Kapitel Siebzehn: Vergangenheit

682 73 144
                                    

L I N A

Noch immer sitze ich da und weiß nicht so genau, was ich Dean sagen soll. Er hat die Bombe hochgehen lassen und mich damit überfordert, auch wenn ich danach gefragt habe. Meine Neugier hat es nicht zugelassen im Unwissen zu bleiben und dafür verfluche ich sie, weil ich in diesem Moment nicht weiß, was ich denken soll. Dean will Kinder, das hat er mir vor einigen Wochen bereits gesagt. Er will Vater werden und das ist etwas, was ich ihm nicht verübeln kann. So geht es mir ja auch. Mich wurmt es mehr, dass er trotz allem, was vorgefallen ist, noch immer den Kontakt zu seiner Ex-Frau pflegt. Aber in dieser Hinsicht fehlen mir noch gewisse Informationen, weswegen ich es nicht ganz verstehen kann. Und das sollten wir nun ändern.

»Sie hat es verloren?«

Meine Stimme ist nur ein Flüstern. Ich habe Angst, sie zu erheben und diese Stille zu stören, die sich zwischen uns gebildet hat. Trotzdem zuckt Dean zusammen, als er mich hört. Er scheint selbst tief in Gedanken versunken zu sein, während er auf seine Hände hinabschaut, die nervös an den Bettlaken zupfen. »Ja, und sie war froh darüber.«

Erneut reiße ich meine Augen auf. Mein Herz beginnt zu bluten, als mein Blick auf den seinen trifft. Verlust, Trauer und eine große Menge an Schmerz kann ich in seinen grünen Smaragden erkennen. Automatisch greife ich nach seiner Hand und drücke sie sanft. Ich will für ihn da sein, ihm den Schmerz nehmen, oder wenigstens ein kleines Stück davon, nur damit es ihm besser geht. Es tut weh, Dean so zu sehen. Sowas hat er nicht verdient, hat niemand verdient.

»Willst du mir davon erzählen?«, frage ich leise nach. Wenn ich etwas aus meiner Vergangenheit gelernt habe, dann, dass reden sehr hilfreich ist und der Seele guttut. Für einen kurzen Augenblick fällt die Last von den Schultern ab, die dir die Luft zum Atmen nimmt. Der Schmerz wird nicht verschwinden und trotzdem gibt es uns ein Gefühl, der sich einen Moment lang befreiend anfühlt. Zaghaft nickt er mir zu, bevor er tief einatmet und die gegenüberliegende Wand fokussiert.

»Jessica und ich kennen uns sehr lange. Unsere Eltern sind bereits seit über vierzig Jahren befreundet. Sie war fast jedes Wochenende bei uns und sie verstand sich ziemlich gut mit Sophia. Mit Maya hingegen hatte sie Schwierigkeiten. Könnte daran liegen, dass meine kleine Schwester niemanden an sich ranlässt.«

Meine Augenbrauen wandern in die Höhe. Komisch, dass sie mich anscheinend akzeptiert hat, wohingegen sie einer langjährigen Freundin der Familie aus dem Weg geht. »Als wir nach der Highschool das gleiche College besucht haben, sind wir uns näher gekommen. Eigentlich hatte ich nie vor, mit ihr auf dieser Ebene etwas anzufangen, jedoch war es nicht einfach allein am andere Ende des Landes zu sein und niemanden zu kennen.«

Es fühlt sich an, als würde er sich rechtfertigen wollen, was absurd ist. Ich kann Dean nicht vorwerfen, dass er mit jemanden eine Beziehung eingegangen ist. Wir sind beide erwachsen und sowas gehört zum Leben dazu. Ich will es nur verstehen können. Mehr nicht. Trotzdem sage ich nichts und warte darauf, dass er weitererzählt. Ich will nicht, dass er sich bedrängt von mir fühlt. Dieses Gespräch soll in seinem Tempo verlaufen.

»Es klappte eigentlich ganz gut zwischen uns. Wir haben uns ab und an getroffen und uns auch den Freiraum gegeben, den wir immer mal wieder benötigt hatten. Es gab auch keine Eifersucht oder dramatischen Szenen. Nicht mal Spontanität oder sonst irgendetwas. Eigentlich war es sehr eintönig.« Kurz sieht er zu mir auf und lächelt mich schwach an. Ein Lächeln, welches seine Augen nicht erreicht und den Schmerz darin nicht verdrängen kann. »Wir waren mehr Freunde als Liebende, jedoch wollte das keiner von uns wahrhaben.«

Wieder blickt er auf seine Hände hinab und zuckt mit den Schultern. Er sieht verloren aus, wie ein kleiner Junge, der nach seiner Mama ruft und ich würde ihn am liebsten in den Arm nehmen. »Unsere Eltern haben irgendwann begonnen über Hochzeit zu sprechen und da dachte ich, es sei Zeit diesen Schritt zu gehen. Wir waren aber beide nicht bereit dafür. Ich glaube, das waren wir nie, wenn ich an alles zurückdenke.« Haben seine Eltern nicht bemerkt, dass sie das gar nicht wollten? Oder seine Schwestern?

Zuckersüß wie dunkle Schokolade | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt