Stroh flog umher, segelte geräuschlos zu Boden. Noch einmal holte Geralt aus und traf mit geschlossenen Augen direkt in die Brust, dorthin wo sich das Herz befand.
Nur hatte diese improvisierte Puppe für das Training keines und auch wenn der Hexer es nicht zugeben wollte, beneidete er sie darum.
Heftiger als nötig riss er die Klinge wieder aus dem knirschenden Stroh. Ein Teil der Füllung von den zusammengestopften Leinensäcken bedeckte bereits das Gras unter seinen Sohlen.
Mit schiefem Kopf und halb abgetrennten Gliedern wankte die Puppe leicht im Wind, welcher über das Gras fegte, ihm das Haar zerzauste. Einige kühle Tropfen benetzten seine warme Haut. Es war ein kalter, windiger Morgen der aufmerksamkeitsheischend graue Wolken über den Himmel jagte und mit kräftigen Böen an den Spitzen der Bäume riss.
Verzweifelt hatte Geralt gehofft, dass die Brise seinen Kopf klären würde, stattdessen tanzten die Gedanken einen ebenso ruhelosen Tanz wie die Halme des Strohs, die dem Wind nichts entgegenzusetzen hatten.
Gezielt hob er die Klinge über den Kopf und ließ sie hinabsausen. Sie zerschnitt die Luft und trennte die Puppe in der Mitte hindurch. Am Ende geschlagen fiel sie dumpf zu Boden.
Nun hing das Schwert nutzlos an Geralts Seite hinab. Wie hypnotisiert starrte er auf den unförmigen Haufen aus Stoff und Stroh, bis eine näherkommende Person seine Aufmerksamkeit erregte.
Triss, heute in eleganten braunen Hosen und einer weißen Tunika, welche mit blitzenden Steinen benetzt war, kam auf ihn zu. Ihr Gesicht sprach von Sorge, auch wenn Geralt dazu keinen Anlass erblickte. Nicht ihm gegenüber.
"Geralt", sprach sie und blickte auf die Überreste der Trainingspuppe. Undeutlich spürte der Hexer wie seine Hand zitterte. Fester als nötig hielt er das Schwert umklammert.
"Was gibt es?"
Nur schwer gelang es ihm seine Stimme ruhig zu halten, den schroffen Ton fast vollständig zu verbannen. Triss konnte für sein Chaos nichts und so sehr er die Zauberin auch mochte, wünschte er sich nur sehnlichst sie würde ihn allein lassen.
"Tissia ist angekommen.", erklärte sie, "Sie nimmt persönlich einige der Leute aus Nilfgaard unter die Augen."
"Auch Jaskier?"
Die Frage war ihm entschlüpft. Unmittelbar mischte sich eine drückende Sorge zu dem Chaos in ihm und verwirrte ihn nur mehr.
"Vermutlich.", erwiderte Triss. Die Art und Weise wie ihre Augen den Blick vermieden und ihm auswichen, verrieten Geralt die Wahrheit.
"Ich komme gleich.", stellte er klar und wandte sich ab. Leise Schritte, fast verschluckt vom Sturm um sie herum, der an Triss Haaren und dem Stoff ihres Kleides riss, teilten ihm mit, dass er wieder allein war.
Erpicht war er nicht auf eine Begegnung mit Tissia die plante Jaskier wie ein Stück Fleisch zu begutachten. Besonders nicht, da diesem der Grund dafür nicht bewusst war. Ein eiskalter Schauer überlief ihn bei dem Gedanken, dass sie Magierinnen ihm hier und heute seine Erinnerungen zurückgaben.
Auf dem Absatz machte er kehrt und schlug den Weg zurück in das Anwesen ein. Wenige Meter vor dem hölzernen Tor, öffneten sich die Türen abrupt und Jaskier schob sich durch. Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben und Geralt spürte wie ein teil der Anspannung von ihm abfiel. Offensichtlich ging es ihm hervorragend, auch wenn der Barde einen nervösen Blick über die Schulter warf, ehe er bedächtig und ohne einen Laut die Tür hinter sich schloss.
"Was ist los?", fragte Geralt, die Stirn gerunzelt.
"Mit Yennefer ist heute nicht gut Kirschen essen.", stellte Jaskier klar, "Nicht, dass ihre Persönlichkeit, reizend wie Schwefel sonst dazu einlädt, doch heute welken die Pflanzen in ihrer Gegenwart."
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Beyond Blue Eyes - The Witcher Story
FanfictionDie Wochen zogen ins Land. Ciri hatte sich eingelebt, ihr Training hatte begonnen. Geralt beschloss Kaer Morhen zu verlassen und seinen Barden noch Einbruch des Winters zu finden, doch blieb Jaskier unauffindbar. Yennefer unterbricht seine Suche und...