Kapitel 8

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Ich lehne mich zurück in die Kissen und schließe die Augen. Was wohl als nächstes kommt? Ich höre eine Tür aufgehen. Das klingt wie die Tür zu meinem Krankenzimmer.

Ein leichter Hauch von Yasmin liegt in der Luft. Automatisch findet ein kleines Lächeln auf die Lippen.

"Du musst es auch immer übertreiben, was Prinzessin?" Langsam öffne ich die Augen. Zwei strahlend Blaue blicken mich an. Auf ihrem Gesicht befindet sich ebenfalls ein kleines Grinsen.

"Normal kann doch jeder Doc." Meine Stimme ist weich, hat eine normale Lautstärke. Doc beugt sich leicht zu mir. Sie beginnt zu flüstern. "Was ist das mit dem Neuen und dir Kleines? Du scheinst nicht sonderbar scharf auf ihn zu sein." Ich zucke mit den Schultern. Meine Antwort ist ebenfalls ein Flüstern. "Keine Ahnung was das ist Doc. Wirklich nicht. Ich weiß nur, dass ich in seiner Nähe aufpassen muss. Das ist selbst Marc aufgefallen. Dennis und Sergej haben es nach Erwähnung aber auch mehr oder weniger bestätigt."

Doc sieht mir in die Augen. Ihr Blick wird mit jedem Wort besorgter, gleichzeitig aber auch kälter. Ihre gemurmelte Antwort ist kalt und die Stimme schwimmt nur so in Ironie und Sarkasmus.

"Also wenn es selbst den dreien auffällt, muss es ja wirklich schlimm sein. Aber dann verstehe ich nicht, warum Brian nicht eingreift."

Gedankenverloren legt sie den Kopf schief. Unsere Blicke fixieren sich gegenseitig. Da hat sie einen guten Punkt. Wenn es selbst die drei Männer bemerkt haben, wird es Brian definitiv auch aufgefallen sein. Doch warum unternimmt er nichts? In Gedanken beginne ich kleine Kreise mit den Fingern auf der Bettdecke zu malen. Eine Frage kommt mir in den Sinn. "War er hier?", flüstere ich.

Docs Augen wirken leer, so sehr ist sie in Gedanken versunken. Ihre Blick wird wieder klar, als ich sie anspreche. Doch Doc schüttelt leicht den Kopf, sodass ihre schwarzen Locken etwas auf und ab hüpfen.

"Ich denke, er wird auch nicht kommen." Verwirrt schaut Doc mich an. "Er ist bisher immer zu Besuch gekommen", murmelt sie. Ich nicke. "Das wird jetzt nicht mehr passieren."

Meine Stimme ist nur ein Hauch, doch ich weiß, dass Doc mich gehört hat. Ihr Gesichtsausdruck wird eine Mischung aus verwirrt, fragend, misstrauisch und ratlos. Ich schweige. Ich will meinen Gedanken nicht aussprechen. Doc kennt jeden von uns so gut wie ihre Kitteltaschen. Natürlich weiß sie als meine Ärztin auch, wer ich wirklich bin. Aber gerade weil sie uns alle so gut kennt, habe ich Bedanken, wenn ich ihr von meiner Vermutung erzähle. Sie greift nach meiner Hand, stoppt damit die kreisende Bewegung meiner Finger und drückt sanft zu. Das ist ihre Art der stummen Aufforderung, ihr zu erzählen, was ich denke.

Na schön.

Ich hole Luft. Meine Augen fixieren erneut die von Doc. "Seine Stimme hat trotz Chef-Modus gezittert", flüstere ich sehr leise.

Doc reißt die Augen auf und schnappt nach Luft. Sie wird bleich im Gesicht und zerquetscht dabei fast meine Hand. Ihr Griff verstärkt sich noch einmal, als sie in einer besorgniserregend tonlosen Stimmen stammelt. "Was? Seine Stimme", sie unterbricht sich selbst kurz bevor sie wieder ansetzt. "Du bist dir sicher?" Langsam nicke ich. Ich muss gestehen, diese Reaktion bereitet mir Sorge. Große Sorge. So heftig habe ich sie nicht erwartet. Doch meine Stimme ist fest, als ich auf Docs Frage eingehe. "Ohne Zweifel. Sie hat gezittert."

Doc lässt schlagartig meine Hand los und springt auf. Ruhelos beginnt sich neben mir auf und ab zu tigern. Ich behalte sie im Blick, suche etwas, das mir verrät, was in ihr vorgeht. Nach einigen Minuten gebe ich es jedoch auf.

Genervt und frustriert seufze ich auf. Das Geräusch wird von meiner Hand begleitet, mit der ich mir durchs Gesicht fahre. Doc murmelt die ganze Zeit etwas vor sich hin. Es dringen Fetzen an meine Ohren wie 'das kann nicht sein' oder ' das ergibt keinen Sinn'.

"Doc!" Ich rufe ihren Namen, um sie in das Hier und Jetzt zurückzuholen. Es funktioniert, denn sie bleibt mit dem Rücken zu mir stehen. Stille legt sich über uns. Ich traue mich nicht einmal mich zu bewegen. "Er hat Angst, Prinzessin." Dass sie plötzlich die Stille durchbricht, habe ich nicht erwartet. Ich weiß, dass ich die Antwort nicht hören will, aber ich muss es wissen. Muss nachfragen. Denn aktuell habe ich keine Ahnung, was los ist. Alles in mir sträubt sich, diese Frage zu stellen, denn die Antwort wird alles ändern.

"Vor wem oder was?" Zu mehr als einem schwachen Flüstern bin ich nicht im Stande. Doc reagiert nicht. Sie steht wie angewurzelt mitten im Raum mit dem Rücken zu mir. Langsam, wie in Zeitlupe, dreht sie sich zu mir um. Ihr Blick ist kalt. Nein, er ist leer. Ich schlucke. Das, was jetzt kommt, wird mir ganz und gar nicht gefallen. Als Doc Luft holt, halte ich genau diese an. Sag es nicht, bitte sag es nicht. Ihre Lippen teilen sich. Und dann kommt die Antwort, die ich nicht hören wollte. Ihre Stimme ist dabei so tonlos, wie ihre Augen leer sind. "Vor dir."

Scheiße!

Das ist gar nicht gut. Nein, das ist sogar noch viel schlimmer! Wenn ein Anführer vor einem Mitglied seiner Organisation Angst hat, gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder man wird unter Beobachtung gesetzt oder man landet direkt auf der Abschussliste.

Meine Augen weiten sich leicht, als mich die Erkenntnis trifft. Deswegen der Babysitter. Brian will mich nicht direkt auf die Abschussliste setzen.

Aber warum nimmt er dafür einen Neuling? Das macht keinen Sinn. Also so gar keinen, da die Neulinge meist in Panik verfallen und erst ausgebildet werden müssen. Und da fällt mir etwas auf.

Draco ist in keiner Situation bisher in Panik verfallen. Ganz im Gegenteil.

Er fand es amüsant.

Wie waren seine Worte? Das hat Spaß gemacht?  Sofort breitet sich ein komisches Gefühl in mir aus. Seine Wirkung auf mich kann ich definitiv nicht bestreiten. Das ist nicht gut. Um genau zu sein, ist das eine Katastrophe!

Meine Augen, mein Gesichtsausdruck werden so ausdruckslos wie bei Doc. Wir beide wissen, was das bedeutet und es bestätigt mich nur in meinem Plan, mehr Informationen über den Neuzugang einholen zu müssen. Ich frage mich wirklich, was Brian sich dabei gedacht hat.

Mit einem lauten Knall und starkem Windzug geht die Tür zu meinem Krankenzimmer auf. Als ich meinen Blick von Doc abwende, um nachzusehen, wer uns stört, treffe ich auf zwei schwarze Augen, die mich ausgiebig und hungrig mustern.

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