35. Kapitel

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„Happy Birthday, Happy Birthday to you.“ Hörte ich stimmen an meinen Ohr. Unnachgiebig sangen sie weiter.
„Heute soll es regnen, stürmen oder schneien.“ Kein Ton traf. Es hörte sich grausam an.
Lächelnd öffnete ich meine Augen. Vor mir stand ein ganzer Haufen. Munter und voller Elan sangen sie, in einer Ohren betäubenden Lautstärke.
Ich hatte wirklich Angst, dass die Nachbarn sich wegen Ruhestörung beklagen.

„He ihr singt schief.“ Lächelte ich in die Runde. Sofort verstummte der Clan. Nacheinander stürmten alle zu mir ans Bett und nahmen mich fest in den Arm. Nach den ganzen Glückwünsche stand ich auf und zog mich an.
Ein kurzes Wickelkleid mit einer schwarzen Leggins. Das Wetter war für Anfang Mai traumhaft. Die Sonne schien kräftig vom Himmel. Die ersten Blumen blühten.

Stolz stand ich vor meinem Spiegel. Meine Haare waren ein gutes Stück gewachsen und hingen seidig sanft über meine Schultern. Mein Gesicht wirkte erwachsener.
Endlich 16. Endlich bis zwölf fortgehen und Legal Bier trinken. Dachte ich mir. Innerlich konnte ich vor Freude hüpfen.
Schwungvoll setzte ich mich an den Tisch. Auf meinen Platz lagen unmengen an Konfetti und Luftschlangen. Jedes Jahr schmückten die Männer den Frühstückstisch. Ich vermutete, dass Phil dahinter steckte. „Na meine große. Franco hat dir deinen lieblings Schokoladenkuchen gebacken.“ Mit diesen Worten stellte mir Phil einen Kuchen vor die Nase. 16 Kerzen brannten munter vor sich hin.
„Wünsch dir was.“ Riefen sie im Chor. Fest drückte ich meine Augen zusammen und wünschte mir etwas. Mit einem Atemzug pustete ich die Kerzen aus.
Strahlend lud ich mir ein Stück auf meinen Teller.
Phil, Stephan, Alex und Papa saßen neben mir. Die anderen mussten arbeiten, sie hatten mir aber schon über WhatsApp geschrieben.
Ausgelassen lachten wir über Stephans Witze. Einzig allein mein Vater saß still da. Ich musterte ihn. Er spürte meinen Blick und sah mich an. Ein gezwungenes Lächeln erschien auf seinen Gesicht. Bevor ein schatten sich wieder darüber legte.
Jedes Jahr war es das selbe. Er konnte sich einfach nicht freuen. Zu sehr dachte er an die Ereignisse von vor 16 Jahren.

Auf den Tag drei Wochen nach meiner Geburt starb meine Mutter. Nach endlos langen Kampf gegen den Krebs. Papa trauerte immer noch sehr. Ich wusste das die nächste Zeit für ihn schlimm war. Nichts desto trotz genoss ich meinen Geburtstag.
In der Schule sagen sie für mich, was sich deutlich besser anhörte, wie wenn die Männer sangen.

Am Nachmittag stieg eine kleine Feier. Wir grillten, Mimi und Daniel kamen vorbei. Es wurde spät.
Mimi schlief bei mir. Zusammen legten wir uns in mein Bett.
„Was machst du am Wochenende?“ fragte sie mich. Ich zuckte nur mit den Schultern. „Ich weiß nicht. Weggehen darf ich sicherlich nicht. Papa vertraut mir eh schon nicht.“ Seufzend ließ ich mich zurück in mein Kissen fallen. „Wie gern würd ich Mal wieder einen Tag mit Mike verbringen. Heute haben wir auch nur kurz telefoniert.“ Die Zeit mit Miriam fühlte sich wunderbar an. Es fühlte sich an, als ob wir nie einen Streit gehabt hätten.

Die Woche verging schnell. Zu schnell. Mein Vater zog sich immer mehr zurück. Es war, als wenn er sich in einen Schneckenhaus verkroch. Nur wenn es nötig war, kam er zum Vorschein.
Ich merkte, dass er mit den Nerven am Ende war. Entweder er sprach gar nichts, oder aber er war so schnell gereizt, dass es in einen riesen Streit ausbrach.
Am Abend saß ich auf der Couch. Meine Beine stark angewinkelt und die Arme fest umschlossen. Wir hatten wieder einen riesen Streit. Der Lange hatte mir eine vier auf meine Geschichtsarbeit gegeben. Obwohl ich sie ziemlich gelungen fand.
Als Papa davon erfuhr, war er natürlich ziemlich entsetzt.
Ich schob es auf den Lehrer, schließlich wusste jeder, dass er mich nicht leiden konnte. Daraufhin erwiderte mein Vater: „Hör auf immer die Schuld bei den anderen zu suchen. Schau erstmal auf dich selbst, du bist auch nicht perfekt.“ Immer wieder drangen die Sätze in meinen Kopf.
Ich merkte wie sich das Sofa neben mir senkte. „Lass den Kopf nicht hängen.“ Fest drückte mich Phil an sich. Mein Herz wurde schwer. „Manchmal hab ich das Gefühl, dass er mich gar nicht liebt.“ Sprach ich meine innersten Gedanken aus. „Ich mein, dass er mir die Schuld an Mamas Tod gibt.“ Seufzend vergrub ich mein Gesicht auf meinen Armen. Kraftlos, ausgelaugt. Meine Gedanken übermahnten mich. Zu oft wünschte ich mir, meine Mutter gekannt zu haben. Zu oft dachte ich darüber nach, was wäre, wenn...
Verwarf die Gedanken, dann wieder. Ich war froh, die Männer um mich herum zu haben. Mir fehlte nie etwas, in meinem Leben. Sie waren immer für mich da. Trotzdem blieb ein kleines Loch in meinem Herzen.
„So ein Quatsch. Dein Papa liebt dich mehr als alles andere. Er steht immer hinter dir. Du weißt wie sehr ihn das alles mitnimmt. Gerade diese Woche ist schwer. Gib ihn Zeit. Gib ihn dein volles Verständnis.“

„Ich weiß nicht ob ich das kann.“ Kam ein flüstern über meine Lippen. Ich fühlte mich besser nach den Gespräch. Phil war wie ein Vater für mich. Immer da, immer voller Verständnis und immer spürte ich seine liebe.

Papa musste die nächsten Tage für Birgit auf der Wache einspringen. Sie hatte sich das Handgelenk gebrochen.
Eigentlich hatte er immer frei. Um diese schwere Zeit zu verkraften. Jeder auf der Wache wusste um den Tag. Der Personal Mangel machte sich auf der Wache nur allzu deutlich. Ständig mussten sie extra Schichten schieben, sobald ein Arzt oder Sanitäter ausfiel, wurde der ganze Dienstplan umgeschmissen.

Am Abend vor Mamas Todestag saß ich an den Wohnzimmertisch. Ich wartete bis Papa von der Arbeit nach Hause kam. In der Hoffnung, dass ich ihn ein wenig aufmuntern konnte.
Als die Uhr kurz nach acht anzeigte, klappte ich stöhnend meine Bücher zu. Eigentlich sollte er seit zwei Stunden Feierabend haben. Mein Kopf dröhnte vor lauter Lernstoff.

Gespannt sah ich auf mein Handy. Ich wartete seit gestern früh auf eine Nachricht von Mike. Es kam momentan öfters vor, dass er sich nicht meldete.
Wir hatten uns lange nicht mehr gesehen. Er meinte, dass er zu viel Stress mit der Arbeit hatte. Ich vermisste ihn.
Traurig legte ich mich auf die Couch. Ich hatte gehofft, dass ich Papa heute noch sehen konnte. Gelangweilt zappte ich durch das Programm. Blieb dann bei einer Serie über die Königsfamilie hängen. Wie schön musste es sein, machtvoll und reich zu sein.

Völlig in Gedanken versunken schreckte ich zusammen als die Türe aufging. Stephan kam herein und sah abgehetzt aus. „Was ist los?“ fragte ich halb amüsiert. Stephan schüttelte den Kopf.
Schritte erklangen im Flur.
Neugierig stand ich auf und sah nach. Ein Bild das ich nicht mehr so schnell vergaß.
Phil und Alex hatten eine zusammen gesunkene Gestalt links und rechts von sich. Papa konnte nicht mehr richtig stehen. Wankend war er zwischen den beiden eingeklemmt. Nicht wissend was hier passiert war kam ich näher.
„Charly, geh bitte. Eine Tochter sollte ihren Vater nicht in so einen Zustand sehen.“ Voller Mitgefühl, sah mich Alex entschuldigend an. „Denkst du nicht, dass ich mittlerweile Alt genug dafür bin.“ Fragte ich angepisst in die Runde. „Deine Entscheidung“ hob er seine Hände. Zu dritt schafften sie ihn nach oben. Ich machte mir Sorgen. So lang ich denken konnte hatte mein Vater kein solchen Absturz.
Die zwei Ärzte verfrachteten ihn ins Bett. Wenig später saßen wir zusammen auf der Couch. „Sorry Charly. So war das nicht geplant.“ Fing Phil an. Nervös fuhr er sich durch die Haare. Sie standen in alle Richtungen ab.
„Warum?“ war alles was ich hervor brachte.
„Er hatte in der Arbeit einen Todesfall. Eine junge Frau, Anfang 20. Suizid nach aussichtsloser Krebsdiagnose.“ Alex seufzte schwer. Er brauchte nicht mehr weiter zu sprechen.
Ich konnte mir ausmalen, was danach geschah. Papas alleiniger Ausweg, war sich in der Bar zu betrinken. Alles vergessen, was den Tag so schlecht machte. Das es ihn ruhig schlafen ließ.

„Er bekommt das auf die Reihe.“ Antwortete ich hoffnungsvoll. Die Ärzte machten meinen Glauben zunichte. „Ich hab eine Empfehlung für einen Therapeuten geschrieben. Oli soll sich in Professionelle Hilfe begeben.“ „Wird er nicht machen.“ Gab ich mein Bedenken kund. „Er hat keine andere Wahl. Sonst bin ich gezwungen ein Arbeitsverbot auszusprechen.“


Müde ging ich am nächsten Morgen die Treppe hinunter. Die ganze Nacht lag ich wach. Die Bilder von Papa geisterten noch immer in meinen Kopf herum. So Hilflos, wie er in den Armen seiner beiden Freunden hing. Er spie sich in der Nacht noch ordentlich die Seele aus den Leibe.
Phil legte daraufhin einen Zugang und flößte ihn einige Liter ein.
Seufzend machte ich mir eine heiße Schokolade. Ich nahm mir vor, danach nach Papa zu sehen. Stille legte sich über das Wohnzimmer. Langsam trank ich aus. Achtlos ließ ich die Tasse auf den Tisch stehen.

Auf der Treppe vernahm ich stimmen. Franco diskutierte hitzig. Immer wieder waren italienische Wörter dazwischen.

Papas Tür war nur angelehnt. Langsam schob ich sie auf. Papa stand in der Mitte Franco daneben. Beide diskutierten in einer geringen Lautstärke. „Denk doch auch mal an deine Tochter. Die nimmt das auch alles mit. Du führst dich seit Monaten, wie der letzte Egoist auf. Mittlerweile kann ich sie gut verstehen. Managgia, reiß dich zusammen.“
Langsam betrat ich das Zimmer. Ich wollte nicht, dass sie noch mehr über mich redeten. Sofort verstummte das Gespräch. „Ich lass euch zwei alleine.“ Flüchtete Franco aus den Zimmer.

Erschöpft, setzte sich Papa auf sein Bett. Dunkle Augenringe zierten sein Gesicht. Er wirkte eingefallen und um Jahre gealtert. „Es tut mir leid. Ich wollte nicht, dass es gestern so aus den Ruder läuft.“ Fing er langsam, mit zittriger Stimme an. „Ich konnte nicht mehr klar denken.“ Schweigend saß ich daneben. Wusste nicht was ihn antworten sollte. Dann geschah etwas, was mich völlig überforderte.
Langsam löste sich eine Träne aus seinen Augen. Papa weinte. „Ich vermisse sie so sehr. Jeden Tag erinnerst du mich mehr an sie.“ Traurig ließ er seinen Kopf sinken. Mit Ausdrucksloser Miene starrte er den Boden an. Ich lehnte mich zu ihn rüber. Fest umklammerte ich ihn. „Geh zu einer Therapie.“ Flüsterte ich leise. „Bitte“ fügte ich flehend hinzu. Ein Kloß bildete sich in meinen Hals. Es war schwer für mich meinen Vater so fertig zu sehen.
Lange saßen wir in dieser Position. Bis er sich bewegte. „Ich verspreche es dir.“ Klar und deutlich drangen seine Worte zu mir durch. Erleichtert nickte ich. In der Hoffnung alles würde gut werden.

Schwierige Zeit/ Asds, AS FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt