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Barnes sieht mir lange schweigend zu, wie ich Wort für Wort auseinandernehme, analysiere und interpretiere. Es ist mühsam einen Zuschauer zu haben, doch irgendwann gewöhne ich mich an sein starren. 
"Was ist vorhin passiert?", will er dann vorsichtig wissen. Ich halte mit meinen Gedanken inne und erstarre kurz, jedoch ohne mich anzuspannen. 
"Ich hatte ein Flashback. Nichts dramatisches", wehre ich leise ab und widme mich wieder der Botschaft. 
"Was für eines? Du warst ziemlich aus dem Häuschen", erinnert Barnes sich beinahe tonlos. Ich seufze und stosse den PC etwas von mir weg. Er lässt mich eh nicht in Ruhe.
"Meine Eltern wurden erschossen, als ich sechs Jahre alt war. Manchmal gibt es noch Auslöser, die mich dahin zurückversetzen", erkläre ich brummend. Barnes schluckt und sieht mich traurig an.
"Musstest du zusehen?", will er dann schüchtern wissen. Ich nicke bedrückt.
"Das tut mir leid", flüstert Barnes mit erstickter Stimme. Ich sehe zu ihm und versuche ihn abzuschätzen. Weiss er, dass er es war?
"Was tut dir leid?", frage ich deshalb nach. Erinnert er sich daran? Würde er seine Entschuldigungsserie fortsetzen und mich zu seiner Wiedergutmachungsliste hinzufügen?
"Dass du das als so junges Kind mitansehen musstest. Wusstest du, wer es war?", enttäuscht er mich jedoch. Ich schlucke und sehe ihn deprimiert an.
"Ja", antworte ich ihm zitternd. Er erinnert sich nicht. Oder er erkennt mich nicht mehr. Oder aber es ist ihm einfach egal. Ich bin ihm egal.
"Wurde er verhaftet?", fragt Barnes weiter. Ich schüttle den Kopf und konzentriere mich wieder auf den Text. Jetzt gerade kann ich ihn sehr gut verstehen. Die Wut, mit welcher er geschrieben wurde, das Gefühl vergessen gegangen zu sein. Keine Gerechtigkeit zu erhalten. 
"Das tut mir wirklich leid", wiederholt Barnes sich. Ich schnaube und beschliesse mich nicht mehr weiter um ihn zu kümmern.
"Denk lieber nach, wer das sein könnte. Jemand bei dem du dich noch nicht entschuldigt hast vielleicht?", zische ich ihn sauer an. Barnes sieht mich leicht schockiert an, doch ich wende mich wieder ab. 

"Okay, was das Vorstrafenregister angeht und die Tatsache, dass der Mann eine nahe Person durch den Winter Soldier verlor, haben wir zehn verdächtige", verkündet Wilson, als er mit Mai zurückkehrt. 
"Befragen wir jeden einzelnen", schlägt Wilson beinahe motiviert vor. Aber niemand hier will sich wirklich die Zeit nehmen und zehn Verdächtige befragen, wenn jederzeit eine weitere Bank hochgejagt werden könnte. 
"Wird sicher lustig", stimme ich locker zu und stehe auf. Barnes, welcher sich aus welchem Grund auch immer hinter mich gestellt hat, weicht mir aus. Ich schicke ihm nur verwirrte Blicke zu und lehne mich an den Tisch. 
"Asuka, ist es für dich okay, wenn du mit Bucky mitgehst? Sam und ich übernehmen die andere Hälfte", erklärt Mai mir vorsichtig. Ich sehe sie scharf an, nicke dann aber nachgebend. Sie war meine Mentorin. Und auch heute noch ist sie über mich gestellt. 
Ich winke Barnes zu und wir verlassen den Raum und gehen zu den Aufzügen. Barnes folgt mir nervös und spielt durchgehend mit seinen Händen. 
"Bist du sicher, dass es eine gute Idee ist, wenn ich mit ihnen spreche? Gerade wenn wir jemanden suchen, der eine solch massive Wut auf mich hat?", fragt er als reinstes Nervenbündel nach. Ich verdrehe die Augen und sehe ihn unbeeindruckt an, während ich in den Aufzug steige.
"Wenn wir wirklich auf den Täter treffen sollten, wirst du ihn enttarnen können. Denn auf dich wird er auf jeden Fall reagieren", kläre ich ihn über Mais Plan auf. Deshalb hatte sie auch Wilson und ihn getrennt. Es ist weltweit bekannt, dass sie zusammenarbeiten. Sollten wir den Täter also antreffen wird er zu hundert Prozent reagieren. 
"Okay", gibt Barnes flüstern nach, während der Fahrstuhl sich nach unten bewegt. Er ist nicht viel beruhigter als vorhin, aber sein Gespiele mit den Händen hat etwas nachgelassen. 
"Wer ist die erste Person?", erkundigt er sich dann, als wir aussteigen. Ich öffne auf meinem Handy die Liste, welche Mai mir geschickt hat.
"Henry Dugan. Hm, Enkel von Timothy Dugan, mit dem hast du doch mal zusammengearbeitet, oder?", informiere ich ihn. Barnes spannt sich neben mir an und bleibt stehen. 
"Dum Dum", wispert er. Seine Augen weiten sich und er scheint in die Ferne zu gleiten. Ich spanne meinen Kiefer an, ehe ich seinen Namen nenne, um ihn zurückzuholen. Barnes blinzelt und sieht überrascht zu mir, als hätte er mich vergessen.
Hat er ja auch. Ich sehe ihn nur wenig lieb an, was ihn zurückweichen lässt.
"Bereit Henry zu treffen?", bemerke ich trocken. Barnes nickt verunsichert und ich drehe mich zu dem SUV um. Ich setze mich hinters Steuer, während Barnes sich auf den Beifahrer setzt. 

Vor der Haustür von Henry Dugan auf der Terrasse klopfe ich nach einem Prüfenden Blick zu Barnes an die Tür. Erst passiert nichts, doch dann öffnet sie sich. 
Ein junger Mann, vielleicht Mitte Zwanzig, mit blonden Haaren und braunen Augen steht vor uns. Er sieht nur mich an, ich bin mir nicht einmal sicher, ob er Barnes bemerkt hat.
"Ich gebe keine Auskunft über Timothy Dugan. Wenn Sie etwas über ihn wissen wollen, gehen Sie in Museum", zischt er genervt. Ich halte seinem Blick stand und hole meinen Dienstausweis hervor.
"Asuka Gaara, Kunoichi, Geheimdienst von Japan. Es geht um die Überfälle auf die Banken. Dürfen wir reinkommen?", erkläre ich ihm knapp, ohne auf seine vorherigen Worte einzugehen. 
Jetzt erst scheint er Barnes zu bemerken und sofort spannt er sich merklich an. Genauso wie Barnes, welcher nervös auf der Stelle herumtritt. Doch Henry nickt und tritt zur Seite. Ich lächle ihn dankbar an und trete ein. Barnes folgt mir eilig.
Im Wohnzimmer setze ich mich auf die Couch und sehe mich gespannt um. Die Wohnung ist gemütlich eingerichtet, hier und da hängen Bilder von Henry und einer mir fremden Frau. 
In einer Vitrine neben dem Esstisch befinden sich Fotos und andere Erinnerungsstücke von Timothy Dugan. Unter anderem eine Auszeichnungsmarke. 
"Sie ehren Ihren Grossvater", bemerke ich, während ich zurück zu Henry blicke. Er nickt knapp und sieht immer wieder harsch zu Barnes. 
"Ja, ich liebte ihn. Er war für mich wie ein Ersatzvater, nachdem der Winter Soldier mir meinen leiblichen Vater genommen hat", erklärt er zischend in Barnes' Richtung. Ich nicke verstehend, während mein Partner versucht sich weiter zurückzuziehen. 
"Ich habe meinen Vater auch sehr früh verloren. Ich kann also nachvollziehen, wie es für Sie sein muss", bekenne ich mein Mitleid. Henry schnaubt nur und lehnt sich in seinem eigenen Sessel zurück. 
"Also, was kann ich für Sie tun? Glauben Sie, dass ich hinter diesen Anschlägen stecke?", kommt er auf das eigentliche Thema zu sprechen. Ich lächle beruhigend und schüttle den Kopf.
"Machen Sie sich keine Sorgen, wir verdächtigen Sie nicht. Aber wir haben Hinweise gefunden, dass es jemand sein könnte, der durch den Winter Soldier einen Verlust ertragen musste. Können Sie uns irgendwie weiterhelfen?", erkläre ich vorsichtig. 
Henry denkt nach und ich sehe zurück zu der Vitrine. Timothy steht auf einem Foto stolz mit den anderen Männern des Howling Commandos in einer Reihe und posiert im Wald. Als einen der Männer kann ich sogar Barnes erkennen. Er sieht auf dem Bild viel jünger aus und auch glücklicher. Es ist klar, dass er zu dieser Zeit noch nicht sehr viel Leid durchmachen musste.
"Es tut mir leid, aber mir fällt niemand ein", durchbricht Henry meine Gedanken und ich sehe zurück zu ihm. 
"Haben Sie vielleicht eine Selbsthilfegruppe oder so, in der wir uns noch umhören könnten? Es stehen so viele Menschenleben auf dem Spiel", erkläre ich bedrückt. Doch Henry schnaubt nur und sieht spottend zu Barnes.
"Ja, es gibt welche. Und auch bei dem Winter Soldier mussten viele Menschen ihr Leben lassen", knurrt er sauer. Ich seufze und mache mir nicht einmal die Mühe nach Barnes zu sehen. 
"Okay, danke trotzdem", unterbreche ich und stehe auf. Barnes folgt mir eilig, bleibt aber nochmals stehen.
"Lebt Timothy noch?", will er dann vorsichtig wissen. Die Sehnsucht in seiner Stimme durchschneidet einem fast das Herz. Henry sieht ihn missgelaunt an und schürzt die Lippen.
"Nein, er starb ein paar Jahre bevor Hydra aufgedeckt und die Identität des Winter Soldiers bekannt wurde", widerspricht er dann schnippisch. 
"Sie könne froh sein, dass ihr ehemaliger Freund nicht herausfinden musste, dass Sie seinen Sohn ermordet haben", fügt er bellend hinzu. Barnes Körperhaltung bricht in sich zusammen und ich trete dazwischen: "Das war alles, vielen Dank für Ihre Zeit."
Damit ziehe ich Barnes hinter mir aus dem Haus und schleife ihn ins Auto. Kaum habe ich ihn auf den Beifahrersitz gesetzt gehe ich um das Auto und steige selber ein.
Wortlos fahre ich an.

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Es tut mir leid, dass das Kapitel erst heute kommt!
Ich hatte gestern einen anstrengenden Tag und bin wirklich sehr früh ins Bett gegangen ^^'

Ich hoffe ihr verzeiht mir und freut euch über das Kapitel.

Bis bald und liebe Grüsse <3

Die Kunoichi ~ Bucky Barnes FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt