Flaschengrün (2)

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Es klingelte. Laut und unangenehm schrill. Ich zog mir grummelnd die Decke über den Kopf, der Postbote konnte das Paket auch bei den Nachbarn abgeben. Nochmal ein Klingeln, diesmal länger.
Dieser verdammte Postbote war wirklich hartnäckig.

Seufzend griff ich mir meinen Hoodie und schlurfte zur Haustür. Es war noch nichtmal Zehn Uhr, was fiel dem eigentlich ein?

„Brüderchen!" Jemand schob sich ungefragt in meine Wohnung und begrüßte mich mit einer einarmigen Umarmung.
„Charlotte" ich rieb mir die Augen, etwas ärgerlich. Typisch für meine kleine Schwester, sie hatte unglücklicherweise eine Vorliebe für spontane Besuchen. Ihr Haar war eine kleine Spur heller als meins und ihre Augen waren schokoladenbraun wie die meines Vaters.
Ich stellte mich etwas schützend vor die Tür zur Küche, eine weiteren Vortrag von ihr konnte ich wirklich nicht gebrauchen. Irgendwie war ihr Grinsen sehr verdächtig, ich kannte dieses Grinsen, irgendetwas führte sie im Schilde. Vorsichtig und wirklich ungewöhnlich behutsam für die sonst so stürmische Frau stellte sie einen Karton hin. Ich musterte ihn argwöhnisch und sie fing an zu kichern. „Komm mach ihn auf!"
„Was ist das?"
„Eine Überraschung"
Ich sah sie mit einem darauf-fall-ich-ganz-sicher-nicht-rein-Blick an.

„Nein wirklich es ist ein Geschenk. Von mir, aber alles weitere kommt von Mama und Papa."

Das besänftigte mein Misstrauen, meine Eltern würden nicht bei ihren seltsamen Ideen zustimmen. Nur was war in diesem seltsamen, durchlöcherten Karton. Ich hätte auf einen Staubsauger getippt, da meine Eltern auch ihren Teil beigetragen hatten. Allerdings war es Charlotte, sie würde mir keinen Staubsauger schenken, eher einen spirituellen Kurs zum Finden der inneren Mitte, oder eine Klettertour in der schwäbischen Alb.

Ich kniete mich auf den Boden und klappte den Karton auf. Komplett verdattert starrte ich ins innere.
„Nein, Charlie, nein"
Vorsichtig hob ich ein graugetigertes Katzenjunges aus dem Karton. Es maunzte auf und tapste ein wenig in die Richting meiner Knie. Ich starrte ihm in die Augen, diese grünen Augen, die blau umrandet waren. Gott im Himmel, wann hatte ich solche Augen das letzte Mal gesehen?
„Ich weiß es ist spontan, aber erstens hatte dieser kleine Racker kein zuhause mehr und zweitens würde dir es guttun wieder Verantwortung zunehmen."
Das kleine Wesen vor mir hatte mittlerweile meinen Schoß in Angriff genommen und hatte sich dort zusammengerollt. Ich konnte nicht anders, ein Lächeln huschte über mein Gesicht.

Natürlich bemerkte Charlie es, was auch sonst.

„Ich wusste du freust dich" grinste sie in sich hinein. Ich hab auch noch einen Kratzbaum mitgebracht und anderes Zubehör, manches hatten wir eh noch zuhause, den Rest haben Mama und Papa neu gekauft."

Mir wurde wieder bewusst wie sehr ich meine Familie liebte, jeden einzelnen von ihnen gehörte ein Platz in meinem Herz.
„Ähm, ist es ein Junge oder ein Mädchen?"
„Ich hab extra ein Mädchen gewählt, den Namen kannst du dir aussuchen"
Das kleine Katzenmädchen war wieder aufgesprungen und erkundete nun den Flur der Wohnung, währned ich nach einem passenden Namen suchte.

Ein Klirren riss mich aus meinen Gedanken. Die Box mit den Kullis lag auf dem Boden und eine unschuldig blickende Katzte saß einen Meter darüber auf der Kommode.

„Tuuli, soll sie heißen." Ich wusste es, es passte perfekt.

Dann nahm ich Tuuli vorsichtig von der Kommode herunter und öffente die Tür zu meinem Wohnzimmer.

Eine Stunde später hatten wir meine gesamte Wohnung katzenfreundlich gestaltet. Ich ließ mich auf das Sofa fallen und erwartete dass sich meine Schwester zu mir gesellen würde. Sie schenkte mir einen entschuldigenden Blick: „Ich muss noch nen Kumpel besuchen"
„Oh Gott, der arme."
Sie rollte mit den Augen, aber sie tat das mit einem Grinsen.

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