Gewittersturm (1)

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Besorgt starte ich auf die dunklen, mächtigen Wolken die sich bedrohlich im Norden zusammenballten. Es würde ein Sturm aufziehen, die Luft wusste es. Ein weiterer dunkler Tag des Krieges gegen die Schattenreiche brach an. Ich wand mich schließlich vom Himmel ab und schaute Basti an, der gelassen neben mir die Beine baumeln ließ. Ein Windstoß kam auf, wirbelte ihm die dunklen Haare aus der Stirn und gab mir einen besseren Blick auf seine Augen. Sie schimmerten hell, wie immer, eine undefinierbare Augenfarbe, die von jeder Perspektive ein wenig anders aussah. Ich liebte es, genauso wie ich Basti liebte.

Er umfasste nun den Griff seines Schwertes etwas fester, sodass sein Ärmel hoch rutschte. Die schwarzen Verästelungen auf seinem Arm mochten gefährlich aussehen, zogen sie sich doch wie Fäden, mal dicker, mal dünner über seine gesamte Haut. Ich hatte es jedoch immer faszinierend gefunden, welche Macht ihm diese schwarzen Linien brachten. Vorsichtig streckte ich meine Hand aus, wollte mit meinem Zeigefinger die dunklen Verzweigungen nachfahren, aber er hielt mein Handgelenk fest. Sein Blick vergrub sich nun in meinem, wir starrten uns einfach nur an und ich hätte Stunden so weiter machen können. Ich legte meine Lippen auf
seine, schmeckte ihn und spürte ihn dicht an mir-

„Wir müssen" löste sich Basti etwas schweratmend. Ich nickte, versuchte meine Enttäuschung zu verbergen, als er aufstand und leichtfüßig vom Felsen heruntersprang. Mein Herz wollte so sehr, dass dieser Krieg endete, doch es erschien endlos. Ich rannte Basti hinter her, holte ihn ein und ging dann schweigend neben ihm her. Lustlos kickte ich ein Kieselstein mit meinen Füßen umher, sehr zum Missfallen von Basti.

Wir liefen aus dem dichten Wald heraus und wie jedesmal verschlug es mir den Atem. Das grelle Weiß der Spitze blendete in den Augen, während das dunkle Schwarz am Fuß der gigantischen Pyramide alles Licht verschlang.

Unsere Schritte verlangsamten sich, unser Abstand zueinander wurde bedauerlicherweise immer größer. Nur wenige Minute rollte Basti eine große Karte auf dem Tisch aus. Dabei brannte ein Feuer in seinem Augen, sein Blick sah so entschlossen aus, dass ich eine Gänsehaut bekam. Unbewusst musste er seine Ärmel hochkrempelt haben und ich konnte das schwarze Blut unter seiner Haut pochen zu sehen. Woanders hin sehen ganz schnell. Ich drehte mich nach links und starrte direkt in Vetos ruhige blaue Augen. Er schaute mich belustigt an, weshalb ich mich schließlich wieder auf die Karte vor uns konzentrierte. Es war ein offenes Geheimnis, dass Basti und ich zusammen waren, offiziell war Basti aber single. Es ist manchmal besser niemanden nahezustehen, jede Person die man zusätzlich liebt, kann im Krieg als Druckmittel verwendet werden. An dieser langen Tafel saßen bereits zu vielen an denen mein Herz hing, wie ich schmerzhaft feststellen musste.

Basti fuhr mittlerweile den nördlichen Teil der Karte ab. „Hier sind unsere Grenzwachen nur spärlich, der Feind wird vermutlich genau hier angreifen" Er hatte seinen Finger auf ein Stück Wald an der nordöstlichen Grenze gelegt.
„Sie werden aber denken, dass wir den Feind hier vermuten." Er deutete auf den südlichen Teil der Karte. Eine wilde Diskussion brach aus, über Reihenaufstellung und Truppenpositionierung. Immer grimmiger wurde ich allerdings als Basti die finale Verteilung vorlas.

„Heiko: Leiter der Bogenschützen im Norden. Veto, Wächter der südlichen Grenze. Du täuscht vor, wir wüssten nichts von dem Hinterhalt. Stegi: Wächter der westlichen Grenze."
Empört öffnete ich den Mund, hinter der westlichen Grenze lag nur Niemandsland, es war höchst unwahrscheinlich das der König der Schatten dort angreifen würde. Verdorrtes Niemandsland, ohne irgendein Fünkchen Leben am Horizont. Ungläubig starrte ich Basti an, aber er schien mir singalisieren zu wollen, dass wir später reden würden. Langsam löste sich die Tafel auf, die Leute begannen sich aufzustellen, ritten teilweise schon los. Ich hingegen blieb sitzen, starrte Basti nur weiter wütend an.

Er seufzte.
„Traust du mir nichts zu?" Ich sprach aus, was ich dachte.
„Doch, wirklich Stegi, du kannst so vieles" er sah erschöpft aus und der Kampfgeist in seinen Augen schien erloschen zu sein.
„Warum darf ich dann nicht neben dir kämpfen, warum darf ich nicht unser Banner an den wichtigen Stellen hochhalten, warum darf ich nicht den bitteren Schmerz spüren wenn ein Kamerad in den eigenen Armen stirbt, warum darf ich nicht den süßen Stolz fühlen, wenn wir die Gegner in die Flucht schlagen, WARUM MUSS ICH STILL SCHWEIGEND ZUSEHEN WIE MEINE FREUNDE NICHT MEHR VOM SCHLACHTFELD ZURÜCKKOMMEN?"

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