Dacen

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„Die Idee war echt Gold wert, Harry. Danke, danke, danke." Victorian sah seinen Bruder so dankbar an, dass dieser tatsächlich rot wurde.

„War doch echt nichts Besonderes. Und es wäre ja nicht so, als wären mir die Kleinen nicht auch echt auf den Keks gegangen. Die sind echt anstrengend, wenn sie nichts zu tun haben. Und ich hatte absolut keine andere Idee mehr, wie man sie noch beschäftigen könnte, als so." Harry zuckte mit den Schultern und sah zu den Junglingen.

Die jagten kleine, lebende Fische über den Sand. Harry hatte sie vorher gefangen, vorsichtig sie nicht zu töten oder zu sehr zu verletzen. So konnten die Junglinge ihnen nun hinterherjagen und ihre Energie loswerden, die sich angestaut hatte. Dabei gab es keinen Unterschied zwischen den Submissiven und den Dominanten. So wie es für die Erwachsenen auch keine Unterschiede gab. Jeder jagte, wenn er konnte, und für die, die es nicht konnten.

„Trotzdem. Für die paar Momente Ruhe, die es uns gebracht hat, danke. Ich hätte echt angefangen die Wand hochzuklettern, wenn die noch weiter an meinen Haaren rumgespielt hätten." Victorian setzte sich auf und brachte seine Fluke nach vorne. So konnte er die Wunde selbst sehen. Mittlerweile war die Fluke schmerzfrei genug, dass Victorian sie wieder voll bewegen konnte. Die Wunde war unter dem Verband aus Pflanzen verborgen, aber Victorian drückte an der Fluke nahe daran.

„Was denkst du? Kannst du bald wieder ordentlich schwimmen?"

„Ich denke, morgen oder übermorgen sollte ich wieder jagen können, aber lange Strecken noch nicht. Gib mir noch ein paar Tage Zeit."

„Hey. Ich will dich zu nichts drängen. Du sollst alle Zeit haben, die du zum Heilen brauchst. Und du wirst nicht jagen gehen. Ruh dich lieber aus und lass es völlig heilen, bevor du wieder jagst. Es ist ja nicht so, als könnte ich nicht für uns alle jagen."

„Du willst mehr Zeit mit deinem Menschen verbringen. Deswegen willst du noch nicht weg. Stimmts oder habe ich Recht?" stichelte Victorian und sah Harry spitzbübisch an.

„Ja, ja. Du hast Recht. Ich will Seth wiedersehen. Er ist faszinierend. Aber ich mach mir auch Sorgen um dich."

„Das weiß ich doch." Victorian lächelte und strich Harry durch die Haare. Summend begann er sie zu flechten und Harry fühlte sich an seine Kindheit erinnert. Victorian hatte es schon immer geliebt, ihm die Haare zu machen und am liebsten noch Muscheln und grüne Schmuckstücke hineinzuweben, sodass Harry die Frisur allein nicht mehr lösen konnte.

„Mach nichts zu kompliziertes."

„Das kann ich gar nicht. Ich habe nichts dafür da. Vermutlich wird sich alles in ein paar Minuten von selbst lösen, einfach weil ich nicht einmal was habe, um es zu befestigen." Das schien ihn aber nicht wirklich zu stören. Er spielte einfach vergnügt weiter mit Harrys Haaren herum.

„Tori-Mama. Mir auch die Haare machen." Eine der kleinen Submissiven war herübergekommen und zerrte an Victorians Arm.

Der ließ die Hände sinken und sah auf die Kleine hinab. „Sicher, Bisera. Aber bist du dir sicher, dass du nicht mit den Anderen Fische jagen willst?"

Sie verschränke die Arme und hockte sich vor Victorian in den Sand. „Cosmo präsentiert die ganze Zeit und dann müssen wir aufhören und ihm dabei zu sehen und dann wieder von vorne anfangen. Und er hört einfach nicht auf. Dabei ist er noch ein Kind und hat noch nicht mal Farbe." Sie schmollte.

„Irgendwann wird er mal Farbe haben. Und er muss sein Präsentieren üben, damit er gut darin wird. Das machen alle Dominanten und nicht nur Cosmo."

„Aber er macht es mehr als die anderen. Und immer. Wir können nichts machen, ohne dass er es unterbricht, um zu präsentieren. Und er wird sicher nur blasse Farben haben."

Harry zog Wasser ein und verschluckte sich beinahe daran. Einem Dominanten blasse Farben zu wünschen, war gleichbedeutend damit, dass er für sein Leben allein bleiben sollte. Es war absolut nicht in Ordnung, das zu sagen, besonders nicht zu einem Kind.

„Bisera! Du weiß genau, dass das nicht in Ordnung ist! Was hast du dir dabei gedacht, dass du so etwas gesagt hast?!" schimpfte Victorian.

Bisera schien in sich zusammenzusinken. „Aber es hat es doch nicht einmal gehöret." maulte sie leise.

„Das ist nicht wichtig. Es ist wichtig, dass du denkst das sagen zu können. Es ist nicht okay, dass irgendjemandem zu wünschen. Ganz gleich. Haben wir uns da verstanden?" Victorian sah die kleine Submissive fest an, bis diese nickte, Tränen in den Augen.

Aus den Augenwinkeln nahm Harry eine Bewegung war und ein Aufblitzen von Farben. Er wirbelte herum, doch bevor er reagieren konnte, war die Bewegung schon an ihm vorbei. „Rian." Seine angespannten Schultern entspannten sich wieder, als er die Stimme hörte. Dacen. Er drehte sich zu den beiden und konnte Victorians Partner nun sehen.

Dieser fusste über seinen Submissiven und als er den Verband entdeckte grollte er, tief in der Brust. Entlang seiner Wirbelsäule stellte sich der türkisene Finnenkamm auf und zeigte die violetten Kreise darauf. „Hör auf damit. Du machst den Junglingen Angst. Ich bin okay." Victorian packte Dacen.

„Du bist verletzt."

„Ja. Aber es ist versorgt und es heilt. Mach dir keinen Kopf darüber. Warum bist du hier?"

Dacens Flossen legten sich wieder an und er rieb sich den Nacken. „Ihr hättet heute wieder da sein sollen und ich hab mir Sorgen gemacht, als ihr nicht gekommen seid. Also habe ich nach euch gesucht."

Victorian schüttelte amüsiert den Kopf und legte eine Hand an Dacens Wange. „Du hättest uns verpassen können und alles. Aber du bist dennoch los, um uns zu finden. Sturer, sturer Dominanter." In seinen Augen aber stand klar geschrieben, wie sehr ihn die Geste seines Partners berührte.

„Für dich, immer." gab der zurück und Harry grinste in sich hinein. Die beiden waren schon normalerweise kaum auszuhalten, wenn sie miteinander flirteten, doch nun, wo sie sich eine Zeit lang nicht gesehen hatten? Harry war nur dankbar, dass die Junglinge noch klein waren und nicht alle Zeichen bemerkten.

„Flirt." Victorian lächelte sanft, legte seine andere Hand auf die andere Wange und zog Dacen zu einem Kuss zu sich. Die Schmuckflossen an der Seite von Dacens Fluke stellten sich zum Präsentieren auf, türkis, gelb und violett in einem Muster, dass Aufmerksamkeit nur so auf sich zog.

Kopfschüttelnd wendete Harry sich ab, packte Bisera und ließ die Beiden in ihrer kleinen Blase. Sie sollten wenigstens ein paar Momente miteinander haben, ehe die Junglinge unweigerlich wieder Aufmerksamkeit fordern würden.

Wolf und WalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt