Kapitel 10

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"Wir sind jetzt da", wechselte ich schnell das Thema und suchte einen Parkplatz auf. Der Tag verging so schnell und ehe ich mich versah, war Lins Zeit als Geist für den heutigen Tag aufgebraucht und sie verschwand wieder im Spiegel.
Am nächsten Tag hatten wir einen Ausflug in die Stadt geplant, da ich dringend ein paar neue Klamotten benötigte.
Vermutlich schlief ich in dieser Nacht mit einem echt dämlichen Grinsen ein, aufjedenfall wachte ich morgens mit einem ziemlich dämlichen Grinsen auf.

"Wird aber auch mal Zeit, dass du aufstehst", sagte Lin schmunzelnd.
Ich schüttelte nur lachend meinen Kopf und ging ins Bad um mich fertig zu machen. Lin hatte mein Leben auf andere Wege geleitet, obwohl sie nur ein Geist war, war mein Leben um vieles lebendiger seit unserer ersten Begegnung.

Wieso konnte es denn niemanden wie sie aus Fleisch und Blut geben? Wieso kann das Leben so schrecklich unfair sein? Konnte es sein, dass eine Person ein komplettes Leben verändern und auf den Kopf stellen kann?
Wie ist sowas möglich?
So viele Fragen schwirrten in meinem Kopf herum und auf keine gab es eine eindeutige Antwort.

Ich war schon immer ein sehr nachdenklicher Mensch, aber meine jetzige Situation machte mich gedanklich immer mehr zum Philopsophen. Ich griff in den Schrank und entschied mich letzendlich für eine normale Jeans und einen einfarbigen Pullover.
Mir war Mode schon immer ein Rätsel gewesen und ich habe schon immer getragen was ich wollte.
Natürlich war ich nie auf dem neusten Stand, aber mein Style war halbwegs okay.
Auch die Auswahl meiner Schuhe traf ich ziemlich schnell, was auch daran liegen könnte, dass ich nicht viele Paare an Schuhen besaß.
"Können wir?", fragte Lin , die mittlerweile hinter mir im Flur aufgetaucht war. Ich nickte und wir fuhren los.

Nach einer Fahrt von 10 Minuten plus anschließender Parkplatzsuche trafen wir in der Stadt ein.
Lin lotste mich in alle möglichen Läden und fand tatsächlich ein paar Klamotten die mir laut ihr total gut stande. Man konnte direkt merken wie viel Spaß sie hatte und vorallem wie Menschlich sie sich dabei fühlte. Es war schön sie so glücklich zu sehen. Wie lange war es wohl her, dass ich das letzte Mal jemanden so glücklich gesehen hatte?
Wir verbrachten fast dem ganzen Nachmittag in der Stadt. Die Sonne schien zwar, doch es war nicht so unangenehm schwül wie erwartet. Als wir uns, ich erschöpft, sie vollkommen entspannt und unbekümmert vom ganzen Laufen, auf den Rückweg zu meinem Auto machten fragte Lin, ob wir vielleicht einen anderen Weg nehmen könnten, da sie vor einem der unzähligen Geschäfte ihren Ex- Freund erspäht hatte. "Ist das etwa seine neue Freundin?", rutschte es mir heraus. Ich erschrak über meine direktheit und die unsensible Auswahl meines Tonfalles und wurde rot.
"Ich weiß es nicht genau, aber es sieht stark so aus. Sie war eine der größten Tussis in meiner Stufe, aber das ist okay. Er darf das. Ich bin ja schon seit ein paar Jahren tot und vermutlich schon lange in Vergessenheit geraten", gegen Ende wurde sie unsicher und senkte ihre Stimme. Außerdem fügte sie noch ein kurzes , fast schon gequältes, Lächeln hinzu.

Obwohl wir weit entfernt von dem Typen standen merkte ich eins :

Es lag eine angespannte Stimmung in der Luft.

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