Auf in die Stadt

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Schweigend stapften wir durch den Wald zurück zur Straße. Unsere Mittelerdler schienen alle in Gedanken weit weg zu sein. Fürs Erste war ihnen der Weg nach Hause versperrt und sie mussten hier bei uns bleiben. Ich konnte verstehen, dass ihnen das zu schaffen machte. Es würde wohl eine Weile dauern, bis sie sich mit dieser Situation angefreundet hatten. Ich beschloss, ihnen Ruhe zu gönnen, und lief wortlos vorneweg.

Nach einiger Zeit durchbrachen wir das Dickicht, welches die Straße umgab, und traten auf den Teer hinaus. Warmer, freundlicher Sonnenschein empfing uns, als wir uns in Richtung der Stadt wandten.

„Lauft auf der linken Straßenseite!", rief ich den anderen zu, „Hier kommen zwar wenige Autos lang, aber nur für alle Fälle!"
Geschockt sah Bilbo zu mir hinüber und mühte sich, der Anweisung Folge zu leisten.
„Was meint ihr sollten wir alles einkaufen?", fragte ich meine Schwestern, die mittlerweile zu mir aufgeschlossen hatten.
„Erdnussbutter!", kam die prompte Antwort von Lis und ich verdrehte mit einem leisen Lachen die Augen.

„Auf jeden Fall massig Sachen, die sich gut halten.", fuhr ich in meinen Überlegungen fort.
„Brot, Nudeln, Kartoffeln...", sinnierte Ela vor sich hin, „Außerdem TK-Pizza, das ist immer gut. Ich wette, die mögen auch Chips!"
„Bilbo bringt uns um, wenn wir ihm weiter Konserven vor die Nase setzen. Also Kisten mit frischem Obst und Gemüse für unseren Hobbit. Denkt ihr, wir müssen für die Zwerge viel Fleisch kaufen?", fuhr ich fort.

Bei der Vorstellung, wie begeistert die Zwerge durch die Fleischauslage wühlen würden, schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen, das instant wieder gefror.
„Logikfehler!", rief ich aus und blieb auf der Stelle stehen.

Alles wandte sich mir verwundert zu.
„Äh, Dia?", fragte Lis. Ich ignorierte sie, sondern starrte die Mittelerdler an. Das würde ein Problem werden.
„Was ist los?", fragte Kili irritiert.

„Prozessor mal wieder überhitzt?", scherzte Lis und wedelte mit der Hand vor meinen Augen rum.
Haldir machte mit besorgter Miene einen Schritt auf mich zu.
„Ihr könnt so nicht rumlaufen!", platzte es aus mir raus, „Ihr werdet sofort auffallen!"

„Tatsache", machte Ela und biss sich nachdenklich auf die Unterlippe.
„Und was schlägst du vor?", fragte Thorin gereizt, scheinbar nervte ihn die Tatsache, hier festzustecken, immer noch gewaltig, „Wir haben nichts anderes!"
„Ausziehen, nackt einkaufen gehen!", fauchte ich ihn wütend an. Manchmal ging mir dieser grummelige Zwerg extrem auf den Zeiger. Was konnten wir dafür, dass sie hier feststeckten? Er sollte froh sein, dass mir der Gedanke noch gekommen war!

Thorin klappte den Mund auf und wieder zu. Mein Vorschlag hatte ihm erstmal die Sprache verschlagen. Neben mir brachen Ela und Lis in haltloses Gelächter aus, in das nach einem Moment der Verwirrung auch die anderen einstimmten.
Nur Thorin sah mich mit wütendem Blick an und stapfte ein paar Meter von uns weg.

„Nein, im Ernst jetzt,", brachte Lis zwischen zwei japsenden Lachern hervor, „wir müssen euch einkleiden."
Ich nickte.
„Am besten versteckt ihr so viel wie möglich von eurer Ausrüstung hier im Wald, Waffen, Mäntel, Westen und so weiter. Und wenn euch irgendjemand anspricht, ihr macht COSPLAY, verstanden?"
„Was ist Gosblei?", erkundigte sich Gandalf interessiert.
„So nennt man das, wenn man sich als eine Figur aus einem Film oder Buch verkleidet.", erklärte Ela mit leuchtenden Augen.
„Warum sollte man das tun?", fragte Bilbo verwirrt, worauf Ela auskunftsfreudig erwiderte: „Fans machen das, weil... weil..."
„... es ihnen das Gefühl gibt, Teil der Welt zu sein, in der das Buch oder der Film spielt.", beendete Lis den Satz, winkte dann aber weitere Fragen ab, die den anderen geradezu ins Gesicht geschrieben standen, und wandte sich mir zu.

„Hier gibt es aber gerade keine Convention oder einen Mittelaltermarkt, das ist immer noch echt auffällig.", murmelte sie und ich kratzte mich an der Nase.
„Ihr seid einfach mit dem Flugzeug von einer Convention hierher gekommen und habt euer Gepäck verloren, das passiert andauernd.", warf Ela ein.
„Wir sind womit von was gekommen?", echote Fili total verwirrt und Ela wiederholte nochmal ganz langsam: „Ihr wart als Cosplayer auf einer Convention und seid nun bei uns zu Besuch, aber beim Flugzeug ging euer Gepäck verloren, weswegen wir euch jetzt erstmal frisch ausstatten müssen."
„Könnt ihr euch das merken?", fragte ich in die Runde.
„Klar können wir das.", brummte Thorin, „Wir sind keine beschränkten Orks."
Die Antwort sparte ich mir, denn um ehrlich zu sein zweifelte ich daran, dass Thorin auf Nachfrage die Erklärung einfach so herunterleiern konnte. Und nach einem Blick in Haldirs Gesicht erkannte ich an seinen hochgezogenen Augenbrauen, dass es ihm ganz ähnlich ging.
„Vermeidet am besten jedes Gespräch.", murmelte ich. Ich würde einfach beten, dass alles gut gehen würde.

Von Weltenportalen, Zwergencocktails, strickenden Zauberern und ElbendatingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt