Kapitel 7

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Als Emily sich gerade abgetrocknet und wieder angezogen hatte, hörte sie plötzlich lautes Schreien und Kreischen aus dem Gemeinschaftsraum. Bei genauerem Hinhören stammten einige Stimmen von Männern. Jemand war also hier eingedrungen und offenbar nicht, um ein Teekränzchen mit den Bewohnerinnen abzuhalten. Emily war wie versteinert, sie hatte plötzlich furchtbare Angst und hatte angefangen zu zittern. Sie wagte es nicht, sich zu bewegen, aus Angst, dass sie irgendjemanden auf sich aufmerksam machen könnte. Nur gut, dass sie den Föhn, den sie eben in ihre Hand genommen hatte, noch nicht eingeschaltet hatte, sonst hätte sie nichts von dem Trubel im Gemeinschaftsraum mitbekommen, die Eindringlinge jedoch sehr wohl auf sich aufmerksam gemacht.

Hektisch ging Emily ihre Möglichkeiten durch. Fliehen war ausgeschlossen. Sie befand sich im fünften Stock, weshalb eine Flucht durchs Fenster ausgeschlossen war, es sei denn sie wollte sich umbringen. Und Emily konnte sich auch nicht vorstellen, dass sie es schaffen würde ungesehen durch den Gemeinschaftsraum zu schleichen. Ihre Aussichten waren also nicht gerade rosig. Früher oder später würden die Eindringlinge merken, dass das Bewohnerinnen-Zimmer-Verhältnis nicht ganz stimmte. Dann würden sie sie suchen. Und auch finden.

Es gab keinerlei Versteckmöglichkeiten in ihrem Zimmer. Der Kleiderschrank war zu klein und das Bett, war ein Boxspringbett, weshalb sie sich auch nicht darunter hätte verstecken können. Die einzigen Möglichkeiten die ihr also blieben, waren sich entweder unter der Decke zu verkriechen, oder sich in der Badewanne zu verstecken. Da die Chance, dass sie unter der Bettdecke niemandem auffallen würde verschwindend gering war, beschloss sie sich in die Badewanne zu setzen und zu hoffen.

Sobald sich Emily hingesetzt hatte, spürte sie schon, wie die Feuchtigkeit durch ihre Kleidung drang. Unter normalen Umständen hätte sie das furchtbar geärgert, dass sie nicht daran gedacht hatte, ein Handtuch unterzulegen, oder die Wanne abzutrocknen. Jetzt jedoch hatte sie nur furchtbare Angst. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so verflucht wie jetzt, dass sie kein Handy besaß. Wäre sie nicht all die Jahre lang so furchtbar stur gewesen, könnte sie nun um Hilfe rufen.

Die ganze Zeit über, in der sie in der Wanne kauerte, versuchte Emily zu verstehen, was im Gemeinschaftsraum geredet wurde. Doch die Wände waren so dick, dass sie die Stimmen zu sehr dämpften. Alles was sie wusste war, dass sich draußen mindestens zwei Männer miteinander unterhielten.

Es war unmöglich einzuschätzen, wie lange sie bereits in ihrem Versteck war, denn Emily hatte jedwedes Zeitgefühl verloren. Plötzlich verstummten die Geräusche im Gemeinschaftsraum und alles, was sie jetzt noch hörte, waren das Blut, das in ihren Ohren rauschte und ihr Herz, dass so schnell und laut in ihrer Brust schlug, dass Emily schon Angst hatte, es könnte jemand hören. Zu atmen wagte sie kaum, denn auch ihr Atem schien unnatürlich laut zu sein.

Emily strengte sich nun noch mehr an, um etwas zu hören. Doch es bedarf keiner Anstrengung die aufeinanderfolgenden Tritte gegen ihre Zimmertür auszumachen. Beim dritten Aufprall war das Geräusch anders: das Türschloss hatte nachgegeben. Nun war es nur noch eine Frage von Sekunden, bis sie gefunden wurde. Sie schaffte es kaum, ihre zitternden Hände unter Kontrolle zu halten und bemühte sich nach wie vor, so leise wie möglich zu atmen. Die sich stetig steigernde Panik konnte Emily kaum niederringen und auch die aufsteigenden Tränen ließen sich fast nicht bekämpfen.

Da wurde die Tür zum Badezimmer geöffnet und sie hielt die Luft an. Nur mit Mühe konnte sie den aufsteigenden Schrei in ihrer Kehle ersticken. Ein lautes Auflachen ertönte aus dem Gemeinschaftsraum. Einige Sekunden lang passierte gar nichts, dann rollte eine Welle des Schmerzes über Emily hinweg, als sie eine kräftige Hand am Haarschopf packte und aus der Badewanne zerrte.

48 Stunden in ihrer GewaltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt