Gewittersturm-5

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„Somit ist diese Besprechung des achten Septembers beendet." schloss Basti und wandte sich noch schnell an den jungen Mann, der die ganzen Gespräche mitschrieb.
„Aufzeichnungen bitte beenden."
Nach und nach verließen alle den Saal, bis nur noch Basti und ich alleine und etwas verloren in ihm herumstanden. Basti verstaute Karten und Pläne sicher, dann schaute er mich kühl an.
„Was willst du?" Es fühlte sich an, als würde er mich nochmal den Dolch auf die Brust richten, langsam und bedrohlich, bereit zuzustechen. Diesmal würde ich nicht überleben.

„Wir müssen glaube ich reden" ich fixierte ihn mit meinen Augen, versuchte ihn behutsam mitzuteilen, dass es nicht schlimm war. Das nicht schlimm war, was seine Magie bewirkte. Er atmete hörbar aus, einige seiner Haarsträhnen fielen ihm ins Gesicht. Er sah ungewöhnlich alt aus. Obwohl ich der ältere war, fühlte ich mich auf einmal wie ein naives Kind neben ihm. Vielleicht weil er am anderen Tischende stand, während ich noch saß. Er kam nun auf mich zu, nickte mir im Gehen leicht zu, ein Zeichen des Einverständnisses.
Dann setze er sich, der Anhänger der Sanduhr fiel aus seinem Hemd heraus. Blitzschnell stopfte er ihn wieder unter sein Hemd, doch ich hatte an seiner mit kleinen Monden und Blumen verzierten Sanduhr bereits etwas Ungewöhnliches bemerkt. Der Sand rieselte langsam Körnchen für Körnchen. Doch viel langsamer als sonst, viel langsamer und irgendwie bedrohlicher.
In meinem ganzen Leben hatte ich Sand noch nie bedrohlich rieseln erlebt, doch dieser tat es, daran gab es keinen Zweifel.

„Auf welchen Zeitpunkt wartest du"
Basti blickte erschrocken auf: „Was meinst du?" Er runzelte verwirrt die Stirn, doch ich war mir sicher, dass er wusste wovon ich sprach.
„Deine Sanduhr"
„Ach, das ist nichts weiter Besorgniserregendes. Du hast Recht wir müssen wirklich reden. Über die Ereignisse von gestern Nacht."

Er war wieder so distanziert, als wären wir nichts weiter als Kooperationspartner.
„Es ist nicht schlimm, Basti, wirklich, das war jetzt einmalig und- '
„Wer sagt, dass so etwas nicht noch einmal passiert" fiel Basti mir scharf ins Wort.
„Wer sagt, dass mich nächstes Mal stoppen kann. Vielleicht, vielleicht liegst du das nächste Mal tot in einer Blutlache vor mir, dann ist es nämlich zu spät."
„Und was willst du jetzt machen" gab ich trotzig von mir, um zu verbergen wieviel Angst ich vor seiner Antwort hatte.
„Abstand nehmen. Bis alles besser wird. Bitte Stegi, bitte versteh mich nicht falsch, ich"

„Du willst Schluss machen?" hauchte ich.
„Ja, also nein." Ich ignorierte Bastis gequälten Blick, spürte nur wie er mir den Dolch nun doch ins Herz rammte.
„Gut, ihre Majestät" ich wand mich ab, verließ den Raum. Bastis Blick schaffte es mich erneut zu durchleuchten.
„Stegi?"

Ich konnte die Hoffnung, die aufflackerte nicht verhindern. Hoffnung ist etwas zähes, solange ein Mensch hoffte, lebte er. Deshalb drehte ich mich um.
„Kannst du mir deine Sanduhr geben?" Enttäuschung ist ein bitteres Gefühl, es klebt an der Hoffnung und lässt einen nur tiefer fallen. Ich riss mir die Kette vom Hals, warf sie achtlos auf den Boden. Dann stürmte ich aus den Raum, ignorierte Bastis zweites Brüllen. Er hatte mich aus unserem Freundeskreis geworfen. Ich war allein. Die Tränen ließen alles verschwimmen.Ich rannte, rannte, bis meine Beine nicht mehr konnten. Ich musste rennen, rennen bis ans Ende der Welt. Rennen bis alle meine Gedanken aus meinem Kopf verschwunden war.
Rennen bis ich nicht mehr denken musste.
Rennen bis ich nicht mehr atmen musste.

Ich ließ mich auf den Waldboden sinken, setzte mich einfach mitten auf den Pfad. Hier würde mich nie irgendjemand finden, ich war weit weg. Nicht weit genug, um mir selbst zu entfliehen. Ich konnte lediglich der Welt für einen kurzen Augenblick entfliehen.
Wie instinktiv mittlerweile hüllte ich mich in blasse Schatten, grauen wabernden Rauch. Ich sog ihn tief ein, stieß ihn dann wieder aus. Wie all die Menschen mit ihrem Pfeifenkraut, nur war dieser magisch und von mir selbst erschaffen.
Die Wut überrollte mich plötzlich, schwemmte die Trauer aus meinem Körper. Ich war ihr dankbar, ballte meine Fäuste zusammen und bombardierte den Baum vor mir mit einer silbergrauen Kugel. Immer mehr wurden es, immer heftiger wurde die Attacken. Die Wut brachte mich dazu meinen Kopf auszuschalten, ich gab mich ihr voll hin, verlor mich in ihr. Ich musste etwas zerstören, es tat so gut, die Wut rauszulassen.
Ich merkte kaum, wie die Kraft immer mehr meinen Körper auslaugte.

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