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Sie ist also nicht mehr mit dieser Frau aus dem Club, die sich als ihre Freundin herausstellte, zusammen? Seit wann denn das? Ich weiß, ich weiß, es geht mich eigentlich überhaupt nichts an, aber ich muss mir eingestehen, dass die zwei ziemlich glücklich auf den Facebook Fotos aussahen. Und jetzt sind sie also getrennt... Da sieht man mal wieder, dass auf Social Media mehr Schein als Sein gilt.

Vermutlich sollte ich Mitleid mit Miss Gerstl haben, da ihre Beziehung nun ein Ende hat, aber ich komme nicht drum rum, mich ein kleines bisschen zu freuen. Sonst bin ich nicht der eifersüchtige Typ... Naja aber bei ihr ist es anders. Zum ersten Mal in meinem Leben, ist mir eine Person wirklich wichtig.

Genervt merke ich, dass dieses Gedankenkreisen schon wieder losgeht. Verdammter Mist, ich habe keinen Kopf für sowas. Ich will nicht ständig über alles nachdenken müssen, es ist so anstrengend. Nein, es reicht jetzt. Ich rufe jetzt Lea an.

Es klingelt ein paar Mal und dann krächzt Leas Stimme in den Lautsprecher: „Mhh, Mann was ist? Ich schlafe!"
„Oh sorry, wollt dir nicht deinen Schönheitsschlaf rauben..."
„Witzig. Was willst du?"
„Nichts. Mir ist langweilig. Lust auf n paar Kippen?"
„Och neee Lauraaa, lass mich schlafen.", stöhnt sie genervt ins Telefon.

„Ok, dann nicht."
Hat die schlechte Laune... naja dann muss ich mir ne andere Ablenkung suchen. Und da fällt mir etwas ein...

„Hast du Maries Nummer?"
„Jaa, schon. Für was brauchst du die denn?" Da ist sie wieder, die neugierige Lea. Selbst im Halbschlaf steckt sie ihre Nase gern in alle Angelegenheiten rein.
„Ach nur so." „Also wegen Mathe.", füge ich noch schnell hinzu, bevor sie irgendwelche Gerüchte in die Welt setzen kann. Kennt man ja.
„Wegen Mathe? Du verarscht mich doch. Seit wann interessierst du dich für die Schule??"
„Mann Lea, jetzt nerv nicht und schick mir die Nummer.", antworte ich genervt.

„Jaa ist ja gut. Sag ihr schöne Grüße, wenn du sie triffst." Ich kann ihr Grinsen sogar durchs Telefon spüren. Sie weiß ganz genau, dass ich ihre Nummer nicht wegen Mathe will.
„Ach sei leise!", lache ich. „Nein, im Ernst, bitte halt deine Klappe und erzähl das nicht rum. Muss ja nicht die ganze Schule wissen."
Mit <<die ganze Schule>> meine ich natürlich Céline, aber das kann ich Lea ja schlecht erzählen.
„Jaja, mach ich nicht. Jetzt lass mich weiter schlafen."

Dann verabschiede ich mich und lege auf.
Kontakt: Marie Reid, 035 899...

Alles in mir sträubt sich, diese Nummer wirklich anzurufen. Ich kenne kein Mädchen, das mich mehr nervt als Fräulein Streber. Aber sie ist die einzige, die ich aktuell auf meinem Radar habe, naja mit Ausnahme von Céline natürlich. Aber die will sich schließlich lieber an das Gesetz halten. Das Gesetz. Pah, dass ich nicht lache. Was interessiert mich denn bitte das Gesetz. Die tollen Gesetze in unserem Land haben auch nicht verhindert, dass diese miese, dreckige Ratte meinen Bruder kaltblütig ermordet hat.

Nein, daran darf ich jetzt nicht denken. Am besten denke ich gar nicht mehr. Und weil ich nicht mehr denke, begehe ich einen riesengroßen Fehler.

„Reid, hallo?"
„Hi. Hier - äh - hier ist Laura."
„Laura? Was - wieso rufst du an?", stammelt sie aufgeregt ins Telefon.
„Ich habs mir anders überlegt. Hast du noch Interesse?" Unangenehm berührt verziehe ich das Gesicht. „An einem Date, meine ich." Die Abneigung kriecht mir kalt den Rücken hoch.
„Ähm, also ich weiß jetzt nicht was ich sagen soll. Damit hätte ich echt nicht gerechnet."
„Ja oder nein?", hake ich mit verdrehten Augen nach. Mensch, sag doch einfach ja.

„Ja, also natürlich! Ich freue mich!", quietscht sie vergnügt.
„Cool. Geht heute? Genauer gesagt jetzt?"
„Jetzt? Also du meinst jetzt sofort?"
„Nein, in drei Jahren.", antworte ich sarkastisch. „Ja natürlich, jetzt. Seit wann bist du so schwer von Begriff, Streberin?"
„Bin ich nicht. Willst du zu mir kommen? Meine Eltern sind nicht da."
„Von mir aus."
„Okeyy, ich schicke dir noch die Adresse. Bis gleich!"

Ich spare mir die Antwort und lege wortlos auf. Genervt atme ich tief durch. Das kann was werden. Ich treffe mich tatsächlich mit Marie. Boah ne, also wenn ich das lebend überstehe... ich weiß auch nicht. Genauso unrealistisch wie ne 1 in Mathe.

Lustlos und in Zeitlupe steige ich aus dem Bus aus und versuche mich in dieser neuen Gegend zu orientieren. Mann hätte ich gewusst, dass die so weit außerhalb der Stadt wohnt, hätte ich nie bei ihr angerufen. Hausnummer 23. Ja da ist es. Ein quadratisches, weißes Haus mit schwarzen großen Fenster, mitten in einem Rasen, der aussieht als könnte man darauf Golf spielen.
Jap, dieses Haus passt zu ihr. Langweilig und spießig.

Gereizt öffne ich das Gartentor und lasse es mit einem Rumms wieder ins Schloss fallen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Noch bevor ich klingeln kann, öffnet Miss Sunshine die Haustür. Sofort schmeißt sie ihre Arme um mich, was ich widerwillig über mich ergehen lasse.

„Oh Laura, Ich freue mich so, dass du hier bist! Los, komm rein!", plappert sie fröhlich drauf los. „Hier in der Garderobe kannst du deine Jacke aufhängen. Warte kurz, ich hol dir noch Hausschuhe."
Hausschuhe? Ist das ihr Ernst? Ich hab nicht vor hier sesshaft zu werden, sondern so schnell wie möglich wieder abzuhauen und sie bietet mir Hausschuhe an. Ungläubig schüttle ich den Kopf. DAS, ist mal so gar nicht meine Welt.

Sie verschwindet hinter einer weißen Tür und ich nutze die Zeit und flüchte schnell durch den großen Türrahmen in die Küche. Mehr oder minder interessiert sehe ich mich um. Ach du scheisse, hier sieht es ja aus wie in einem Ikea Katalog... Alles ist bis ins kleinste Detail geordnet und man kann förmlich das Funkeln der sauberen Küchenzeile sehen. Alles ist in weiß gehalten. Puh, also mir wär das zu steril.

„So, da bin ich wieder. Hier, Bitteschön.", sagt sie förmlich und drückt mir weiße Hotelschlappen in die Hände. „Magst du was trinken?"
„Mir egal, irgendwas mit Alkohol.", nuschle ich und setze ein leises „Anders hält man das ja nicht aus.", hinzu.
„Du bist aber ganz schön anspruchslos. Hast du keinen Lieblingsdrink?"
„Ne."
„Na gut. Dann mach ich dir einen Cosmopolitan", verkündet sie geistesabwesend und schwebt weiter in den nächsten Raum. Lustlos trotte ich ihr mit verschränkten Armen hinterher.

Und ich glaube nicht, was ich da sehe. Ich stehe nun mitten in einem edlen Zimmer, ganz in königsblau und schwarz gehalten. Das auffallendste ist aber auf jeden Fall diese große Bar, hinter der Marie schon konzentriert meinen Drink zubereitet. Mir klappt die Kinnlade runter.
„Du kannst Cocktails mixen??"
„Ja, klar. Mein Papa ist ein relativ bekannter Barkeeper hier in der Stadt und er hat mir das beigebracht."
„Krass, ich dachte immer du kannst nur Schule."

Okay, sie ist deutlich interessanter, als ich sie mir vorgestellt habe. Fasziniert beobachte ich, wie sie geschickt die einzelnen Zutaten zu einem Drink vermischt.
„So bitteschön, ein Cosmopolitan für das tollste Mädchen, das ich kenne." Nervös lächelt sie mich an.
Boah, allein von diesen Worten bekomme ich schon Würgereiz. Sie ist und bleibt eine nervige Klette. Abgeneigt nippe ich an dem Drink, der jedoch erstaunlich gut schmeckt.

„Gar nicht mal schlecht.", nicke ich einigermaßen zufrieden. „Kannst du noch mehr?"
„Alles was du willst.", flüstert sie kokett. Aha, die Kleine geht also aufs Ganze. Doch so schnell werde ich mich garantiert nicht ergeben.
„Mach mir deinen Lieblingsdrink.", grinse ich sie an. Das Spiel kann beginnen.

Sie verschwindet wieder hinter der Bar und kommt kurz darauf mit glühenden Wangen und einem ebenso feuerrotem Drink in der Hand zurück.
„Was ist das?"
„Trink und finde es raus.", lächelt sie mich an.
Vorsichtig schlürfe ich an dem Drink und muss feststellen, dass dieses Zeug absolut nichts für mich ist. Viel zu süß und klebrig.
„Jup. Damit hätten wir geklärt, dass du niemals eine reale Chance bei mir haben wirst. Schmeckt ja furchtbar. Was ist da drin?"

Enttäuscht lässt sie die Schultern sinken. „Gin und Grenadine Sirup. Der Drink heißt Small Dinger."
„Wow. Man kann Gin auf so viele unterschiedliche Weisen trinken und du entscheidest dich für Grenadine Sirup? Wie geschmacklos.", ärgere ich sie.
„Ach du hast doch keine Ahnung von Cocktails, erzähl mir doch keinen Unfug."
„Stimmt. Hast du sonst noch aufregende Hobbys, von denen ich nichts weiß?"
„Ist Pole Dance aufregend genug für dich?"
„Bitte? Du verascht mich doch. Nie im Leben machst du Pole Dance."

Sie antwortet nicht, sondern nimmt meine Hand und führt mich mit verschwörerischem Blick die Kellertreppe hinunter. Das kann sie doch nicht ernst meinen oder? Hier unten ist es dunkel und ehrlich gesagt etwas unheimlich, doch wir gehen weiter, bis wir vor einer schönen hölzernen Tür stehen.

„Jetzt sag mir bloß noch, das ist dein Liebeskeller oder sowas.", meine ich schon etwas besorgt zu ihr.
„Quatsch. Das ist mein Tanzstudio! ", erzählt sie voller Stolz und Begeisterung.

Me, because of you. (girlxteacher)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt