Emily war wie erstarrt. Nachdem sie aus ihrem Zimmer getreten war, aufgeschreckt von Larrys wütendem Gebrüll, hielt sie nur der Schock davon ab, laut aufzuschreien, was ihr vermutlich das Leben rettete. Vier ihrer Mitbewohnerinnen lagen leblos in ihrer eigenen Blutlache. Der Typ der eben noch verschreckt auf dem weißen Sofa gesessen hatte, hatte sich zu den anderen vier Leichen gesellt, nachdem er sich scheinbar aus Verzweiflung suizidiert hatte.
Larry flüsterte James etwas zu und hatte die Waffe auf ihn gerichtet. Er lächelte und ging dann rückwärts auf sie zu. Bisher war niemandem aufgefallen, dass sie alles beobachtet hatte. Bis jetzt. Larry richtete den Blick auf sie.
James nutzte den Moment seiner Unaufmerksamkeit und stürzte sich auf ihn. Doch Larry reagierte schnell. Emily hörte das Geräusch eines Schusses und zuckte zusammen. In dem Chaos, das sich vor ihr bot, konnte sie nicht erkennen, ob jemand verletzt war.
Die beiden jungen Männer prügelten mit vollem Körpereinsatz aufeinander ein. Sofort erinnerte sich Emily daran, wie schnell James Robert fertig gemacht hatte. Doch das hier lief nicht so ab. Larry war James von der Statur und Größe, ebenso wie in seiner Kraft und seiner Ausdauer ebenbürtig. Die Zeit verstrich immer weiter, und niemand schien die Oberhand zu gewinnen.
Immer wieder hörte Emily das dumpfe Geräusch von Fäusten, die auf Fleisch trafen. Die Waffe, die vorhin abgefeuert worden war, lag etwa einen Meter von den beiden entfernt, doch das schien die Männer nicht weiter zu kümmern. Dieser Zweikampf war etwas sehr Persönliches. Sie traten, schlugen und prügelten wild aufeinander ein. Es war ein Kampf auf Leben und Tod. Emily war sich darüber bewusst, dass einer der beiden nicht überleben würde.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit bereits verstrichen war, doch trotz des heftigen Körpereinsatzes, schienen die zwei Männer nicht zu ermüden. Je mehr Zeit verging, desto wahrscheinlicher war es, dass einer der beiden einen Fehler begehen oder zu langsam reagieren würde.
Mit aller Gewalt riss sich Emily aus ihrer Schockstarre. Sie musste etwas unternehmen. Sie konnte nicht einfach tatenlos herumstehen und zusehen. Obwohl sie dabei einige Male fast gestolpert wäre, stürzte sich Emily ins Badezimmer. Unbeirrt griff sie in die Badewanne und riss Roberts Waffe an sich. Unsicher beäugte sie die Waffe, sie war schwerer als sie sich das vorgestellt hatte.
Emily konnte sich nur noch vage an ihre Besuche am Schießstand vor vielen Jahren erinnern, als ihr Vater ihr das Schießen beibringen wollte. Doch je angestrengter sie darüber nachdachte, desto genauer konnte sie sich daran erinnern. Entsichern, zielen, abdrücken – das war der Kern des Ganzen. Ihre Hände zitterten, Angst durchströmte Emily und sie wusste nicht, ob sie tatsächlich den Mut dazu aufbringen konnte, der notwendig war, um jemanden zu töten.
Eilig rannte sie wieder nach draußen in den Gemeinschaftsraum. Dort hatte sich die Lage inzwischen geändert. James, dessen Wange geschwollen und dessen Unterlippe aufgeplatzt war, drückte Larry die Kehle zu, doch als er Emilys Anwesenheit bemerkte, blickte er zu ihr hoch und war für den Bruchteil einer Sekunde abgelenkt.
Larry erkannte den Augenblick der Schwäche sofort und verpasste James einen Kinnhaken. Als James strauchelte, trat ihm Larry hart gegen die Brust und stieß ihn von sich. James rollte über den Boden und blieb am Bauch liegen, er rang nach Luft.
Larry hatte sich inzwischen aufgerappelt und nach seiner Waffe gegriffen. Schwer atmend stand er da und sah James dabei zu, wie er langsam wieder auf die Beine kam. Nachdem er sich aufgerichtet hatte, sah James Larrys Pistole entgegen. Das Bewegen fiel James bedeutend schwerer als zuvor. Ein stechender Schmerz fuhr ihm offenbar durch Mark und Bein und er verzog schmerzerfüllt das Gesicht.
Larry lächelte ihn siegessicher an und deutete auf James Rumpf.
„Tja Jay, offenbar bist du nicht so unverwundbar, wie du immer dachtest. Wie es aussieht, bist du doch nicht der bessere Mann von uns beiden."
Emily stockte der Atem, denn bisher war ihr der Blutfleck an James rechter Seite nicht aufgefallen.
DU LIEST GERADE
48 Stunden in ihrer Gewalt
De TodoEmily führt ein sehr zurückgezogenes Leben in einer Privatschule, wo sie nicht viel mit ihren Mitschülerinnen anfangen kann. Doch eines Tages nimmt das ruhige Leben dort ein jähes Ende, als vier Männer ihre Wohneinheit stürmen, sie und ihre Mitbewoh...