Kapitel 3

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Am Ende vom Tag konnte man sich immer nur auf sich selbst verlassen, daran war Tobio im Laufe seines Lebens immer wieder auf schmerzhafte Weise erinnert worden.

Seine Eltern waren nie für ihn da gewesen, seine Schwester hatte ihn verlassen, sein Großvater war ihm einfach weggestorben, seine Freunde hatten ihn in der Mittelschule im Stich gelassen, und sein Volleyball-Team und seine Senpais ebenfalls, und am Ende der Mittelschule war sogar niemand mehr da gewesen um seine Bälle anzunehmen. Sie hatten einfach alle damit aufgehört ihm den Rücken frei zu halten, sogar sein Coach hatte ihn auf die Bank befohlen anstatt sich für ihn einzusetzen. Damals bei jenem Match hatte Tobio jeden Glauben an die Menschheit, den er noch besessen hatte, endgültig verloren. Damals war ihm klar geworden, dass es ein Fehler war sich auf andere zu verlassen, und dass er sich nur auf sich selbst verlassen konnte.

Doch dann war die Oberstufe passiert, und er hatte das Karasuno-Volleyball-Team kennenglernt und festgestellt, dass es offenbar doch Menschen gab, auf die er sich verlassen konnte, und die ihm nicht im Stich lassen würde, selbst wenn er sich daneben benahm oder ihren Anforderungen nicht gerecht wurde.

Doch am Ende der Oberstufe hatte Shouyou ihn verlassen um nach Brasilien zu gehen. Und obwohl die Tobio die Gründe dafür verstanden hatte, hatte es doch weh getan, und dass ihre Beziehung kurz darauf zerbrochen war, nun das hatte nur noch mehr weh getan. Er erinnerte sich an die Fotos von Shouyou und Oikawa, die er auf deren Social Media gesehen hatte, und daran wie weh ihm dieser Anblick getan hatte.

Seine Freunde von der Karasuno er hatte sie immer seltener gesehen, immer seltener mit ihnen gesprochen, bis er schließlich beinahe vollkommen jeden Kontakt zu ihnen verloren hatte. Ein Teil von ihm gab sich selbst die Schuld daran. Wenn er sich mehr Mühe gegeben hätte in Kontakt zu bleiben ... Aber ein anderer Teil fragte sich warum eigentlich immer nur er derjenige war, der seine neue Adressen und Telefonnummern an die anderen weitergab, der ihnen die E-Mails schreiben musste, der sich bemühen musste in Kontakt zu bleiben. Warum gab sich zur Abwechslung niemand anderer einmal Mühe in Kontakt zu bleiben? Warum musste er Neuigkeiten aus deren Leben aus der Social Media oder von anderen Personen erfahren und nicht von ihnen selbst? Nun, weil er ihnen offenbar nicht wichtig genug war um mit ihm befreundet zu bleiben, deswegen.

Also ließ er sie ziehen, ließ sie ihr eigenes Leben leben so wie er einst Miwa ihr eigenes Leben hatte leben lassen. Nur Shouyou konnte er nicht ziehen lassen, weil Shoyou als Einziger von der Karasuno weiterhin Volleyball spielte und so weiterhin Teil seines Lebens blieb. Selbst wenn er ihn hätte aufgeben wollen, wäre es ihm nicht gelungen. Shouyou blieb also immer Teil seines Lebens.

Doch er bewies Tobio auch immer wieder, dass er sich eben nicht auf ihn verlassen konnte, dass er am Ende genauso wie alle anderen sich selbst und seine eigenen Bedürfnisse wichtiger nahm als die von Tobio. Und nicht einmal ein Ehering schien ihn dazu zu bringen Tobios Bedürfnisse zumindest genauso wichtig zu nehmen wie seine eigenen.

Weil er also wusste, dass er sich auf niemanden verlassen konnte, hatte er auch nicht damit gerechnet, dass jemand kommen und sich freiwillig um ihn kümmern würde. Miwa und Ichiru waren dazu verpflichtet ihn zu helfen, weil es schlecht aussehen würde, wenn sie das nicht täten, und er hatte jeden Tag aufs Neue gemerkt wie ungerne sie ihn in ihren Leben hatten. Aber dann war Shouyou aufgetaucht, ausgerechnet Shouyou, und schien nicht vorzuhaben wieder wegzugehen. Schien vorzuhaben sich um ihn zu kümmern, ob er damit einverstanden war oder nicht.

Und ein Teil von ihm, der war von dieser Geste so gerührt, dass er daran glauben wollte, dass sie ernst gemeint war. Dass Shouyou sich nicht nur aus falsch verstandenem Pflichtgefühl heraus um ihn kümmerte. Doch er versuchte sein Bestes diesen Teil von sich zum Schweigen zu bringen, sich daran zu erinnern, dass er sich nicht auf Shouyou verlassen konnte, dass er sich auf niemanden verlassen konnte.

Lonley at the TopWo Geschichten leben. Entdecke jetzt