Kapitel 11

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Ich starrte den Typ und seine vermutlich neue Freundin an. Dass Lin sich mal auf so einen Affen einlassen konnte war ja fast schon widerlich. Als könnte sie meine Gedanken lesen sagte sie mit dünner Stimme:" Er war früher nicht so. Er hat sich echt stark verändert"
Ich sah sie an und sie erwiederte meinen Blick. In ihren Augen konnte ich so viel lesen: Angst, Panik und Trauer. "Alles okay?", fragte ich sie.
"Ja, alles super", sagte sie und setzte ein schiefes Lächeln auf.

"Ey Selbstgespräch-Typ", hörte ich eine raue Stimme rufen. Reflexartig zuckte ich zusammen, da mir sofort dieser bedrohliche und aggressive Tonfall auffiel. Ich schluckte bevor ich sagte: "Was gibts?"
Leider klang meine Stimme dabei nicht einmal halb so sicher, wie ich es mir erhofft hatte. Ich fühlte mich wie ein kleiner, in die Ecke gedrängter Welpe. Vollkommen hilflos und das obwohl noch nichts passiert war. Ohne diesen Typ zu kennen hatte ich schon den leisesten Verdacht, dass ich in großen Schwierigkeiten steckte.
"Wieso glotzt du so?", brüllte er und kam näher. Bei jedem Schritt den er sich mir näherte schlug mein Herz ein bisschen schneller.
"Sie kommen mir bekannt vor", sagte ich und versuchte höflich zu bleiben. Alles andere wäre nicht meine Art.
"Hab dich noch nie gesehen. Das wüsste ich", sagte er und spuckte, knapp an meinem rechten Schuh vorbei, auf den Boden.
"Doch. Kennen Sie vielleicht eine Lin?", fragte ich und versuchte mich so schnell wie möglich aus dieser Gefahrensituation zu befreien.

In solch einer Situation hat der menschliche Körper zwei verschiedene Möglichkeiten entwickelt wie man auf diese Situation reagieren könnte, die sogenannte Kämpfen-oder Flüchten- Reaktion (oder in englisch gesagt die fight or flight reaction).
In diesem Moment wollte ich einfach nur panisch davon laufen.
Würde ich bei ihm bleiben und ihm die Stirn bieten würde er der Reaktion vermutlich alle Ehre machen und diese, ohnehin schon unangenehme, Situation würde in einen Kampf ausarten.

"Ist schon voll lange her, dass wir Kontakt hatten. Hatte mal was mit der. Nichts ernstes. Sie ist eh gestorben", nuschelte er und funkelte mich böse an.
Er war mir schon von anfang an unsymphatisch.
Allein schon die Tatsache, dass er einem Fremden sagt was er, oder eher was er nicht, für Lin empfunden hatte. Wie konnte so ein Idiot nur so über jemanden reden der verstorben war und verdammt wieso stand ich eigentlich noch hier rum?

"Wer bist du überhaupt?", hakte der Typ nach. "Ich bin ein Freund von Lin", stammelte ich so vor mich hin. Er musterte mich kurz.
"Ich kannte alle ihre Freunde, wieso kenne ich dich nicht?", grummelte er und lachte verhöhnend. "Bist bestimmt so ein Zeitungsspasti. Ich geb dir keine Auskunft über sie. Sie ist mir egal, okay? Und das war sie mir schon immer."
In mir drinnen brodelte alles. Wie morallos konnte man eigentlich sein?

"Gehts noch? Wie unverschämt redest du denn bitte über eine verstorbene Freundin von dir? ", sagte ich und versuchte nicht ganz so aufgebraust zu klingen.
"Hör auf ! Er wird darauf nur aggressiv reagieren", schrie Lin warnend, doch ich ignorierte es.
"Ach die interessiert eh keinen mehr."
Das 'die' zog er extra lang und sagte es mit einem ziemlich abwertenden Tonfall.

"Aber was interessiert dich das überhaupt?", fragte er.
"Ich wollte dir nur beweisen, dass du mir bekannt vorkommst", sagte ich und hätte mich für die hohe Tonlage meiner Stimme ohrfeigen können.
"Ich mag keine neugierigen Menschen", sagte er und trat einen Schritt näher an mich heran, sodass ich ihm genau in die Augen sehen konnte.
Ich roch den Geruch von Bier und Nikotin. Bitte lass ihn nicht besoffen sein, das wäre echt das Letzte, das ich jetzt gebrauchen könnte.
Provokant wie er war, flüsterte er noch unzählige Beleidigungen gegenüber Lin in die Luft die die Lücke zwischen uns füllte. Mein linkes Augenlid zuckte und ich musste mich zusammenreißen nichts unüberlegtes oder gewalttätiges zu machen. "Bitte geh weg", bittete sie mich, doch auch das ignorierte ich aufgrund des hohen Adrenalins, das gerade durch meinen Körper floss.
Im Nachhinein betrachtet musste es für sie echt schlimm gewesen sein machtlos zusehen zu müssen was als nächstes passiert. "Wie leer und unerfüllt dein Leben sein muss, wenn du so über jemanden reden musst", sagte ich in der Hoffnung ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholen zu können. Daraufhin schnaufte er nur wie ein wütender Bülle und kniff seine Augen zu kleinen Spalten zusammen.

Dann holte er aus. Vermutlich würde er mich ungefähr doppelt so hart mit seiner Faust treffen, als ich ihn mit meinen Worten jemals treffen könnte. Reflexartig schloss ich meine Augen und hoffte, dass er mir doch nicht ganz so weh tun würde.
Wieso ließ ich mich eigentlich auf so eine Scheiße ein? Wieso stand ich noch hier und rannte nicht einfach weg? Ich war 27 und kein pubertierender Teenager mehr, der sowas braucht um sein Ego zu pushen.

In meinem Kopf rechnete ich mir aus, wie lange er wohl dafür ins Gefängnis müsse und wie lange ich wohl Arbeitsunfähig wäre, was bei der Härte seines Schlages ziemlich variieren könnte.
Leise vernahm ich Lins Stimme, die panisch kreischte, in meinen Ohren. Sie konnte Krach machen so viel sie wollte, ändern würde es nichts an der Situation. Sie war so wohl auswegslos, als auch ein Produkt meines eigenen Handelns.

Alles was passierte hatte ich mir selbst zuzuschreiben.

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Hallöchen.. Vielleicht kommt gleich noch ein Kapitel. Würde sich darüber jemand freuen?
Selbst, wenn dem nicht so wär kommt noch ein Teil :p Boah bin ich lustig.

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