mmi. prolog

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Chris

Familie. Wenn man dieses Wort googelt, dann spuckt Google wohl diese unromantische Bezeichnung aus.: ›Der Begriff Familie bezeichnet grundlegend eine soziologische Gemeinschaft, in der alle Mitglieder eine biologische oder juristische Verwandtschaftsbeziehung haben. Diese familiäre Beziehung kann durch biologische Abstammung, Heirat oder eingetragene Lebenspartnerschaft sowie Adoption begründet sein.‹

Soll es das sein?

Eine Art Zusammenschluss, einer soziologischen Gemeinschaft, die sich aus Gründen des Überlebens zusammenschließt?

Vielleicht war es früher so. Liebe hat nichts bedeutet – nicht in einer Familie und auch nirgendwo anders. Leute haben darüber gesprochen, Ehefrauen haben versprochen, den anderen zu lieben. Lieben zu lernen, aber kann man Liebe erzwingen?

Man kann es sich einreden, man kann es versuchen, aber das Herz, weiß was es will, auch wenn es nicht immer klar ist, das Bauchgefühl siegt, aber am Ende, ja am Ende gewinnt immer das Herz.

Auf die gute oder schlechte Weise.

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das erste Mal genau wusste, dass es das ist, was ich will: eine große, glückliche sich liebende Familie. Dass es nicht immer leicht werden wird ist mir durchaus bewusst, aber in meinen Träumen war es so schön. Zu schön. Eine traumhafte Schauspielkarriere, in Charaktere schlüpfen, sie verkörpern und sie zu etwas lebendigem machen. Eine Frau an meiner Seite zu haben, die mich in dem unterstützt was ich mache, die ich unterstütze, bei dem, was sie macht.

Das sind schöne Träume, aber die Realität sieht anders aus.

Träume sind wunderschön, erstrahlen in den buntesten Farben, während die Realität trist und grau ist.

»Chris, wo bist du schon wieder mit deinen Gedanken?«

Henry stupst mich mit seinem Ellenbogen an und holt mich zurück ins hier und jetzt, bevor die Gedanken mich vollkommen und unwiderruflich gefangen nehmen.

»Nirgends.«

Ich werfe ihm einen Blick zu, doch seine blauen Augen strahlen mir vorwurfsvoll entgegen.

Mein bester Freund kennt mich einfach zu gut.

Ich halte es nicht mehr aus. Ich kann meine eigenen Gedanken nicht mehr hören und ausschalten kann ich sie noch weniger. So langsam drehe ich durch und dass mein 42. Geburtstag immer näher rückt, macht es nicht besser.

Die Uhr tickt, mit jeder Sekunde verhöhnt sie mich immer mehr. Und so langsam habe ich es satt. Ich will nicht darauf warten, dass mir die perfekte Frau über die Füße stolpert. Ich habe es satt, dass mir jedes Mal die Hoffnung ein Stück mehr genommen wird.

Ich will nicht mehr. Ich kann nicht mehr.

»Es ist alles gut, Henry, ich werde mir nur etwas trinken holen«, ich klopfe ihm auf seine breite Schulter und schenke ihm ein gezwungenes Lächeln. Er sieht mich prüfend an, doch mit einem tiefen Atemzug lässt er mich dann gehen.

Die Gala ist bereits seit vielen Stunden in vollem Gange und dennoch hat mich noch nie eine Veranstaltung so sehr gelangweilt wie diese. Der Vorwand ist ähnlich wie die meisten Veranstaltungen, auf die ich eingeladen werde. Und wie die anderen verspricht sie etwas, was sie nicht hält.

Und dennoch bin ich hier, mache gute Miene zum bösen Spiel, wobei ich einfach nur alleine sein will.

Ich bleibe vor einem Tisch stehen, auf dem etliche Gläser Champagner stehen – nicht gerade das, was ich bevorzuge, aber meine Devise heute lautet: Hauptsache es knallt.

life of tears - chris evansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt