Kapitel 8

275 24 8
                                    

[PoV Oikawa by Unspoken]

Zum ersten Mal seit meinem Karrierebeginn fiel es mir schwer, meine Wohnung zu verlassen und in das Auto zu steigen, das mich täglich zur Agentur brachte.

Warm und sicher war mir mein Apartment mit all den Erinnerungen der letzten Nacht vorgekommen und es hatte sich noch nie so sehr nach Zuhause angefühlt wie an diesem Morgen.

Zu gerne wäre ich noch etwas länger geblieben und hätte mich an die schönen Momente mit Iwaizumi, die sich wie ein Traum anfühlte, geklammert.

Es fiel mir schwer wieder in die Realität zurückzukehren, während ich auf der Rückbank der Limousine saß und dabei zusah, wie die Stadt und ihre Bewohner an mir vorbei zogen und wir uns dem Agenturgebäude näherten.

Ich war noch nicht bereit dazu, ins Rampenlicht zurückzukehren und meine Rolle in der Gruppe einzunehmen. Viel lieber würde ich dem warmen Gefühl in meiner Brust nachgeben, das Iwaizumi in mir hervor lockte, bis es mich von Kopf bis Fuß ausfüllte und mir das Gefühl gab zu schweben.

Allein der Gedanke an ihn reichte aus, um meinen Puls zu beschleunigen und die Tatsache, dass ich seit Waka-chan nicht mehr so schlimmes Herzklopfen hatte, stimmte mich euphorisch, während es mir auch gleichzeitig Angst machte.

Angespannt drängte ich die Furcht zur Seite, denn ich wollte ihr noch keinen Raum lassen und über all die unangenehmen Fragen nachdenken, die leise in meinem Kopf herum schwirrten. Stattdessen hielt ich mich mit aller Kraft an dem Glücksgefühl fest, das wie ein warmes Glühen in meiner Brust saß.

Der Wagen hielt an und ich klemmte mir die braune Bäckertüte mit dem Milchbrot, die ich aus meiner Wohnung mitgenommen hatte, unter den Arm und stieg aus. Wie immer betrat ich die Agentur, durch die Tiefgarage, um wartende Fans, sowie die Presse zu um gehen.

Behutsam drückte ich die Tüte fester an meine Brust. Sie war ein Indiz für die letzte Nacht, ein greifbarer Beweis, dass das alles wirklich passiert und nicht ein Resultat meiner Fantasie war.

Und während mein Kopf langsam in den Alltag zurückkehrte, blieb mein Herz beim gestrigen Abend stehen, wo nur wir beide existierten. Weit weg von Pflichten und Aufgaben, die ich zu erfüllen hatte und der Rolle, die ich für meine Fans und die Agentur spielen musste. In seinen Armen konnte ich ich Selbst sein und das war ein unglaublich schönes Gefühl.

Meine Schritte klangen laut in der stillen Umgebung, als ich auf den Aufzug zulief, der bereits auf mich wartete und mich in den vierten Stock brachte. Die Türen öffneten sich mit einem leisen Surren und ich ging geradewegs zu meiner Garderobe.

Mit jedem Schritt stieg mir der verführerische Duft des Brotes in die Nase. Die Erinnerung an Iwaizumis leicht gerötete Wangen, als er es mir überreichte, ließ mich schmunzeln und verstärkte das warme Glühen in meiner Brust.

Zwar bekam ich täglich Geschenke von Fans oder Sponsoren, doch das hier fühlte sich so ganz anders an. Er hatte sich nichts erhofft, als er es für mich gekauft hatte, während die anderen immer eine gewisse Erwartung dabei hatten. Iwaizumi war anders, denn er wollte mich. Nicht meinen Status oder mein Geld, sondern nur mich.

Eine warme Welle durchlief mich und ich konnte ein Lächeln nicht länger zurückhalten.

„Na da hat aber jemand gute Laune", sagte plötzlich jemand neben mir und ich hätte vor Schreck beinahe die Tüte fallen gelassen.

Semi stand mit einem Grinsen neben mir. „Wer oder was lässt dich am frühen Morgen so lächeln?", neckte er mich und schlang seinen Arm um meine Schulter. Überfordert, was ich ihm antworten sollte, hielt ich für einen Moment den Atem an.

Zu gerne hätte ich ihm von Iwaizumi und mir erzählt. Semi war schließlich wie ein Bruder für mich und wir teilten eigentlich alles miteinander. Aber ich hatte mit Iwaizumi noch nicht darüber gesprochen und wusste selbst gar nicht, wie wir zurzeit zueinander standen.

War es eine einmalige Sache? Wollte er etwas Ernstes? War er sich über die Konsequenzen bewusst, die er damit einging, sollte unsere Verbindung auffliegen?

Es gab so vieles, worüber wir noch sprechen mussten. Nervös drückte ich die Tüte an meine Brust und als könnte Semi meinen inneren Konflikt spüren, zog er mich etwas enger an sich.

„Egal was es ist", sagte er leise und mit einem warmen Lächeln auf den Lippen. „Halt daran fest. Es ist schön, dein altes Lächeln zu sehen." Erleichtert grinste ich ihn an, denn ich wusste, dass er mich nicht mit Fragen bedrängen würde.

Und wenn die Zeit reif war, würde ich ihm alles erzählen. So wie wir es immer machten.

„Danke, Semi", flüsterte ich und schlang meinen Arm um seine Körpermitte. Er drückte mir verständnisvoll einen Kuss auf die Schläfe.

„Wir sehen uns später beim Shooting", sagte er und ließ mich los, als wir vor meiner Garderobe zum Stehen kamen. Ich nickte, zog die Tür auf und war froh, dass der Raum leer war. Ich brauchte Zeit meine Gedanken zu sortieren, bevor ich Aoki und dem Rest gegenüber treten konnte.

Kaum hatte sich die Tür hinter mir geschlossen, traf mich die Wucht der Realität wie eine Dampfwalze. Alle Fragen, die ich verdrängt hatte, stürmten plötzlich auf mich ein und machten meine Brust eng und schmal.

Mit zittrigen Knien setzte ich mich auf das kleine Sofa, das in einer Ecke stand, legte die Tüte beiseite und zwang mich dazu, ruhig zu atmen. Ich hatte den Eindruck etwas zu verlieren, etwas das gar nicht mir gehörte, dass mir aber so ein gutes Gefühl gab, dass ich mich mit aller Kraft daran festhalten wollte.

Ein leises Klopfen an der Tür ließ mich zusammenfahren und dennoch machte mein Herz einen Satz und ich ertappte mich dabei, dass ich hoffte, dass es mein Bodyguard war.

Denn nur er konnte die quälenden Fragen in meinem Kopf zum schweigen bringen. Umso größer war die Enttäuschung, als Yumi, die Sekretärin meines Managers, die Tür aufzog und ihren Kopf hinein steckte.

„Da bist du ja", sagte sie und trat ganz ein. „Guten Morgen Yumi-chan", begrüßte ich sie und schob das Milchbrot unauffällig hinter ein Kissen. Aus irgendeinem Grund wollte ich nicht, dass sie es sah. „Herr Matsukawa möchte dich unverzüglich sprechen", sagte sie und deutete mir an, ihr zu folgen.

"Hat er gesagt wieso?", hakte ich nach und stand mit weichen Knien auf. Dass Matsukawa mich sehen wollte, machte mich nervös, doch wie immer versteckte ich meine wahren Emotionen hinter einem falschen Lächeln.

Yumi schüttelte den Kopf und hielt mir die Tür auf. Ich trat in den Flur und wäre im nächsten Moment beinahe mit Iwaizumi zusammengestoßen.

Wir sahen uns für wenige Sekunden in die Augen, doch der kurze Moment reichte aus, um das nervöse Kribbeln in meinem Bauch zu verschlimmern.

Irgendwas war im Busch.

Iwaizumi machte den Mund auf, um etwas zu sagen, doch da trat Yumi hinter mir heraus.

„Wir haben es eilig", unterbrach sie ihn. Unsicher blieb ich noch einen Moment stehen und wünschte mir, ich könnte mich in seine Arme werfen, mein Gesicht an seiner breiten Brust vergraben und mich vergewissern, dass zwischen uns alles okay war.

„Oikawa, komm bitte", rief Yumi mir gehetzt zu und mit einem letzten Blick in Iwaizumis besorgten grauen Augen folgte ich ihr wortlos.

***

[Fortsetzung folgt am 23.12.2022...]

Beyond the LightsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt