Die Wahrheit

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Noch vor dem ersten Sonnenstrahl erwachte Geralt. Ausgeruht fühlte er sich nicht.

Übelkeit beherrschte ihn, die Verletzungen fühlten sich noch immer seltsam empfindlich an und die wenigen Stunden Schlaf waren von grauenvollen Alpträumen durchzogen gewesen, welche ihn auch im wachen Zustand nicht loslassen wollten.

Mit Tagesanbruch erwachte das Haus um ihn herum zum Leben. Selbst durch die Wände vernahm Geralt einige Geräusche und undefinierbare Stimmen, sowie verschiedene Schritte, das Klappern von Geschirr, hie und da fiel etwas herunter, einmal zerbrach ein Glas. Es ließ ihn stetig unruhiger werden.

Um dem zu entkommen beschloss er das Gebäude zu verlassen und stattdessen den Stall aufzusuchen um seine Stute zu versorgen. Plötze hatte in den letzten Tagen die Möglichkeit gehabt sich von den Strapazen zu erholen.

Langsam durchquerte Geralt das Haus, vermied es in die Nähe von jemanden zu kommen, denn in seinem Kopf schwirrte es. Selbst als er Yennefers Anwesenheit wahrnahm, bog er ab und entfernte sich gezielt. Ihm stand wirklich nicht der Sinn nach Gesellschaft.

Mit all den Umwegen stand bereits die Sonne am Himmel, als er die Eingangshalle erreichte. Leise hallten seine Schritte von den Wänden wieder. Eine Tür am anderen Ende knarzte leise als sie aufschwang. Felinè trat ein, in der Hand einige beschriebene Pergamentblätter, auf die ihr Blick geheftet war. Ihr langes Haar hatte sie heute wie einen Kranz aus Silber um ihren Kopf geschwungen und ihr bodenlanges moosgrünes Kleid raschelte bei jedem Schritt.

Als sie aus dem Augenwinkel Geralts Gestalt, welche mitten auf halben Weg durch die Halle verharrt war, erkannte, hob sie den Blick. Am heutigen Tage wirkte sie weitaus weniger unnahbar, als es in der Zelle der Fall gewesen war. Tatsächlich begegnete sie dem Hexer mit einem Lächeln, als sie auf ihn zuschritt.

"Geralt.", begann sie vorsichtig, offenbar unsicher wie er reagieren würde, "Wie geht es dir?"

Bevor er jedoch antworten konnte schüttelte sie ihren Kopf. Ein trauriger Zug spielte um ihren Mundwinkel.

"Dumm von mir.", murmelte Felinè, "Wie soll es dir gehen nachdem was in Nilfgaard geschehen ist?"

In diesen Worten steckte mehr Wahrheit als Geralt es sich eingestehen wollte. Seit den Ereignissen schien alles aus den Fugen geraten zu sein und schien unmöglich neu zu ordnen.

"Ich bedauere was an jenem Ort geschehen ist.", erklärte sie ernst und blickte ihn mit ihren nebelgrauen Augen an, "Doch zunächst wollte ich meine Tarnung nicht preisgeben. Auch wenn es anschließend nicht anders ging."

Stumm nickte Geralt. Er verstand. Trotz allem war er ihr dankbar, dass es ihr gelungen war ihn und vor allem Jaskier aus dem Kerker zu befreien. Vielleicht hatte sie seine Gedanken gelesen, denn im nächsten Augenblick griff sie das Thema auf.

"Geralt, wenn ich geahnt hätte wer Julian in Wirklichkeit ist hätte ich ihn früher befreit.", gestand sie leise. Offenbar hatte Jaskier stur seinen wirklichen Namen angegeben, anstatt sich als der Barde zu offenbaren, welcher über den weißen Wolf sang. Doch schien es dennoch aufgeflogen zu sein. Geralt wollte nachhaken, spürte jedoch wie sich ihnen jemand langsam nährte.

Am oberen Treppenabsatz schlich wenige Momente später eine Gestalt aus dem Schatten. Bereits an dessen Herzschlag hatte Geralt ihn erkannt und überrascht sah er auf.

Auch die Magierin wandte nun den Blick, registrierte Jaskier, welcher verunsichert auf der ersten Stufe stand. Krampfhaft umschlossen seine Finger das Geländer und Geralt konnte die Angst riechen.

Vorsichtig näherte er sich der Treppe, erkannte dass der Barde eines seiner schwarzen Hemden trug. Schon immer waren sie ihm ein wenig zu weit gewesen, doch nun hing der Stoff zu locker an ihm herab.

Beyond Blue Eyes - The Witcher StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt