Zweifel

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Kyran's Pov

Es wurde jeden Tag stärker. So fühlte es sich zumindest an.
Zwei Tage die Woche lernte ich mit Elijah und unsere Strategie vom Anfang funktioniert - leicht abgewandelt - sehr gut. Jedoch wurde es immer schwieriger, mich zu konzentrieren, ihn nicht die ganze Zeit abzustatten und ihn anfassen zu wollen. Seit zwei Wochen ging das nun schon so und seit zwei Wochen lernten wir bereits zusammen. Die Hoffnungen von den Lehrern, das wir uns dabei ein bisschen besser kennenzulernen würden, war bis zu einem besonderen Tag noch unausgefüllt.

Es war 17 Uhr. Tom war irgendwo und meine Mutter würde erst gegen Mitternacht nach Hause kommen, weshalb wir uns auch in der Küche breit gemacht hatten. Schließlich stand in der Küche unser großer Esstisch.
Wir machten gerade eine Pause, da niemand von uns mehr wirklich Lust hatte und während ich gedankenverloren auf einen unbestimmten Punkt auf den Boden sah, spürte ich deutlich Elijah's stechenden Blick auf mir und mein Herz raste. Ich liebte es, so in seiner Aufmerksamkeit zu stehen. In seiner ungestörten Aufmerksamkeit zu stehen und alleine mit ihm in einem Raum zu sein - auch wenn dies pervers klang.

»Weißt du ... in meiner alten Schule, da gab es sowas wie Rollenverteilungen nicht! Es wurden keine Unterschiede, zwischen Badboys, Fuckboys, Losern, Strebern und was weiß ich was gemacht! Es gab nur die Mobber und die, die eben ...«, er suchte nach dem richtigen Wort. »Anders waren!«
Ich blieb still. Obwohl ich mehr hören wollte, wollte ich auch genau zwei Dinge wissen. Nr. 1: Warum der Typ im Club ihn vor zwei Wochen als Schwuchtel bezeichnet hatte?! Nr. 2: Wie er war, bevor er auf meine Schule kam?!
»Rede gerne weiter«, sagte ich, als von ihm nichts mehr zu kommen schien und wir sahen uns an. »Was soll ich denn erzählen?«, fragte er und als ich eine meiner Fragen stellen wollte, zögerte ich und ließ es dann doch bleiben.
»Mein Gott jetzt frag doch einfach! Ich werde dich für keine Frage verprügeln, außer du willst über die glückliche Familie sprechen!«, sagte Elijah genervt und legte kurz den Kopf in den Nacken, dann sah er mich wieder an. Nervös spielte ich mit meinen Fingern und versuchte erfolglos seinem Blick auszuweichen, doch seine Augen schienen mich zu fixieren.
»Warst du auch schon auf deiner alten Schule so, wie du jetzt bist?«, fragte ich und Elijah presste die Lippen aufeinander. Sein Blick ging nun genau an mir vorbei und seine dunklen Augen schienen noch glanzloser und dunkler zu werden.
»Sorry, das hätte ich nicht fragen dürfen! Vergiss es!«, sagte ich deshalb schnell und Elijah's Blick lag wieder auf mir. »Nein, nein! Ist schon gut! Ich ...«, nun war er es, der auf seine Finger sah. Plötzlich verflog das Selbstbewusstsein und er schien mir eine neue, mir unbekannte Seite zu offenbaren. Eine ohne Wut, Selbstbewusstsein, Freude und Selbstverliebtheit. Eine Seite, voller Schmerz und Trauer.
»Ich war nicht immer so, wie ich jetzt bin! Früher ... hab ich bei meiner Mutter und meiner Schwester gelebt und war glücklich! Immer hab ich gelacht, das Leben in vollen Zügen genossen und bis ich dreizehn war, war alles perfekt!«, seine Stimme war brüchig, leise und traurig. »Doch dann plötzlich würde ich geoutet, von einem Mitschüler! An der Schule haben sich sofort alle von mir abgewandt, zuerst wurde nur gelästert und ich hatte keine Freunde, doch dann würde ich täglich immer schlimmer beleidigt! 3 ½ Jahre lang, wurde ich verprügelt, gemobbt, angegriffen, gehasst! Meine Mutter war kaum zu Hause und meine Schwester war die einzige Person, die mich unterstützt hat! Doch dann ist sie gestorben und ... meine Mutter kam damit nicht klar! Es war meine Schuld und sie wusste es, weshalb sie mich begann zu verabscheuen und hierher abgeschoben hat, zu meinem Vater! Und jetzt bin ich nunmal so, wie ich bin! Die Schule hab ich als Neuanfang gesehen, also habe ich alles anders gemacht, als früher und es tut mir leid! Mir tut es leid, dass ich dich gemobbt habe, für etwas, das selbstverständlich ist!«, erzählte er und ich sah ihn schockiert an. Nicht nur, dass er gemobbt wurde und geschlagen, sondern auch die Tatsache, dass seine Mutter ihn abgeschoben hatte und er ... geoutet wurde.
»Du bist selbst ...«, ich konnte nicht weiter sprechen, da meine Stimme versagte und der Schock noch mehr wuchs in mir. »Ich bin selbst schwul, ja! Und ... irgendwie ist es verrückt, dass ich das gleiche bei dir abgezogen hab, was ich erlebt habe!«, ein kleines aber hübsches Schmunzeln huschte über seine Lippen, dann sah er endlich wieder auf. In seinen Augen spiegelte sich leichte Hoffnung wieder und während ich nach Worten suchte, biss er sich auf die Unterlippe.
»Wenn du mich outest, dann kann ich das verstehen! Doch ... irgendwie vertraue ich dir das jetzt an, dass der hetero Badboy kein hetero Badboy ist!«, sagte er ernst, doch ich schüttekte den Kopf. »Ich oute niemand anderen, der es nicht will! Schließlich weiß ich, wie sich die Inakzeptanz anderer Menschen anfühlen kann!«, sagte ich und schien in Elijah's Augen zu sinken. Ich schien mich in ihnen zu verlieren, wir in einem dunklen Ozean.

»Bevor du an die Schule kamst, wussten nur wenige, dass ich schwul bin! Die meisten hat es aber auch nie interessiert! Und vielleicht weißt du es von Ben, aber ich war mit ihm befreundet und bis auf ein paar Witze darüber, wurde meine sexuelle Orientierung nie angesprochen! Es war wie ein Tabu-Thema! Und dann kamst du und hast alles ... mehr oder weniger auf den Kopf gestellt!«, ein Grinsen huschte erneut über Elijah's Lippen und er lehnte sich leicht nach vorne. »Vielleicht ja sogar im guten?«, fragte er und ich schluckte schwer und musste seinem Blick ausweichen. Fuck, er war heißer, als ich es mir eingestehen wollte! »Vielleicht! Vielleicht auch nicht!«, sagte ich nur schulterzuckend und Elijah lehnte sich wieder in seinen Stuhl zurück.
»Willst du mir vielleicht nochmal helfen?«, fragte er nach kurzer Stille und ich sah ihn erneut an. »Warum sollte ich dir nicht helfen wollen?«, fragte ich nur und er zuckte mit den Schultern. »Ich hab dich gemobbt und bin echt nicht stolz darauf!«, sagte er und ich nickte leicht. Dann ging ich zu ihm herüber und ich erklärte ihm all seine Fragen zu Deutsch, bis er den Dreh raushatte. Ich fühlte mich wie ein Lehrer.

...

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