Hungrige Junglinge

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Ein Platschen schreckte Harry hoch. Er erkannte, dass er eingeschlafen war. Schnell schwamm er zu seinem Bruder und den Junglingen. Die schliefen noch, zusammengerollt gegen Victorians Körper, der in einem Ring um die Junglinge lag. Aus der Wunde sickerte noch immer Blut, auch wenn der Blutfluss deutlich zurückgegangen war. Harry checkte erschrocken, ob Victorian noch einen Puls hatte und atmete auf, als er diesen stark schlagen fand.

Er schwamm wieder zu dem Loch und schaute vorsichtig hinaus. Die schwarzen Schatten der Orcas konnte er nicht mehr erkennen und auch als er horchte, die Schreie der Orcas hörte er nicht. Überzeugt das sie nicht mehr da waren, schlüpfte Harry aus der Höhle und schwamm zum Boden, wo er sich auf die Suche nach Torin Kelp machte.

Zu seinem Glück wuchs diese in Mengen in der Bucht und er sammelte ein Armvoll davon. Mit diesem schwamm er zurück zu der Höhle. Erneut hörte er eines dieser platschenden Geräusche und neugierig geworden drehte er sich auf den Rücken. So konnte er die Wasseroberfläche von unten sehen und trotzdem weiterschwimmen.

Zu seiner Überraschung sah er einen Menschen, der näher an der Oberfläche schwamm. Als der Mann ihn sah, riss er Augen und Mund auf. Aus seinem Mund blubberte seine Atemluft nach oben und Harry kicherte, bevor er ihm winkte und zwischen den Pflanzen verschwand. Von dort beobachtete er, wie der Mann zur Oberfläche schwamm und scheinbar nach Luft schnappte.

Harry hielt sich nicht länger auf, sondern schwamm zurück zu der Höhle und quetschte sich wieder hinein. Die fiependen Geräusche zeigten ihm, dass zumindest einige der Junglinge aufgewacht waren. Er schwamm näher zu seinem Bruder und sah zunächst über die Junglinge, die schon wach waren. Keiner von ihnen war verletzt, daher machte er sich daran sich um seinen Bruder zu kümmern.

Sein Bruder machte ein schmerzgefülltes Geräusch, als Harry ihn so drehte, dass er an die Wunde herankam. Er konnte die Abdrücke der einzelnen Zähne erkennen, die sich in das Fleisch von Victorian gebohrt hatten. Harry versuchte vorsichtig zu sein, als er jeden einzelnen Abdruck einzeln untersuchte, doch Victorian zuckte dennoch immer wieder und wimmerte vor Schmerz.

Die Junglinge wimmerten jedes Mal mit ihm und Harry hasste es. Es lenkte ihn ab und er brauchte deutlich länger als er gebraucht hätte, wären die Junglinge nicht da gewesen. Aber auch so konnte er sich überzeugen, dass die Wunden sich noch nicht entzündet hatten. Anschließend verband er die Wunde straff mit dem Kelp.

„Wird Tori-Mama wieder gesund?" Eine der jüngsten Junglinge klammerte sich an Harrys Arm. Über die Ansprache für Victorian war er nicht einmal verwirrt. So nannten die meisten Junglinge Victorian, daher war er es gewöhnt.

„Ich denke schon. Es sollte ihm innerhalb der nächsten Tage wieder gut gehen." Harry war sich da nicht so sicher, aber das konnte er den Junglingen definitiv nicht sagen. Sich um sie zu kümmern, würde schwer genug werden, auch ohne, dass sie Angst hatten, dass Victorian nicht mehr aufwachen würde.

Die Kleine warf sich an seine Brust und Harry drückte sie an sich. „Es ist gut. Er wird wieder. Ich bin mir sicher, dass er wieder wird. Es wird wieder." Er rieb ihr über den Rücken. Sie weinte und Harry hoffte, sie beruhigen zu können, bevor die anderen Junglinge ebenfalls begannen zu weinen. Junglinge hatten die Angewohnheit zu weinen, wenn ein anderer weinte.

Zu seiner Erleichterung, er hasste es Junglinge weinen zu sehen, beruhigte sie sich wieder. Dafür wurde er an der Fluke gezogen. Er zuckte und sah über seine Schulter. „Cosmo. Was gibt es denn? Bitte nicht ziehen. Und nicht beißen."

Der Jungling ließ seine Fluke los, die nur Centimeter von seinen kleinen, spitzen Zähnen gewesen war. Woher der Kleine glaubte, dass er das durfte, wusste Harry nicht und er wollte es eigentlich auch nicht wissen. Er wollte nur, dass der Jungling es ließ. „Ich habe Hunger. Hunger! Hunger!"

„Ist ja gut. Ich habe es auch beim ersten Mal verstanden."

„Ich hab auch Hunger!" stimmten nur auch andere Junglinge ein und bald hatte Harry einen kleinen Chor vor sich, die ihre Münder aufrissen, um ihm zu zeigen, wie hungrig sie waren.

„Ich habe es verstanden. Ihr Zwerge bleibt hier drinnen. Kein rausschauen, kein nur ganz kurz, kein ich gehe Harry suchen. Ihr bleibt hier drinnen! Habt ihr das alle verstanden?" Harry sah einen nach dem anderem nachdrücklich an, bis sie nickten. „Gut. Ich gehe jagen und komme dann wieder. Ihr schreit, wenn was ist. Aber nur, und wirklich nur, wenn ihr in Gefahr seid." Erneut bekam er gehorsames Nicken.

Trotz allem war er beunruhigt, aber er wusste, er musste darauf vertrauen, dass die Junglinge auf ihn hörten und in der Höhle blieben. Er selbst schwamm nach draußen und ließ sich von seiner Nase leiten. Zwischen den Pflanzen schwammen genug Fische, aber Harry wusste das es schwierig war die kleinen Fische zu fangen und er bräuchte eine Menge davon, nur um sich selbst satt zu bekommen, ganz zu schweigen die Junglinge.

Aber zwischen den Pflanzen brauchte er nicht lange zu suchen, ehe er einen größeren Fisch erblickte. Harry jagte ihm hinterher und hatte ihn nach wenigen Minuten in den Händen. Ein schneller Biss mit spitzen Zähnen ins Genick und der Fisch war Tod. Den Fisch in einer Hand machte sich Harry auf den Rückweg. Er wusste, der Fisch würde nicht einmal für alle Junglinge reichen, aber er wollte nach ihnen sehen und es würde zumindest den schlimmsten Hunger schon einmal stillen.

Zu seiner Erleichterung waren die Junglinge tatsächlich in der Höhle geblieben und umschwärmten ihn, sobald er wieder vollständig in der Höhle war. Cosmo schnappte nach der Schwanzflosse des Fisches und zerrte daran, doch Harry ließ ihn nicht los. Mit einem Rollen seiner Augen begann er den Fisch mit den Zähnen zu zerteilen und die einzelnen Teile an die Junglinge zu verteilen.

Cosmo verputzte seinen Teil des Fisches und verschluckte sich am letzten Happen. Harry klopfte ihm auf den Rücken und kaum hatte sich der Happen gelöst, da wirbelte Cosmo herum. „Hunger!" Er gestikulierte zu seinem weit geöffneten Mund.

„Das war mir klar. Ich gehe gleich nochmal jagen. Ich wollte nur nach euch schauen." Harry schubste ihn von sich und machte an dem Loch erneut Halt. „Die Regeln gelten immer noch. Du auch Cosmo."

Im freien Wasser machte er sich erneut auf die Jagd, bis ihn seine Instinkte beinahe anschrien sich zu verstecken. Seine Instinkte hatten ihn noch nie im Stich gelassen und er verbarg sich zwischen den Kelppflanzen, die von allen Seiten einen guten Schutz boten. Das platschende Geräusch kannte er nun schon und sah zur Wasseroberfläche, durch die erneut ein Mensch gebrochen war.

Dieser sah sich um, als würde er etwas suchen und Harry schob sich vorsichtig tiefer in den Kelp. Er wollte von diesem Menschen nicht gesehen werden. Wieso wusste er nicht, aber er vertraute auf seine Instinkte, die ihn zur Vorsicht riefen. Zu seiner Erleichterung schwamm der Mensch wieder zur Oberfläche und dann in Richtung des Strandes, wo das Wasser flacher wurde.

Erst als er den Menschen nicht mehr sehen konnte, schwamm er wieder weiter, ins tiefere Wasser. Hier hoffte er von den Menschen ungestört jagen zu können und möglichst schnell wieder zu der Höhle mit den Junglingen zurückzukehren.

Wolf und WalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt