Flaschengrün (3)

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Er kam auf mich zu, doch blieb eine Stufe über mir stehen sodass wir direkt auf Augenhöhe uns gegenüberstanden. Ich wusste nicht was ich sagen sollte, es gab keine Worte für, dass was ich sagen wollte. Ich wollte sagen, dass ich ihn vermisste. Das ich so gern vergeben würde, doch irgendetwas blockierte. Das alles was ich wollte war, dass es wieder so würde wie früher.

Es war eine sehr dumme Idee von Veni gewesen, was sollten denn bitte miteinander machen? Er bat mich hoch und ich betrat seine Wohnung, sie war klein aber hell eingerichtet, mit hellem Holz und kleinen Porzellantassen, die so bunt durcheinandergewürfelt waren, dass ich bezweifelte, dass sie Stegi gehörten. An einer Pinnwand hingen drei Fotos, zwei von seiner Familie und eines von ihm, welches aktuell aussah. Stirnrunzelnd betrachtete ich es, auf dem Foto lachte er aus vollem Herzen, es war ein Strahlen in seinen Augen, dieses ausgelassene Leuchten, was ich früher kannte. Seine Augen funkelten auf diesem Foto nicht in dem matten Grün, sondern es hatten sich gelbleuchtende Sterne hineingeschlichen. Er hatte ein kleines Katzenbaby im Arm, welches mit großen Kulleraugen in die Kamera sah und meinem zweijährigen Ich verblüffend ähnlichsah.

„Das ist Tuuli" Ich hatte nicht bemerkt, dass er hinter mir stand, leicht auf Zehenspitzen stehend spähte er über meine Schulter. „Tuuli, komm doch mal" Er zuckte mit den Schultern, als keine Katze erschien.

„Wir sollten reden" Seine Augen weiteten sich und er schien einen Fluchtreflex zu unterdrücken. Dann starrte er mich an, sehr lange. Ich fuchtelte mit meiner Hand vor seinem Gesicht herum. „Stegi, Steeegi?" Er reagierte nicht, starrte ins Leere, ich meinte mir einzubilden, dass seine Atmung sich verschnellert hatte. Doch nicht ich holte ihn zurück in die Realität, sondern eine graugetigerte Katze, die ihre Vorderpfoten tief ins Stegis Unterschenkel vergrub. Stegi kniff die Augen zusammen, schüttelte kurz den Kopf. „Ja können wir. Setzt dich" er wies auf das Sofa in dem kleinen Wohnzimmer. Er schob einen Umzugkarton gegenüber und setzte sich auf den, die Beine dicht an seinen Körper gedrückt.

„Ich habe dich vermisst". Er hatte den Weg der Ehrlichkeit gewählt, der bitteren Wahrheit. Ich konnte es ihm nicht gleichtun, denn ich wusste nicht mehr, was gelogen war und was nicht. Ich vermisste den alten Stegi, aber vermisste ich auch den neuen? Er hatte sich so verändert und auf eine schmerzhafte Weise doch gar nicht. Ich schwieg, ich wusste wie abweisend es ihm vorkommen würde. „Es ist manchmal so schwierig Halt zu finden, deshalb habe ich jetzt Tuuli." Er lächelte sanft. „Sie ist etwas eigensinnig und eigentlich kann ihr niemand sagen, was sie tun soll, am allerwenigstens ich, aber ich brauche sie"

„Spielst du noch Minecraft?" Ich zog überrascht die Augenbrauen hoch, ich schaute mindestens einmal im Monat was er so auf Twitch machte und tatsächlich liefen wir uns, auch wenn wir es probierten zu vermeiden, manchmal in Craftattack über den Weg. Aber vielleicht war der Satz mit dem vermissen doch nicht die Wahrheit gewesen, vielleicht war ich nur ein Idiot, dass ich mich an unsere längst fortgespülte Freundschaft klammerte.

„Äh, ja, tatsächlich, ich liebe dieses Spiel immer noch. Es ist einfach ein Zufluchtsort für mich geworden und das einzige Spiel was ich mir momentan als Hauptspiel für Videos vorstellen könnte"

„Kannst du noch Kniffeln" Sein Lächeln hatte sich plötzlich auf sein Gesicht gestohlen, als er in mit dem Arm tief in einen, mit vor allerlei Dingen nur überquellenden, Karton steckte und fünf einfache Würfel hervorholte, mitsamt einem Würfelbecher.

„Ich bin immer noch Weltmeister" grimmig starrte ich ihn an.

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„Fünf Sechsen, ha, ich hab gewonnen" Stegis lautes, klares Lachen erfüllte die gesamte Wohnung, mir wurde wieder bewusst wie sehr ich das vermisst hatte.

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