4. Kapitel

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Am nächsten Morgen wurde ich durch Weinen geweckt.

„Nein, ich will nicht in den Kindergarten!", schrie eine wütende Zoe. Dann hörte ich Alice, die beruhigend auf sie einredete und wieder Schluchzen. Schnell stand ich auf, machte mich Tagfertig und ging auf den Flur. Obwohl das Mädchen mich gestern nur gesehen hatte, als sie kurz aufgewacht war, weil Mike sie ins Bett gelegt und ich sie zugedeckt hatte, rannte sie auf mich zu, klammerte sich an mir fest und weinte weiter. Tröstend strich ich ihr übers Haar, hob sie hoch und summte leise eine beruhigende Melodie. Langsam wurde die Kleine ruhiger.

Alice lief zu der - inzwischen durch Zoes Wutanfall aufgewachten - schreienden Melody. Als meine Gastmutter mit dem Baby auf dem Arm wieder zurück auf den Gang kam, formte sie mit ihren Lippen ein Danke!. Ich lächelte sie an.

„Darf ich Zoe kurz entführen?", fragte ich. Als deren Mutter nickte, trug ich das Mädchen in mein Zimmer und setzte sie auf mein Bett. Ich selbst kniete mich vor sie, strich ihr die Haare, die ihr durch ihren Weinanfall ins Gesicht gefallen waren, hinter die Ohren und wischte ihre Wangen trocken. Währenddessen fing sie an zu erzählen, wurde jedoch noch durch ein paar Schluchzer unterbrochen. Sie wolle nicht mehr in den Kindergarten, weil alle gemein zu ihr sein. Außerdem würde sie doch eh schon im Herbst in die Schule kommen und weil ich jetzt auf sie aufpassen könne, müsste sie doch nicht mehr in den Kindergarten, meinte sie und sah mich verzweifelt an. Ich nahm sie noch einmal in die Arme, da ich genau wusste, wie man sich fühlt, wenn man gehänselt wurde. Ich merkte, wie der Kopf der Kleinen immer schwerer auf meiner Schulter wog. Als ich sie ruhig und gleichmäßig atmen hörte, legte ich sie auf mein Bett und breitete eine Decke über sie. Dann verließ ich auf Zehenspitzen den Raum.

In der Küche saßen Alice, die Melody stillte, Mike und Nick. Ich setzte mich zu ihnen und erkundigte mich, ob Zoe heute nicht zu Hause bleiben könne. Nachdem ich ihnen die ganze Geschichte erzählt hatte, willigten meine Gasteltern ein.

Nick rief sofort: „Darf ich auch zu Hause bleiben?" Nach einigem Hin- und Herüberlegen stimmten sie auch bei ihrem Sohn zu.

„Wo ist Zoe jetzt eigentlich?", fragte Mike plötzlich. „Sie liegt in meinem Bett und schläft vor Erschöpfung.", antwortete ich lächelnd. Doch kaum hatte ich das gesagt, stand die Sechsjährige auch schon im Esszimmer. Und sah mich verlegen an. Ich musste lächeln. Mir wäre es in ihrem Alter sicher genauso gegangen, nachdem ich einer beinahe wildfremden Person mein Leid geklagt und ihr T-Shirt nassgeweint hätte.

Nick und Zoe spielten in ihrem Spielzimmer, Mike war arbeiten und Alice hatte sich mit Melody noch einmal hingelegt, als es an der Haustüre klingelte. Ich machte die Tür auf und bat die davorstehende Taylor herein. Mit ihr zusammen ging ich zu den Kindern und wir sahen ihnen beim Spielen zu: Zoe war die Mutter, Nick der Vater und die Puppen der beiden waren die Kinder. Das vorher so traurige Mädchen war jetzt aufgeweckt und fröhlich, so als hätte sie niemals Kummer gehabt. Als wir merkten, dass sie uns nicht brauchten, gingen Taylor und ich ins Wohnzimmer, wo ich anfing die Wäsche zusammenzulegen. Alice hatte zwar gesagt, sie würde es später machen, aber die Frau hatte so erledigt ausgesehen, da das Baby heute Nacht nicht schlafen wollte, sodass ich mir dachte, es wäre besser, wenn ich ihr das abnähme. Dank Taylors Hilfe, waren wir nach etwa einer viertel Stunde fertig. Den Grund warum sie gekommen war, erfuhr ich dabei auch. Sie hatte Zoe Schreien gehört, sich gedacht, dass sie wieder einmal nicht in den Kindergarten gehen würde und wollte deshalb wissen, ob wir nicht mit ihr ihre Familie besuchen wollten. Perplex starrte ich Taylor an, doch sie fing nur an zu lachen und erklärte, dass die Kleinen ihre Eltern und ihren Bruder bereits kannten. Es würde die drei freuen die Kinder wiederzusehen, meinte sie.

Um halb zehn stand Alice auf und kam zu uns ins Wohnzimmer. Als sie die zusammengelegte Kleidung sah, fragte sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen ob es denn in diesem Haus Heinzelmännchen gäbe. Ich musste lachen. Meine Mutter sagte das auch immer. Noch bevor ich Alice auf den Ausflug mit Taylor ansprechen konnte, hatte diese sie schon in ihren Plan eingeweiht und meine Gastmutter stimmte zu.

I'm only me when I'm with you (Taylor Swift)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt