Kapitel Sieben: Wiedersehen

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L I N A

Summend bereite ich alles für meine nächsten Kunden vor. Meine Hüfte schwingt im Takt der Musik, während ich mein Equipment hervorhole und das Licht so aufstelle, damit die Fotos danach perfekt werden. Heute habe ich mit einem Liebespaar das Vergnügen. Sie wollen Fotos für ihre Verlobungsfeier, die in einigen Wochen stattfindet. Ich bin schon ganz gespannt, wie die beiden zusammen aussehen, da ich bisher nur mit der Dame das Vergnügen hatte. Sie ist diejenige, die alles organisiert, weswegen ich ihre bessere Hälfte noch nie gesehen habe.

Krampfhaft versuche ich mich auf meine Arbeit zu fokussieren, jedoch schweife ich immer wieder ab. Funkelnde Smaragde erscheinen in meinem Kopf und lassen mich laut aufseufzen. Seit dem Date ist nun bereits eine Woche vergangen und er hat mich noch nicht gefunden. Irgendwie ärgere ich mich darüber. Wieso musste ich so stur sein? Ich hätte ihm meine Nummer geben sollen und diese Gedanken wären mir erspart geblieben. In diesem Moment dachte ich, dass es witzig ist, nur hat sich dieser Gedanke am nächsten Morgen geändert. Verdammt, ich bin so dumm.

Kopfschüttelnd versuche ich Dean aus meinen Gedanken zu verbannen. Irgendwann wird er mich schon finden. Ich hoffe nur, dass ich dann nicht alt und grau bin. Das wäre dann wirklich blöd gelaufen.

Die Klingel ertönt und zeigt an, dass meine Klienten angekommen sind. Mit einem Lächeln drehe ich mich um und begrüße die wunderschöne Blondine, die mich bereits strahlend ansieht.

»Hallo Sofia, schön das du da bist. Wo ist denn dein Verlobter?«, will ich wissen, als ich sie kurz in die Arme nehme. Mit seiner Verspätung wird sich mein gesamter Zeitplan verschieben.

»Oh, er kommt gleich. Er musste noch kurz telefonieren. Da fällt mir ein, darf ich?« Sie zückt ihr Smartphone und wedelt damit herum. Zudem ziert ein verlegenes Lächeln ihr Gesicht, als wäre es ihr unangenehm. »Klar«, nicke ich ihr zu und zeige Sofia, wo mein Büro ist, damit sie ein wenig Privatsphäre hat.

In der Zwischenzeit rücke ich das Liebessofa, wie ich es in meinen Gedanken nenne, in die Mitte. Ich überprüfe nochmals alles andere, bevor ich mich an den Tisch lehne und warte, dass die beiden auftauchen. So fühlt es sich an, wenn jemand zu spät ist. Da kann ich meine Mitmenschen besser verstehen, wenn sie mal wieder auf mich warten müssen und mir danach eine Predigt halten. Ich sollte vielleicht nochmals einen Versuch starten, um es in Zukunft besser zu machen.

Die Klingel kündigt den nächsten Besucher an und erleichtert drehe ich mich um, da bestimmt der Verlobter endlich angekommen ist. Mit einem Lächeln sehe ich zur Tür, nur um in meiner Bewegung zu erstarren. Meine Augen weiten sich geschockt, während mein Kopf beginnt eine Erklärung dafür zu suchen. Dean steht vor mir und zwinkert mir charmant zu. Er scheint erleichtert zu sein, mich zu sehen, nur kann ich nicht das Gleiche von mir behaupten. Habe ich ernsthaft einen Mann geküsst, der mit einer anderen Frau verlobt ist?

»Hey Lina, ich suche meine …«, versucht er etwas zu sagen, als ich aufspringe und mich vor ihm stelle. »Deine Verlobte?«, unterbreche ich ihn. Sein Lächeln verrutscht und weicht einer entsetzter Miene. »Wie kannst du mich küssen, wenn du verlobt bist? Bist du noch ganz bei Trost?«, will ich von ihm wissen.

In meinem Kopf entstehen hunderte von Szenarien und keine davon ist positiv. Meine Hände graben sich in meine Haare, bevor ich mich im Kreis drehe. Es passiert schon wieder. Wieso musste ich mir solche Hoffnungen machen, wenn ich doch weiß, dass ich am Ende nur enttäuscht werde.

»Lina, so ist das nicht. Lass es mich dir erklären, bitte.« Dean sieht verzweifelt aus. Seine Augen flehen mich an, ihm zuzuhören, jedoch weiß ich nicht, ob ich das kann.

»Willst du mir noch weitere Lügengeschichten erzählen? Wie soll ich das Sofia erklären? Ich kann sie nicht im Unwissen lassen. Sie muss davon erfahren.«

Den letzten Teil spreche ich mit mir selbst. Ich weiß, wie es ist hintergangen zu werden und ich habe mir geschworen, nie ein Teil davon zu sein. Ruckartig bewege ich mich zum Büro und öffne hektisch die Tür. Sofia sieht mich nur überrascht an und es tut mir im Herzen weh, ihre heile Welt zu zerstören.

»Es tut mir leid, Sofia. Ich wusste nicht, dass er dein Verlobter ist. Er hat nie was gesagt. Es tut mir wirklich so unendlich leid. Hätte ich davon gewusst, wäre das nie passiert. Bitte, du musst mir glauben.« Sofia runzelt ihre Stirn und legt langsam ihr Handy auf den Tisch. »Wovon redest du?« Ich blicke ihr direkt in die Augen, auch wenn ich am liebsten den Boden vor mir ansehen möchte. Aber so viel schulde ich Sofia.

»Ich habe deinen Verlobten geküsst.« Dean stellt sich hinter mich und versucht etwas zu sagen, wird aber wieder unterbrochen. »Du hast was? Wann hast du Mark denn getroffen?« Sofia sieht entsetzt aus, als würde sie mich jeden Augenblick anspringen wollen. Verübeln kann ich es ihr nicht. Wäre ich an ihrer Stelle, dann hätte ich bereits zugeschlagen.

Verächtlich drehe ich meinen Kopf zu Dean um. »Du hast sogar bei deinem Namen gelogen? Ich fasse es nicht. Wie tief kann jemand nur sinken?«

Sobald ich wieder meine Kundin visiere, bemerke ich, dass sie ein amüsiertes Lächeln im Gesicht hat. »Vor einer Woche. Es tut mir wirklich leid. Wie gesagt, wäre das nie passiert, wenn ich davon gewusst hätte. Wenn du willst, biete ich dir gerne meine Hilfe an, um dieses Arschloch fertig zu machen.« Dabei zeige ich mit dem Finger hinter mich.

Sofia und Dean fangen beide an laut zu lachen, sodass ich die Welt nicht mehr verstehe. Führen die eine offene Beziehung oder wieso sieht sie das auf einmal so gelassen?

»Schatz, ich bin da. Tut mir leid, das Telefonat hat leider länger gedauert, als ich dachte.«

Peinlich berührt schließe ich meine Augen, als ich die neue und unbekannte Stimme vernehme. Ich traue mich nicht hinzusehen und durch meine heißen Wangen weiß ich, dass ich im Augenblick einer Tomate Konkurrenz mache. Wieso passieren solche Dinge immer mir?

»Ich bin Sofias Bruder, Lina. Nicht ihr Verlobter«, haucht Adonis in mein Ohr.

An seiner Stimme kann ich erkennen, wie witzig er die ganze Situation findet. Nur leider sehe ich das ganz anders. Verdammt, jetzt habe ich sie bestimmt als Kunden verloren und das nur wegen meiner eigenen Dummheit. Ich kann mir nur auf die Stirn schlagen, etwas anderes habe ich nicht verdient. Verlegen öffne ich meine Augen, streiche mir die Haare zurück und blicke in zwei amüsierte Gesichter, wohingegen Mark eher verwirrt ist.

»Es tut mir leid. Ich nehme an, dass das Ganze ein großes Missverständnis ist.« Deans Schwester kommt einen Schritt auf mich zu und legt ihre Hände auf meine Schultern und drückt sanft zu. »Alles gut. Sowas kann passieren. Ich hätte genau gleich reagiert, Lina.« Süß, dass sie versucht mich zu beruhigen, aber ich weiß es besser. Sie mustert mich weiter, bevor sie Dean ansieht.

»Also ist das die Frau, von der du erzählt hast? Sie passt zu dir, Bruderherz. Du brauchst jemanden, der ein solches Feuer in sich trägt.«

»Ja, das ist sie. Ich habe sie endlich gefunden.«

Er umschlingt mit seinen Armen meine Taille und zieht mich nah an sich ran. »Oh mein Gott. Ich habe mich vor seiner Familie blamiert«, rufe ich laut aus und halte mir die Hände vor das Gesicht. Daran habe ich noch gar nicht gedacht und diese Erkenntnis lässt mich röter werden als ich ohnehin schon bin.

»Lasst das Mädchen in Ruhe, Leute. Diese Gesichtsfarbe kann nicht gesund sein und ihr seid schuld daran«, schaltet sich nun Mark in die Diskussion ein und macht es nicht besser.

»Wir sollten endlich die Fotos machen lassen, wenn ihr noch dafür seid«, schlage ich kleinlaut vor. »Wegen dieses Missverständnisses würde ich euch auch einen Rabatt gewähren.« Ich würde alles tun, um diese Sache zu vergessen und sie nicht als Kunden zu verlieren.

»Nein, nicht doch. Ich hätte aber einen Vorschlag für dich«, raunt Adonis in mein Ohr und verursacht eine Gänsehaut auf meinem Körper. Ich habe seine Stimme und seinen Schokoladenduft vermisst. Viel zu lange musste ich darauf verzichten. »Und der wäre?«, hake ich neugierig nach. Vergessen sind Sofia und Mark, die noch immer mit uns in meinem kleinen Büro stehen.

»Wir gehen heute Abend zu Luigi, um die beste Lasagne zu essen, die es in dieser Stadt gibt.«

Meine Augen funkeln auf, wenn ich nur daran denke und ich kann nicht anders, als ihm sofort zuzustimmen. Das wird aber auch Zeit.

»Klar, ich bin dabei.«

Jetzt muss ich nur noch dieses peinliche Shooting überleben, auch wenn ich mir am liebsten ein Loch im Boden wünschen würde.

Zuckersüß wie dunkle Schokolade | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt