vi. sie ist wie der verbotene apfel im garten eden

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Juliet

»Na, wie geht es meinen kleinen Möhrchen?«

Henry betritt mit einem Grinsen die Terrasse, auf der ich gerade liege und versuche meine Kellerbräune in echte umzuwandeln – ohne Erfolg, sodass man meinen könnte, ich bin ein Vampir.

Wobei Werwölfe viel cooler als Vampire sind.

Beschissen.

»Gut.«

»Gut?«

Henrys Stimme klingt misstrauisch. Schließlich kennt er mich nun auch schon einige Jahre und weiß genau, dass ein ›gut‹ nicht immer ein gut ist.

Leise seufzt er auf. Seine blauen Augen suchen meine, während er sich auf die graue Sitzgelegenheit neben mich fallen lässt.

Sorge blitzt in seinem Blick auf.

»War das etwas zu viel?«, fragt er zerknirscht.

Oh Gott. Ich kann es nicht, wenn er mich mit diesem Blick ansieht. Ich konnte ihm noch nie böse sein, weil ich es einfach hasse, einen Menschen in irgendeiner Art und Weise zu enttäuschen.

»Henny, es ist alles gut«, erwidere ich und lege meine Hand auf seinen kräftigen Oberarm.

Einen Moment sehen wir uns stumm an, ehe seine Mundwinkel nach oben wandern.

»Henny«, grinst er und ich kann nicht anders. Meine Mundwinkel wandern ebenfalls nach oben.

»Es ist verrückt... Vor ein paar Jahren warst du noch mein kleines Möhrchen, das Henry nicht aussprechen konnte und deswegen immer Henny gesagt und nun...«, sein Blick wandert zu meinem Bauch, den man unter dem engen Top erkennen kann.

»So spielt das Leben, Henry, irgendwann wirst du auch die richtige Frau finden, mit der du eine Familie gründest.«

Leicht grinse ich ihn an. Ich weiß, dass er eine eigene Familie will und dass er ein wunderbarer Vater werden wird, aber bisher hat es in Sachen Liebe noch nicht geklappt, doch ich spüre, dass es bald so weit sein wird.

Henry weicht meinen Blick aus. Scheint in die Ferne, in der der blaue Himmel und die Spitzen der Berge miteinander verschwinden.

»Ich hoffe es...«

»Hey! Du sagst mir die ganze Zeit, dass ich positiv sein soll, aber selbst blast du Trübsal!«, beschwere ich mich, doch als er mich wieder ansieht, ein Lächeln auf den Lippen trägt, habe ich mein Ziel erreicht.

»Du bist gut im Ablenken«, brummt er dann und unschuldig dreinblickend zucke ich mit meinen Schultern.

Ich rede mit meinem großen Bruder über alles. Zumindest war das so, bis ich schwanger wurde. Aber über diese Sache kann ich einfach nicht reden, nicht, wenn ich noch nicht mit Chris gesprochen habe. Also richtig gesprochen...

Chris

Wie reagiert man, wenn eine eigentlich fremde Frau einem eröffnet, dass sie schwanger ist. Von einem. Wie reagiert man darauf, wenn die fremde Frau, die das Sinnbild der Göttin Aphrodite ist, die kleine Schwester des besten Freundes ist?

Kurzum, ich bin am Arsch.

Sowas von am Arsch.

Hasst mich mein Schicksal so sehr, dass es mir beinahe ein perfektes Leben gibt – ich fast alles erreicht habe, eine wunderbare Karriere, genügend Geld, viele Fans, die einen immer wieder aufbauen, all das, nur das Wichtigste wird mir verwehrt; eine Familie?

Ist mein Karma so schlecht?

Es gibt die verrücktesten Konstellationen in einer Familie. In der die älteste Tochter zuerst den neuen Stiefvater flachgelegt hat, in der die Mutter einen Freund im Alter der Kinder hat – aber, in meiner Vorstellung, meiner Traumvorstellung gibt es nur eins: eine liebende Familie. Mutter, Vater und Kinder. Kein Kind, das einen anderen Elternteil hat, doch dieses Wunschdenken kann ich mir abschmieren.

life of tears - chris evansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt