Das gestohlene Shirt

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„Klamotten. Wo kriege ich jetzt Klamotten her?" Harry kauerte hinter einem Felsen am Strand, sein Körper menschlich, und überlegte, wie er nun an Klamotten kam. Dass er nicht nackt durch die Gegend laufen konnte, dass war ihm durchaus noch bewusst. Bei Tageslicht würde das definitiv zu Problemen führen.

Er sah sich um und konnte ein Stück weiter ein paar junge Männer erkennen, die am Klippenspringen waren. Am Strand lagen ihre Shirts und so wie Harry es einschätzte, wäre ihm eines davon zu groß. Aber es würde alles verbergen. Er würde vermutlich fragende Blicke bekommen, aber hoffentlich würde niemand die Polizei rufen. Das konnte er nicht erklären.

Vorsichtig krallte er sich eines der Shirts und stülpte es über. Es fiel ihm bis auf die Oberschenkel und verbarg seine Gestalt, auch wenn es ihm von einer Schulter rutschte. Harry zuckte die Schultern. Was Besseres würde er vermutlich nicht finden.

Das gestohlene Shirt an, verschwand er in die Richtung, in der er die Stadt vermutete. Irgendwo dort musste Seth sein und Harry hoffte, dass er ihn finden würde. In einer Stadt lebten viele Menschen und nicht jeder kannte jeden. Zumindest war das in Surrey so gewesen. Harry hatte nicht einmal alle Menschen auf seiner Straße gekannt.

Die Straße fühlte sich unter seinen nackten Füßen kühl und körnig an. Harry fragte sich, ob er das nun hasste oder einfach nur nicht mochte. Es drückte an seinen Füßen und die kitselten ununterbrochen. Aber Harry war schon glücklich darüber, dass er stabiler auf den Beinen war als das letzte Mal. Vielleicht lag es am besseren Licht oder daran, dass er erst kurz zuvor auf dem Land gewesen war. Harry war der Grund egal.

Er erreichte die Stadt und wunderte sich. Die Stadt sah so anders aus, als er sie bisher gesehen hatte. Nicht wie Surrey und auch nicht wie die Städte, durch die sie damals auf seiner einzigen Reise gekommen waren. Aber er mochte es. Es fühlte sich ruhiger an, nicht so hektisch.

„Hey du!" Die tiefe, befehlsgewohnte Stimme kam von der Seite und Harry sah sich um. War er gemeint? Er deutete auf sich und sah den Mann an, von dem die Stimme gekommen war. „Ja, du. Bist du dumm?"

„Nein. Woher soll ich denn wissen, dass du mich meinst?"

Der Mann kam auf Harry zu und er war nicht allein. Zwei weitere folgten ihm und bauten sich hinter seinen Schultern an. Harry musste zu ihnen nach oben schauen und fragte sich langsam, warum die Männer in diesem Ort alle ähnlich waren. Muskulös und verdammt groß. Und das Tattoo, dass er bei Seth so bewundert hatte, blitzte auch unter den Tshirtärmeln der Männer hervor. Harry fand aber, dass es bei Seth besser ausgesehen hatte.

„Was tust du hier?"

„Ich suche jemand. Aber ich wüsste nicht, was dich das angeht. Ich kenne dich nicht und so wie du dich verhältst, will ich dich auch wirklich nicht kennenlernen."

Der Mann packte Harry am Kragen des Shirts und er fasste an den Saum, um diesen über denen Genitalien zu halten. Dem Mann schien das gar nicht zu passen. „Du bist ein Fremder hier und du suchst Ärger." knurrte er Harry schon beinahe an und der musste an den Werwolf zurückdenken. Ob der Mann vor ihm auch so einer war?

„Wenn ihr so mit Fremden umgeht, dann werdet ihr nicht viele davon haben. Wer will schon herkommen und dann direkt so behandelt werden? Man könnte echt meinen, dass hier niemand Manieren hat."

„Halts Maul." Der Mann holte aus und Harry wappnete sich für den Schlag. Das zu erklären würde nachher schwer werden. Hoffentlich würde das kein Problem geben. Er wollte wirklich nicht in eine Schlägerei oder so verwickelt werden. Er wollte doch nur Seth finden und mit diesem reden. Aber zunächst musste er die drei loswerden.

Er öffnete die Augen, die er reflexartig zusammengekniffen hatte, wieder, als er merkte, dass der Schlag nicht kam. Die drei Männer starrten über Harry hinweg. Der versucht sich umzusehen, doch die Hand, die noch immer in den Kragen seines Shirts gekrallt war, verhinderte das. Seine einzigen Hinweise, was passieren würde, waren die drei vor ihm. Die waren so angespannt, dass Harry nicht sicher war, ob er in der Situation bleiben wollte.

„Was zur Hölle macht ihr da?" Die Stimme klang so fassungslos, dass Harry sich ein Lachen verkneifen musste. Sie war zwar ebenfalls tief, aber jünger.

„Er macht Probleme." spuckte der Mann vor Harry aus. Harry verdrehte die Augen. Der Mann wurde langsam echt langweilig. Von ihm kam immer nur dasselbe.

„Bezweifle ich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er irgendjemand Probleme machen könnte. Nicht in seinem Zustand."

„Du solltest es doch gerade wissen. Er hat dein Shirt gestohlen." Woher wussten die Männer das? Harry war sich sicher, dass die drei nicht bei den Klippen gewesen waren. Das Shirt war einfach und schwarz und hatte nichts, dass es einzigartig machen würde.

„Und? Es ist nicht das erste Shirt, dass ich verliere. Ich hätte es nicht mal gemerkt. Deswegen musst du nicht so einen Aufstand machen. Es sollte dich nicht ärgern, denn es geht dich nichts an. Und jetzt lass ihn endlich los. Das ist einfach nur lächerlich, was du tust."

Harry wurde tatsächlich losgelassen und er konnte sich umsehen. Der Mann war an den Klippen gewesen und es war tatsächlich möglich, dass er sein Shirt trug. Auch er trug das Tattoo auf der Schulter. Aber er schien willkommener zu sein als die anderen drei.

„Dann kümmre dich um deine Probleme, bevor sie Probleme für andere machen." Harry bekam noch einen Stoß und dann waren die drei Männer verschwunden.

Der andere kam zu ihm, sah aber kopfschüttelnd den anderen drei hinterher. „Die sind doch sonst nicht so. Hey, ich bin Jacob. Hast du denen irgendwas getan, dass sie so sind?"

„Nein. Ich bin nur gelaufen und dann meinten sie, ich würde nur Probleme machen. Ich suche nur nach jemandem." Harry spürte, wie der andere sich versteifte, bevor er zu ihm hinübersah. Jacob hatte die Fäuste geballt und sah starr gerade aus.

„Wen suchst du?"

„Seth. Er hat auch so ein Tattoo." Harry deutete auf Jacobs Schulter.

„Wofür? Willst du ihm wieder etwas vorwerfen, dass er nicht getan hat? Willst du ihm wieder wehtun?" Jacobs Stimme schiftete in ein Knurren und Harry zuckt vor ihm zurück, schüttelte dann aber den Kopf.

Er sah auf seine nackten Füße. „Ich will mich nur entschuldigen. Ich habe ihm wehgetan, ohne es zu wollen und ich muss mich dafür entschuldigen. Ich lag falsch." Hinter ihm zog jemand hörbar die Luft ein und Harry wirbelte herum.

Wolf und WalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt