Marine und Schifffahrtsmuseum

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Harry sah staunend aus dem Busfenster. Es war das erste Mal, dass er auf einem Ausflug der Vorschulgruppe dabei war. Allein seiner neuen Lehrerin hatte er das zu verdanken, wie Harry nur zu gut wusste. Seine Tante und sein Onkel hatten ihn nicht mitgehen lassen wollen und auf den Zettel geschrieben, dass sie nicht so viel Geld für ihn ausgeben wollten und die Waisenhilfe dafür nicht reichte.

Seine Lehrerin hatte das nicht durchgehen lassen. Sie hatte ihnen einen Brief geschrieben, dass sie entweder auch für Harry zahlten oder das Dudley auch nicht mitfahren würde. Dudley hatte einen Wutanfall gehabt, dass er nicht mitfahren durfte. Also hatten sein Onkel und seine Tante auch für ihn gezahlt und nun saß Harry neben seiner Lehrerin im Bus.

Die anderen Schüler saßen hinten im Bus, aber niemand wollte neben ihm sitzen, weil sie Angst vor Dudley und seinen Freunden hatten. Die neue Lehrerin hatte begonnen die Gruppe zu bestrafen und ihren Eltern zu schreiben, dass sie die anderen Schüler mobbten, doch die meisten wollten davon nichts hören.

Ganz ähnlich sah es dann auch damit aus, dass Dudley eigentlich zu dumm für die Schule war. Die Lehrerin hatte mit seinem Onkel und seiner Tante gesprochen, dass Dudley noch ein Jahr in der Vorschule brauchte und sein Temperament ändern müsste, doch davon wollten die nichts hören. Ihr Dudley war ein kluger Junge und wenn sie das nicht erkennen würde, dann sei sie eine schlechte Lehrerin.

Der Bus hielt und Harry klebte förmlich an der Scheibe. Hinter dem Parkplatz und der Begrenzung durch Büsche und der dahinter liegenden Wiese war die Absperrung der Klippen. Durch diese konnte Harry das Meer sehen. Zum ersten Mal in seinem Leben konnte er das Meer sehen. Etwas fesselte ihn beim Anblick des endlos erscheinenden blauen Wassers. Als würde etwas nach ihm rufen und nicht akzeptieren, dass er auch noch woanders hinschaute.

Seine Lehrerin stand auf und stieß dabei leicht an Harry, sodass dieser aus seinem Starren gerissen wurde und wie alle anderen zu ihr schaute. Nur Dudley und seine Freunde brauchten wieder einmal eine Extraeinladung. Die bekamen sie auch und die Lehrerin wartete geduldig, bis alle still waren und sie ansahen. Dudley schien nicht zu wollen, doch die bösen Blicke von immer mehr der anderen Schüler brachten ihn dann doch auch zum Schweigen.

„Wir steigen jetzt aus dem Bus und gehen in Zweierreihen in das Museum. Dort treffen wir unseren Führer. Ihr werdet ihm zuhören und euch benehmen. Im Anschluss dürft ihr in kleinen Gruppen durch das Museum gehen, seid aber um vier wieder am Eingang. Wir haben ja gelernt, wie man die Uhr liest." Damit ließ sie den Busfahrer die Tür öffnen und stieg aus.

Harry griff nach seinem verschlissenen Rucksack und folgte ihr schnell, denn in ihrer Nähe traute sich niemand ihm etwas zu tun. Der andere Lehrer, der mit auf dem Ausflug war, war einer von jenen, die immer wegschauten, wenn es um Harry ging. Sein Onkel hatte klar gemacht, dass es ihn nicht interessierte, wenn Dudley Harry mobbte und dass Harry immer schuld daran war.

Im Eingangsbereich des Museums wartete bereits ein Mann auf sie. Er sprach kurz mit der Lehrerin, dann reichte er jedem der Schüler eine Eintrittskarte und zeigte ihnen, wie sie damit durch die elektronische Drehtür kamen. „Diese Eintrittskarten sind wichtig. Es gibt ein paar solcher Türen und für die braucht ihr die Karten." Harry verstaute seine in dem Rucksack und sah sich um.

An den Wänden hingen große Schaubilder mit allen möglichen Meerestieren und verschiedenen Dingen über das Meer. Harry liebte die große Zeichnung eines Wals und ging näher heran, bis er eine Hand auf der Schulter spürte. Reflexartig zuckte er zusammen, doch dann registrierte er, wie schmal und sanft die Hand war. „Du kannst es später genauer ansehen. Komm, die Führung beginnt gleich." Harry nickte und folgte seiner Lehrerin zurück zur Gruppe.

„Willkommen im marine und Schifffahrtsmuseum. Hier beschäftigen wir uns mit dem größten Teil unseres Planeten, denn dieser ist zum Großteil mit Wasser bedeckt. Um genau zu sein sind es etwa zwei Drittel der Erdoberfläche. Davon sind über 95% Salzwasser, also nicht trinkbar. Das sind die Ozeane und Meere unseres Planeten.

Salzwasser ist für Menschen giftig, da es dafür sorgt, dass man Wasser verliert. Der Körper kann das überschüssige Salz nicht loswerden ohne körpereigenes Wasser dazuzugeben. Also, egal wie durstig ihr seid, trinkt niemals Meerwasser. Das macht es nur noch schlimmer.

Obwohl das Meer den Menschen nicht als Trinkwasser dienen kann, war es schon immer wichtig für Menschen. Es gibt Hinweise, dass die Menschen schon immer am Meer lebten und sich von Meerestieren ernährten. Das sind Fische, Krebse und Muscheln. Das Meer ist ein gigantisches, zum großen Teil noch unerforschtes Gebiet. Es wird geschätzt, dass wir 90% der Wesen, die im Meer leben, nicht einmal kennen."

Die Klasse folgte ihm durch die Ausstellung und hörte sich seinen Vortrag an, auch wenn der recht kompliziert für Vorschüler war. Harry verstand nicht alles, aber er liebte die Bilder der Ausstellung, die viele Meerestiere zeigten. An dem Teil der Schifffahrt war er bei weitem nicht so interessiert. Als sie die Führung beendeten klebte er förmlich an den großen Aquarien und beobachtete die Tiere und Pflanzen darinnen.

Als er noch einmal alle davon genau angesehen hatte, sah er sich in dem großen Raum um und stellte fest, dass er als einziger noch in diesem Raum war. Suchend sah er sich um und entdeckte eine Uhr über einer der Türen. Diese zeigte ihm, dass er noch genug Zeit hatte. Dennoch folgte er der Beschilderung in Richtung Ausgang, die ihnen die Lehrerin gezeigt hatte. Dabei sah er sich in jedem der Räume genau um.

Als er in den Ausgangsraum trat, sah er eine Lotterie, bei dem mehrere Personen standen, darunter auch einige seiner Mitschüler. Harry stockte, doch bei einer näheren Beobachtung merkte er, dass Dudley und seine Leute kein Teil der Gruppe waren. Also ging er vorsichtig doch näher heran.

„Ihr dürft alle einmal an dem Rad drehen, bis eine Kugel herausfällt, die uns dann zeigt, was ihr gewonnen habt. Ihr müsst mir nur eure Karte geben, damit ich sie entwerten kann." Seine Klassenkameraden stellten sich in einer Reihe auf und auch Harry stellte sich an.

Der Mann ließ sie alle drehen und riss dann ein Stück von ihrer Eintrittskarte ab, um so die Karte zu entwerten. Seine Klassenkameraden bekamen kleine Kuscheltiere oder Schlüsselanhänger, ein Mädchen, Marie, auch einen schönen Kugelschreiber.

Dann war Harry an der Reihe. „Deine Karte bitte." Harry gab dem Mann mit dem freundlichen Lächeln die Karte und griff nach der Kurbel des Gefäßes, aus dem dann eine kleine Kugel kommen würde. Er drehte und eine einzelne Kugel fiel in die Schüssel darunter. Im Gegensatz zu denen seiner Klassenkameraden war die Kugel nicht knallgelb oder rot oder sogar orange, sondern in einem blau, das ihn an das Meer draußen erinnerte.

Er zuckte zusammen, als der Mann begann eine Glocke zu läuten. „Wir haben den Gewinner des Sonderpreises. Eine Familienreise mit der AtlantisDream. Wie ist dein Name?"

„Harry Potter." Harry zog den Kopf ein, doch der Mann zog ihn in die Mitte der Gruppe von Leuten und reichte ihm die Kugel.

„Lächle für das Siegerfoto." Bei dem plötzlichen Blitz des Fotoapparats musste Harry blinzeln.

Er verstand noch immer nicht, was um ihn herum gerade passierte. Der Mann sprach mit seiner Lehrerin und diese füllte ein Papier für ihn aus, ehe sie ihn anlächelte und ihn beglückwünschte. Auch seine Mitschüler gratulierten ihm und Harry wusste noch immer nicht ganz, was gerade passierte. Er hoffte nur, dass sein Onkel und seine Tante nicht wütend wären.

Wolf und WalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt