie nicht. Wieso Weihnachtsmann?
„Ich meine, dass du deine Augen und Hände bei dir behalten sollst. Such dir jemanden in deinem Alter. Bitte."
Sie klingt irgendwie ziemlich verzweifelt, so wie sie das letzte Wort betont. Aber was denkt sie eigentlich? Ich stehe nicht auf sie. Zumindest dachte ich das.

Aber jetzt, da sie das so sagt, trifft es mich wie ein Schlag in die Magengrube. Scheisse. Ich weiß, dass sie recht hat. Sie ist definitiv mehr für mich als andere Lehrer. Fuck. Diese Erkenntnis jagt mir gerade ehrlich gesagt ordentlich Angst ein. Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommen könnte. Hätte nie gedacht, dass ich überhaupt jemals so viele Gedanken an eine Lehrerin verschwenden könnte. Ich kann damit gerade überhaupt nicht umgehen. In meinem Hals entsteht ein großer Kloß und ich habe das Gefühl, mein Brustkorb würde immer enger werden. Es ist als würde ihn jemand mit einem Band zuschnüren. Ich will das nicht. Dieses Gefühl soll weggehen. Aber das tut es nicht. Was soll ich tun? Ich schaue sie an. Sie schaut mich an.

TW
In ihrem Blick liegt Verzweiflung, genauso wie in meinem. Und plötzlich gehen alle Lichter aus in meinem Kopf. Mein Gehirn schaltet auf Standby und im selben Augenblick übermannt mich eine unglaubliche Flut an Emotionen. Angst. Verzweiflung. Panik. Wut. Liebe. Liebe? Nein, keine Liebe. Wut. Ja Wut trifft es am besten. Ich balle die Fäuste und muss mich stark zusammenreißen nicht aufzuspringen und gegen die Mülleimer zu treten. Ich beiße so fest die Zähne zusammen, dass mein Kiefer anfängt zu knacken. Ich will mich nicht so fühlen! Ich atme so schnell, dass mir ganz schwindlig wird. Ich will weg hier. Sofort. Aber ich kann nicht. Mein Körper rührt sich keinen Millimeter. Ich kann einfach nur hier sitzen und mich nicht bewegen. Kalter Schweiß tritt auf meine Stirn und ich fange an zu zittern. Was verdammt nochmal passiert hier gerade?

Miss Gerstl packt mich an beiden Handgelenken und ruft panisch meinen Namen.
„Laura?! Laura, was ist los?!"
Ich kann nicht antworten. Kein Laut kommt aus meinen Mund. Nichtmal ein Wimmern. Ich sitze einfach nur da, klammere mich an der Bank fest und zittere so heftig, dass die ganze Sitzfläche bebt.
„Laura? Laura sieh mich an. Sieh mich an. Schau mir in die Augen. Hör mir zu. Hör mir genau zu."
Ich nehme wahr was sie sagt, kann es aber nicht aufnehmen.
„Laura!"
Sie nimmt nimmt mein Kinn in die Hand und dreht es so, dass ich sie anschauen muss.
„Dir passiert nichts Laura. Es wird gut. Es ist alles in Ordnung. Schau mich an."

Mein Gesicht ist nun parallel zu ihrem und ich schaue in ihre schönen Augen.
„Ja so ist es gut. Es kann dir nichts passieren, okay? Konzentrier dich auf deine Atmung. Langsam atmen."
Ich versuche ihren Anweisungen zu folgen und langsamer zu atmen. Sie nimmt meine Hand und drückt sie fest, damit ich spüre, dass ich nicht alleine bin. Es scheint zu funktionieren. Ich atme einige Minuten tief und ruhig ein, während sie meine Hand festdrückt. Nach einiger Zeit löse ich mich aus ihrem Griff und blicke betreten zu Boden.

„Hörst du mich wieder?", fragt sie langsam.
Ich nicke zur Bestätigung.
„Weißt du was gerade mit dir passiert ist?" Ich schüttle den Kopf.
„Hm also ich kenne das von einer Freundin. Sie hatte eine Zeit lang mit Panikattacken zu kämpfen. Geht es dir öfter so?", hakt sie mitfühlend nach.
„Weiß nicht." Ich zucke mit den Schultern. Mein Kopf ist einfach nur leer. Schrecklich leer. Keine Ahnung was eine Panikattacke sein soll.

Ich bin plötzlich soo müde. Meine Augen fühlen sich so schwer an wie Blei und ich habe Mühe sie offen zu halten. Am liebsten würde ich mich jetzt einfach auf diese Bank legen und schlafen.
Ich fühle mich so sicher bei ihr und trotzdem tut es weh. Was sie gesagt hat, traf mich wie der Blitz und ohne Vorwarnung. Wie konnte ich nur so dumm sein? Genau deshalb lasse ich niemanden an mich ran. Wie konnte ich so dumm sein und mich in sie verlieben? In meine Lehrerin.

Me, because of you. (girlxteacher)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt