Zwei Träume

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Der Sand war weich. Fast lautlos gruben sich die Hufen der Fuchsstute hinein. Wellen rauschten, rollten elegant an den goldenen Strand.
Feuerrotes Licht ließ das Wasser strahlen und funkeln, während die Sonne sich immer weiter dem Horizont neigte.

Geralts Blick heftete sich erneut auf den Sand unter seinen schweren Stiefeln. Deutlich traten die Fußspuren hervor. Tief atmete er ein, roch das Salzwasser, die Algen, die nicht weit entfernten Kiefern des Waldes und ihn.

Er konnte nicht weit sein. Der einzigartige Geruch lag so deutlich in der Luft als stünde der Barde unmittelbar neben ihm. Die leicht holzige Note, der Hauch von Blumen vernebelte ihm den Geist.

Mit schnellen Schritten führte Geralt seine Stute weiter. Sie schnaubte, rieb ihren schönen Kopf an seinem Arm, als wolle sie ihn beruhigen.

Endlos, weiter als der Horizont selbst erstreckte sich der Strand. Nirgendwo schien Mensch, noch eine Kreatur. Die vereinzelten Felsen warfen immer längere Schatten, einzelne Möwen kreischten über seinem Kopf.

Knirschen. So nah dass Geralt innehielt. Nun hörte er den gleichmäßigen und vertrauten Herzschlag. Hinter dem grauen, vom Meer abgeschliffenen Stein trat Jaskier.

Völlig unverändert stand er dort, in der gleichen dunkelroten Kleidung, die er bei ihrer letzten Begegnung trug. Sanft fuhr die Seebrise durch das braune Haar. Er lächelte nicht.

"Jaskier.", begann Geralt, Plötzes Zügel rutschten ihm aus den Fingern.

Der Barde ließ ihn nicht zu Wort kommen.

"Nun hast du das was du wolltest, Geralt.", sprach er ausdruckslos. Die sonst so strahlend blauen Augen wirkten völlig leer, als hätte jemand das Licht dahinter gestohlen, "Ich bin endlich aus deinem Leben."

"Jaskier!", wiederholte Geralt, kam jedoch nicht weiter.

"Das wolltest du doch.", sagte er, die Stimme kälter als die Klinge eines Messers, "Endlich."

Bevor der Hexer Atem schöpfen könnte für einen weiteren Versuch, bäumte sich das friedliche Meer auf.

Um ihn herum verzerrte sich die Welt, ein Rausch aus Farben verschluckte erst die Landschaft, dann Jaskier und zog sich ihn in die endlose Finsternis.

Geralt erwachte völlig ruhig. Das Bett knarrte sehr leise, als er tief ausatmete. Abgestandenes Bier drang an seine Nase, in der Ecke vernahm er die zarten Schritte einer Maus.

Seufzend drehte er sich auf die andere Seite, strich störende Strähnen seiner Haare aus dem Gesicht.

Sein Gewissen konnte er nicht so einfach fortwischen, ebenso wenig wie die Schuldgefühle, welche an ihm zerrten. Mit jedem weiteren Tag den er durch die Lande streifte, Aufträge annahm und die Augen nach dem bekannten Barden offenhielt, sank seine eigene Hoffnung.

Weder an der Küste, noch in den Städten hätte jemand ihn gesichtet oder konnte Auskunft geben.

Die Berühmtheit und die Dichtkunst hatten sich verbreitet, Jaskier hätte auffallen müssen. Jeder konnte die Balladen wiedergeben, jeder erkannte ihn, Geralt von Riva, der weiße Wolf, der Freund aller Menschen, doch niemand entsann sich des Schöpfers dieser Werke.

Ungefährlich waren diese Zeiten nicht. Mörder und Meuchler trieben durch dunkle Straßen der Städte, suchten in Tavernen den offenen Konflikt, Kreaturen fielen über Dörfer und Wälder heim. Die politische Lage war angespannt und feindlich. Und Geralt wollte nicht einmal daran denken, in welche Schwierigkeiten Jaskier mit seiner Persönlichkeit geraten konnte und bereits geraten war.

Doch würde der Hexer nicht ruhen, ehe er die endgültige Gewissheit bekam. Vielleicht hatte Jaskier eine Auszeit des Rummels gesucht, war untergetaucht. Vielleicht zog er durch andere Gebiete, da es hier zu viele Verflossenen und vor den Kopf gestoßen Liebhaberinnen gab, die ihn am Strick baumeln sehen wollten.

Darauf hoffte Geralt. Wo auch immer es den braunhaarigen Musiker mit den blauen Augen und der Laute der Elfen hin verschlagen hatte, so sollte er doch am Leben und gesund sein. Jede andere Option quälte ihn. Die Vorstellung dass Jaskier nicht mehr unter ihnen weilte und gewaltsam aus dem Leben gerissen wurde.

Wäre es nicht seine Schuld? So wie die Last ihres letzten Gespräches tonnenschwer auf seinen Schultern lud, so war sich Geralt sicher, dass er es sich in seinem noch langen Leben niemals verzeihen würde, wenn dem Barden etwas zugestoßen war.

Aus genau diesen Absichten hatte er sich auf den Weg gemacht. Fort aus Kaer Morhen, wo sein Kind der Vorhersehung von Hexer trainiert wurde. Hinaus aus dem Ort der einem Zuhause am nächsten kam, hinaus in die Lande um diesen Mann zu finden. Geralt wollte sich von dem bitteren Geschmack der Schuldgefühle lösen.

Erneut wälzte er sich herum, zur anderen Seite und sein Blick richtete sich aus dem vergilbten Fenster der Taverne. Hoch am Himmel stand die Mondsichel, schwach scheinend. Im nächsten Moment schob sich eine Wolke vor das blasse Licht und tauchte alles in nächtliche Schwärze.

...

Dunkelheit und Schwere erfüllten den Kerker. Durch ein winziges, mit eisernen Gittern versehenes Loch in der Wand wehte ein schwächlicher Luftzug. Davor hatte sich ein Busch gesät, mit dichten Zweigen. Nur wenn der Himmel vollkommen klar war, konnte er hin und wieder ein Blick auf den Mond erhaschen. Heute war kein solcher Tag.

An der Wand kauernd, lauschte er dem sanften Klopfen des Regens und fror in der klammen Kälte. Schlafen wollte er nicht, vor der schweren Zellentür hallten erneut Schritte.

Die Angst sickerte durch die Ritzen der dicken Mauern, verpestete die letzte Luft um ihn herum und nistete sich ein. Jaskier konnte sie schmecken, ein bitterer Geschmack der nicht mehr verschwinden wollte.

Laute Stimmen dröhnten durch den Gang, kamen näher.
Weiter in die Ecke schob er sich.
Wenn sie ihn nicht sahen, vergaßen sie vielleicht dass er hier war.

Die Männer sprachen weiter, doch wurden sie leiser, das Klappern ihrer Rüstung undeutlicher. Kurz gestattete sich Jaskier einen Moment der Erleichterung. Vielleicht würde er diese Nacht noch überleben.

Bebend schlang er die Arme um die Knie, versuchte Ruhe zu finden. Das Herz schlug ihm bis zum Hals, in seinen frischen Wunden brannte und hämmerte es. Der Schmerz würde nachlassen wenn er schlief, vielleicht.

Bleischwer war sein Körper. Sollten sie ihn holen, so mussten sie ihn aus dieser Zelle tragen. Jegliche Kraft hatte ihn verlassen.

Sein Mund war trocken, an die letzte Mahlzeit konnte er sich nicht erinnern, doch Hunger spürte Jaskier keinen. Nur Kälte, Angst und wie die Hoffnungslosigkeit seine zerschundenen Schultern beugte.

Wer sollte kommen und ihn hier finden? Ihn und die anderen, welche in ähnlichen Zellen untergebracht waren? Niemand wusste wo sie waren, niemand kam heraus. Und keiner konnte behaupten, dass es da draußen jemanden gab der Leib und Leben riskierte.

Es erschien ihm nicht unwahrscheinlich, dass man auf sein Fehlen anstoßen würde. All die betrogenen Liebhaber lachten vermutlich auf, doch dies war Jaskier seltsam gleich.

Bei dem Gedanken, dass Geralt keinerlei Notiz nehmen würde, zog sich sein Herz schmerzhaft zusammen.

So war nun endlich dass passiert, was er ihm ins Gesicht gesagt hatte. Nur war er nicht nur aus dem Leben des Hexers verschwunden. Ein Leben gab es nicht mehr.

Am Rande der Existenz gehalten, darauf wartend, dass irgendwann die Zellentür sich knarzend öffnete und ihn die Wachen packten. Seine Schreie würden den Flur erfüllen.
Und dann würde es vorbei sein, denn niemand kehrte zurück.

Ein Seil zog sich um seine Brust, schnürte sie ein, er bekam kaum Luft. Heftig biss Jaskier sich auf die Lippe, schmeckte unmittelbar den metallischen Geschmack von Blut, während kochendheiße Tränen ihm über die Wange liefen.

Durch das Loch in der Wand fiel ein Spalt Mondlicht, als die Wolken weiterzogen.

Beyond Blue Eyes - The Witcher StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt