Dr. Lane gibt mir ein paar Visitenkarten von"speziell ausgebildeten" Psychotherapeuten und wünscht mir noch alles Gute für die Zukunft. Alles Gute? Als ob es jemals wieder gut werden würde. So ne dämliche Therapie bringt ihn schließlich auch nicht wieder ins Leben.
Miss Gerstl bringt mich zurück zu ihrem Auto, traut sich aber kein Wort zu sagen. Erst als wir losfahren murmelt sie ganz leise: „Es tut mir leid, dass ich dich darauf angesprochen habe. Mir war- nicht klar, wie schlimm es ist. Bitte verzeih mir."Ich weiß nicht, was ich darauf sagen soll. So richtig ehrlich hat sich noch nie jemand bei mir entschuldigt. Ich nicke ganz langsam, um diesen peinlichen Moment zu vertreiben. Mein Kopf brummt und meine Gedanken kreisen über das, was ich gesehen habe. Aber ich muss auch an sie denken. Miss Gerstl.
Sie hat mich aufgefangen. Sie hat mich festgehalten. Sie hat meine Hand genommen. Sie war für mich da. Sie hat aber auch diese Situation provoziert. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Von ihr halten soll. Ich bin total ausgelaugt und kaputt und schlafe tatsächlich während der Fahrt ein.„Laura?" Jemand legt die Hand auf meinen Oberschenkel. Ich öffne die Augen und schaue direkt in ihre schönen Augen. Sie ist so nah, dass ich erschrecke.
„Oh entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Aber wir sind zurück in der Schule.", erklärt mir Miss Gerstl.
„Schule? Muss ich die blöde Arbeit jetzt ernsthaft noch schreiben?", beklage ich mich genervt.
„Nein, natürlich nicht. Ich gebe Mr. Klein Bescheid, dass du krank wurdest."
„Okay. Danke. -Für alles.", gebe ich leise zurück. Eigentlich bedanke ich mich nie für etwas, schon gar nicht bei meinen Lehrern.Dummerweise muss ich zugeben, dass es wirklich nicht selbstverständlich ist, dass sie mich im Krankenhaus begleitet hat.
Sie lächelt mich an und nickt. „Nicht der Rede wert. Ich sagte ja bereits, dass mir das Wohl meiner Schüler am Herzen liegt. Deshalb mag ich es auch nicht wenn du rauchst.", schaut sie mich jetzt streng an.
„Tu ich doch grad garnicht."
„Du weißt, was ich meine."
„Nein, eigentlich nicht. Kann ihnen doch egal sein, was ich mache. Andere Schüler rauchen auch und werden nicht ständig dafür verurteilt.", meckere ich.
„Du bist aber nicht die anderen.", murmelt sie, ich schaue sie fragend an und sie ergänzt nur schnell „Musst du nicht verstehen."Was war das denn? Ich hasse es, wenn sie mich in Ungewissheit zurücklässt. Normalerweise ist mir das egal, mich kümmert nicht, was andere sagen und denken, aber sie macht so ein Geheimnis daraus, dass es gar nicht anders geht. Sie stapft ins Schulgebäude zurück, ich folge ihr.
„Du bist für heute entlassen Laura, du kannst nachhause gehen.", sagt sie, als sie sieht dass ich ihr hinterhergelaufen bin.
„Okay. Ich dachte nur- äh- Kann ich noch was helfen?", spricht mein Mund wie von selbst.
Wie bitte? Hab ich das gerade ernsthaft gesagt? Ich will nicht helfen. Ich will endlich weg hier.
„Hm, na wenn du schon so fragst... ich könnte schon deine Hilfe gebrauchen. Weißt du noch das Hamstergehege? Das muss in mein Auto."
Wütend auf mich selbst, weil mir das rausgerutscht ist, muss ich jetzt wohl oder übel genau das tun, was ich hasse. Zeit mit fremden Menschen verbringen. Naja okay, ganz fremd ist sie nicht.Ich helfe ihr also das Terrarium vom Biologie Saal in ihr Auto zu laden, was definitiv schwerer war, als gedacht. Schwitzend wische ich mir die Hände an meiner Hose ab und beobachte Miss Gerstl, wie sie den Kofferraum Deckel schließt.
„Danke Laura, wirklich nett von dir. Wusste gar nicht, dass du auch eine andere Seite hast.", zieht sie mich lachend auf.
Ich zucke nur mit den Schultern und grinse sie schüchtern an. Oh Mann, wie peinlich. Zuerst das „Händchenhalten" im Krankenhaus und jetzt das hier.„Hast du noch eine halbe Stunde Zeit?", bittet sie mich fast entschuldigend. „Das schwere Teil soll rauf in meine Wohnung und ich glaube alleine schaffe ich das nicht bis in den vierten Stock.", meint sie.
Also eigentlich möchte ich endlich nachhause und will fast schon absagen, aber irgendwie kann ich ihr den Wunsch nicht abschlagen, wenn sie mich so unwiderstehlich anlächelt. Verdammt, sie sieht halt einfach gut aus. Für eine Lehrerin echt zu gut. Widerstrebend stimme ich zu und steige wieder auf der Beifahrerseite ein.Es dauert nicht lange, bis sie in eine kleine Seitenstraße abbiegt und ihr Auto am Straßenrand abstellt. Die Gegend kommt mir überhaupt nicht bekannt vor, aber wirkt deutlich einladender als unser ekliger Wohnblock. Hier stehen sogar ein paar Bäume.
Ich hieve mit ihr das Terrarium die Treppen hoch, wobei mir das Klingelschild vor ihrer Wohnung besonders auffällt. Darauf steht ihr Name, Céline Gerstl, und ein weiterer, der mir bekannt vorkommt. Woher bloß?"Okay, stellen wir das Teil erstmal hier im Eingangsbereich ab.", prustet sie mir nach Luft schnappend zu.
Sie verschwindet, wies aussieht in der Küche und ich schaue mich ein wenig um. Das Wohnzimmer wirkt gemütlich und einladend. An einer alten Backsteinmauer hängt ein großer Fernseher. Die restlichen Wände sind weiß gestrichen und große, helle Fenster wurden darin eingelassen. Sieht aus wie eine Altbauwohnung. Zumindest glaube ich, dass es so heißt. In der Ecke steht sogar ein flauschiger Katzen Kratzbaum. Ich erinnere mich, dass sie mal erwähnt hat, dass sie Tiere gern mag. Bestimmt hat sie also eine Katze.Da kommt sie auch schon mit zwei großen Tassen aus der Küche zurück. Will sie jetzt etwa Kaffeekränzchen halten oder was? Ich dachte, ich sollte ihr nur kurz helfen? Naja egal, mir ist eh gerade ziemlich langweilig.
"Magst du Tee? Hier frischer Zitronentee mit Pfefferminz.", sagt sie und reicht mir eine Tasse. "Habe leider keinen Kaffee da, trinke nur Tee.", fügt sie entschuldigend hinzu.
Ich nicke und bedanke mich knapp. Auf Teekränzchen habe ich genauso wenig Lust. Und da trifft mich plötzlich der Blitz. Mir fällt wieder ein, woher mir der Name am Klingelschild bekannt vorkommt. Und diese Erkenntnis nervt mich absolut."Kann ich sie- was persönliches fragen?"
"Okay... was willst du wissen?", hakt sie zögerlich nach.
"Ihre Begleitung im Club -die rothaarige-, sie wohnt auch hier, nicht? Also das Klingelschild, da steht ihr Name- ich meine- Ich habe auf Facebook ein Foto von ihnen beiden gesehen. Ihr Name war markiert.", erzähle ich verlegen.
Mit dieser Frage scheint sie überhaupt nicht gerechnet zu haben, sie fährt sich nachdenklich durch die Haare und sagt schließlich etwas betrübt: „Laura, das sind meine Privatangelegenheiten. Über die möchte ich jetzt nicht sprechen."
Ich nicke, „Okay." Aha. Privatangelegenheit klingt nicht so, als wäre es nur ihre Mitbewohnerin. Verdammt. Wahrscheinlich ist es wirklich ihre Freundin.„Ich würd dann gern nachhause. Soll ich noch helfen?", frage ich jetzt ziemlich schroff und deute dabei auf das Hamstergehege.
Sie beißt sich bedrückt auf die Lippe und nickt schließlich. Wir stellen das Riesending in ihrem Schlafzimmer ab und sie will mir noch etwas erzählen, aber ich winke ab. Ich lasse sie einfach in der Tür stehen und verschwinde. Sie schaut mir ziemlich verwundert hinterher, aber das ist mir egal. Was hat sie sich gedacht? Dass wir ein nettes Pläuschchen halten könnten? Ne ganz sicher nicht. Mir reicht es schon, dass ich wegen ihr diesen scheiss Flashback von meinem Bruder hatte. Ich will nicht mit ihr über mein Leben reden und sie auch nicht mit mir über ihres. Also wäre doch alles geklärt.
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Me, because of you. (girlxteacher)
RomantizmLaura. 17 Jahre alt und doch schon so sehr vom Leben gezeichnet. Sie hatte keine leichte Kindheit und vor einem Jahr traf ihre Familie ausgerechnet ein schwerer Schicksalsschlag. Seitdem kämpft sie mit den Folgen einer PTBS und den Konsequenzen eine...