„Ist das mein Hemd?", erkundigte sich Geralt, als er zusah, wie Jaskier in ein ihm sehr vertrautes dunkles Oberteil schlüpfte, welches dem, welches er gesucht hatte, verblüffend ähnlich sah.
„Du meinst unser Hemd", erklärte Jaskier und knöpfte es langsam zu. Langsam sahen die Wunden besser aus. Der tiefe Kratzer, der sich von seiner Wange bis zu seinem Schlüsselbein zog, war zwar noch wund und empfindlich, mehr als eine feine Narbe würde jedoch nicht zurückbleiben. Yennefer hatte ganze Arbeit geleistet. Die ersten Sonnenstrahlen des Tages fielen zum Fenster herein und ließen Jaskiers noch feuchtes Haar glitzern.
Noch vor Sonnenaufgang waren die beiden Männer erwacht und hatten ein Bad genommen, welches, mehr als nötig gewesen war. Allmählich kleideten sie sich nun an und stellten sich dem anbrechenden Tag.
„Ich werde nachher im Dorf nach Aufträgen fragen", meinte Geralt, entknotete mit geschickten Fingern ein Haarband, um seine Haare in einen Pferdeschwanz zu binden.
„Könnte ich dich begleiten?", fragte Jaskier, „Vielleicht bekommt man etwas von den Feierlichkeiten zu Gesicht."
Das anstehende Frühlingsfest, auf das die kleine Gemeinde sich vorbereitete, hatte Geralt schon wieder vergessen, doch natürlich zog es Jaskier als Barden dorthin. Vor wenigen Wochen hatte er nicht einmal aufrecht stehen, geschweige eine Menschenseele sehen wollen und inzwischen waren sie hier. Ein erstaunlicher Fortschritt.
„Ich bitte darum", erwiderte Geralt und legte sein Medaillon an. Das schlechte Gewissen schlug ihm direkt die Klauen in die Seite, denn er war heute Morgen gezwungen gewesen, den Wolfskopf in ein Handtuch zu wickeln, da dieser nicht aufgehört hatte zu zittern in Jaskiers Gegenwart. Selbst jetzt vibrierte der Anhänger noch sanft, dabei war die Stimmung des Barden den Morgen hindurch über durchgehend, teils sogar optimistisch gewesen.
„Kurz statte ich aber noch Coleté und Gwendolyn einen Besuch ab", erklärte er, „Sie haben gestern Abend ganz wunderbare Singstimmen bewiesen"
Geralt lächelte.
„Du schenkst diesen Menschen etwas ganz Besonderes", gestand er und verlegen senkte Jaskier den Blick.
„In Nilfgaard gab es keine Musik", erwiderte er leise, „Ich kann mich nicht an viel erinnern, aber daran mit Sicherheit. Und letztendlich teilten wir in den Zellen ja ein ähnliches Schicksal."
Eiskalt wurde es dem Hexer. Nur Yennefers ermahnende Worte brannten in ihm. Ihm würde unmittelbar flau.
„Jask, woran erinnerst du dich genau?", begann Geralt zaghaft, nicht sicher, ob der Jüngere überhaupt über die schrecklichen Erlebnisse sprechen wollte.
Abrupt hielt dieser inne und ließ die Hände, mit denen er das Hemd noch zurechtgezupft hatte, sinken. Sein Puls beschleunigte sich und der Geruch von Angst mischte sich in der feuchtwarmen Luft mit dem Duft von Lavendel.
„Bruchstückhaft", erklärte er fahrig, „Zunächst haben sie mich nach Ciri gefragt und nach dir"
Geralts anfängliche Vermutung war also nicht komplett falsch gewesen. Nur wie war es dazu gekommen, dass sie ein so wertvolles Objekt mit derartig vielen Informationen den Experimenten aussetzten? Die Logik hinter diesem Schachzug erkannte er nicht.
„Irgendwann bin ich in einer anderen Zelle aufgewacht", fuhr Jaskier fort, die Stirn in Falten gelegt, „Ab da hab ich mich anders gefühlt."
„Anders?", fragte Geralt, der glaubte die Antwort zu kennen.
„Getrennt von mir selbst", erwiderte Jaskier und sah auf seine Hände, „Etwas in mir stimmte nicht. Wie ein Ungleichgewicht, wie ein .. ein Chaos"
Geralts Körper war schwer wie Blei als ihre Blicke sich trafen. Wie sollte er erklären, dass Jaskier wortwörtlich das Chaos in sich trug? Ein mächtiges, riesiges Chaos, stärker und unkontrollierbarer als ein Waldbrand. Magie, die auf seinen Körper und Geist wirkte und der Grund war, warum er sich derartig verloren und eigenartig fühlte.
DU LIEST GERADE
Beyond Blue Eyes - The Witcher Story
FanfictionDie Wochen zogen ins Land. Ciri hatte sich eingelebt, ihr Training hatte begonnen. Geralt beschloss Kaer Morhen zu verlassen und seinen Barden noch Einbruch des Winters zu finden, doch blieb Jaskier unauffindbar. Yennefer unterbricht seine Suche und...