Kapitel 2

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Am nächsten Tag war ich bei meinen Eltern zu Kaffee und Kuchen eingeladen, dafür hatte ich mir 5 Tage frei genommen, was gut war, damit sich die nicht gerade kurze Reise zu meinen Eltern auch lohnte. Ich freute mich schon darauf, doch andererseits hatte ich schon eine genaue Vorstellung von dem Ablauf des Treffens. Mama würde sich wieder über mich beschweren, mein Äußeres passte ihr schon lange nicht mehr.

Die Augenringe, die kurzen und abgekauten Nägel, all das passt nicht mehr in ihr Bild von dem kleinen Jungen mit den strahlenden Augen, der in die Großstadt zog um Arzt zu werden.

Als wir uns das letzte Mal trafen, was bedauerlicherweise schon viel zu lange her ist, hatte sie sich über meine Augen beschwert. Nicht über meine darunter liegenden, und viel auffälligeren Augenringe, nein, über das Strahlen, das ich früher immer in ihnen Trug als ich lachte, als ich von meinen Träumen erzählte, als ich müde war, als ich mich freute ; eigentlich immer.
Mir selbst war es nie aufgefallen, es war selbstverständlich für mich. Die 1. Lektion die ich als Erwachsener gelernt hatte,war nichts mehr als selbstverständlich anzusehen.
Die meisten Sachen verschwinden nunmal irgendwann, wenn man sie nicht anerkennt oder pflegt.

Sie erzählte mir damals alle möglichen Geschichten von mir und den Nachbarn, die mich alle nur als den Jungen kannten, der sogar im Streit das Positive sah. Egal wie sauer ich schien, das Strahlen in meinen Augen verriet immer, dass ich trotzdem glücklich war.

Wirklich jedes Mal, wenn ich meine Mama traf musste ich ihr bestätigen, dass ich glücklich und vollkommen zufrieden mit meinem Leben bin, was ich auch bin, solange ich nicht genauer drüber nachdachte.

Als ich mich am nächsten Morgen in mein Auto setzte, drehte ich das Radio auf und summte die Melodien mit. Ich hatte die Nacht kaum geschlafen und auch jetzt war ich wieder mal viel zu früh wach, doch es war mittlerweile nicht mehr schwer mit wenig Schlaf zu leben. Mittlerweile war ich es gewohnt die Müdigkeit zu verdrängen.
Heute aber war ich viel zu gut gelaunt um müde zu sein. Ich dachte an den Duft von den Kerzen, der während des Winters das ganze Haus erfüllte. Die Plätzchen, die jedes Jahr verbrannten und dennoch zu Weihnachten gehörten.
Weihnachten zu Hause,wie lange war es her, als ich es das letzte mal dort gefeiert hatte? Vermutlich wieder viel zu lange.
Ich freute mich auf den Duft des alten Apfelbaumes, der in unserem Garten stand und ich freute mich auf der Bank unter dem Apfelbaum zu lesen, zu entspannen und einfach ohne Stress frei zu sein.
Ich freute mich auch auf die bunte Flugzeugtapete meines Kinderzimmer und auf mein Hochbett in dem ich die paar Nächte schlafen würde.

All das sorgte dafür, dass sich in mir drin ein warmes Gefühl ausbreitete. Ich fühlte mich wieder wie ein kleines Kind.

Durch den SpiegelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt