Auf zur Jagd

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Ein scharfer Schmerz schoss durch Harrys Kopf und er schreckte vom sandigen Boden der Höhle auf. Verwirrt und noch halb schlafend sah er sich hektisch um. Seine Bewegung hatte einen der Junglinge von seinem Rücken geworfen. Nur die kleine Hand war noch immer in seinen Haaren verfangen und zerrte nun daran. Der scharfe Schmerz kam zurück und Harry bewegte sich instinktiv in die Richtung des Junglings, um dem Schmerz zu entgehen.

„Hunger. Ich habe Hunger." Der Jungling gestikulierte wild herum und wann immer seine Arme weit ausgestreckt waren, zog er an Harrys Haaren.

Der packte die Hand des Junglings, die noch immer in seinen Haaren verfangen war. „Ich habe dich gehört. Ich muss dich trotzdem erst aus meinen Haaren bekommen, ehe ich auch nur daran denken kann, jagen zu gehen." Geduldig wickelte Harry seine Haare von den Fingern des Junglings und löste die Knoten, die sie um die Hand festzurrten.

„Hunger. Hunger. Hunger." Der Jungling lies von Harry ab und wand sich stattdessen Victorian zu. Der schlief noch immer friedlich. Bevor Harry reagieren konnte, schlang sich ein starker Arm um den Jungling und hielt ihn von Victorian fern.

„Oh, nein. Du lässt ihn schlafen. Er ist noch immer verletzt und hat mit euch kleinen Monstern genug zu tun, wenn er wach ist. Ihr müsst ihm jetzt nicht auch noch den Schlaf rauben." Dacens tiefe Stimme ließ den Jungling in seinem Griff aufhören zu zappeln. Der kleine Junge ließ den Kopf hängen und maulte wortlos vor sich hin.

Harry konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er schwamm zu Dacen und nahm ihm den Jungling ab, der seine Fluke um Harrys Hüfte und seine Arme um Harrys Hals schlang. Das kleine Gesicht drückte sich in seinen Hals. „Du musst ihnen nicht solche Angst machen, Dacen. Sie hören auch so sehr gut."

Dacen zog eine Augenbraue hoch. „Auf euch vielleicht. Aber es ist nicht so, als wären sie um Rian herum vorsichtig genug." Er hob eine Hand und strich über Harrys Gesicht. „Du hast überall Sand. Hast du das Gesicht in den Sand gedrückt?" Unter seiner Hand lösten sich immer mehr Sandkörner von Harrys Gesicht und rieselten nach unten.

„Das passiert eben, wenn man auf sandigem Grund schläft, Dacen. Das solltest du gerade wissen. Als Tiefseejäger solltest du wissen, wo du Sachen so alles aufsammelst." lachte Harry und ließ den Jungling los, der sich noch immer an ihm festkrallte.

Dacen schüttelte den Kopf, ein amüsiertes Glitzern in den Augen. Hinter ihnen erklang ein Geräusch und beide drehten die Köpfe. Victorian setzte sich auf, strich sich durch die Haare und sah die beiden an. „Morgen."

Nun löste sich der Jungling von Harry, schwamm durch das Wasser und klammerte sich an Victorian. Der legte die Arme um ihn und sah über seinen Kopf die beiden älteren an. Bevor aber jemand etwas sagen konnte, da begann der Jungling schon wieder zu jammern, dass er Hunger hatte. Victorian strich ihm über den Rücken, bis er sich wieder beruhigte hatte.

„Geht ihr jagen? Wenn ja, dann bringt bitte noch Kelp mit. Ich denke, dass ich heute zumindest noch Verbände tragen sollte." Er sah an sich selbst herunter, der Verband vom Vortag noch immer um seine Fluke.

Dacen schwamm zu ihm hinüber, fasste ihn am Kinn und drehte sein Gesicht zu ihn. „Bitte, trag den Verband, bis es wirklich wieder okay ist. Ihr seid nicht mehr allein hier. Du hast alle Zeit, um zu heilen."

„Hey. Das habe ich ihm auch gesagt."

„Es ist immer besser, wenn mehr Leute da sind, die einem helfen können. Besonders, wenn man Junglinge beschützen und versorgen muss." erwiderte Dacen über seine Schulter zu Harry, ehe er sich wieder zu Victorian drehte. „Mach dir keine Sorgen. Wir bringen dir mit, was du brauchst. Pass du auf die kleinen Monster auf."

„Hey. Nenn die nicht immer so. Das si..." Sein Satz wurde von Dacens Lippen auf seinen abgeschnitten. Sie küssten sich, ehe Victorian den Kuss brach. Kopfschüttelnd lächelte er und drückte Dacen dann einen Kuss unters Kinn. „Geh jagen."

Dacen lachte laut und zwängte sich durch den Höhleneingang. Für Harry und Victorian war es schon eng, aber Dacen musste wirklich aufpassen, um die filigranen Schmuckfinnen nicht zu beschädigen und sich nicht in die Fluke zu schneiden. Auch wenn es Victorian vermutlich egal wäre, wenn sein Partner ein paar kleine Verletzungen hätte. Aber der Stolz eines Dominanten würde es vermutlich dennoch nicht zulassen.

Harry folgte ihm und überließ ihm die Führung in der Jagd. Dacen führte ihn ins tiefere Wasser, wo man größere Fische fangen konnte. Aber sie waren oft auf schwieriger zu finden und man konnte in Gefahr geraten, dass größere Jäger ebenfalls dieser Beute nachjagten und einen selbst dann als Beute ansahen. Orcas, große Haie, alles in die Richtung. Allein war es keine gute Idee, auf so eine Jagd zu gehen. Selbst zu zweit war es nicht unbedingt einfach, aber Dacen war ein exzellenter Jäger und Harry selbst hatte genug Erfahrung.

„Wie war es, allein eine ganze Gruppe versorgen zu müssen?" Dacen drehte den Kopf zu ihm, mitten während des Schwimmens.

Überrascht vergass Harry zu schwimmen und sank etwas ab, ehe er wieder zu Dacen aufschloss. „Das versorgen war nicht das Problem. Jagen war einfach. Aber ich hatte immer Angst, dass die Junglinge aus der Höhle abhauen würden oder irgendwas eindringen würde. Ich konnte mich kaum konzentrieren."

„Eine unkonzentrierte Jagd kann gefährlich sein."

„Ach was. Ich hab die Bucht nicht verlassen. Ich bin kein Dominanter, der sich allein auf eine Freiwasserjagd traut. Aber man kann eine Gruppe auch mit kleineren Fischen versorgen. Es muss nicht unbedingt Lachs sein."

Lachs war, was sie jagen würden. Harrys konnte es bereits sehen. Ein Lachsschwarm. Es war kein großer, aber es war auch eine Beute, die Orcas in der Region jagten. Sie würden aufpassen müssen, dass sie nicht in die Quere der größeren, gefährlicheren Jäger kommen würden. Hier draußen im freien Wasser würden sie keine Chance haben zu überleben.

Harry ballte die Fäuste, folgte Dacen dann aber.

Wolf und WalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt