Kapitel Dreiundzwanzig: Liebeskummer

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L I N A

Schniefend wische ich mir die Tränen weg, die nicht aufhören wollen meine Wange hinunterzukullern. Mein Herz schmerzt, blutet und liegt in tausenden Teilen zersplittert auf dem Boden. Als wäre das nicht genug, schaue ich mir noch unzählige Liebesfilme an, die mich noch mehr an Dean erinnern.

»Er lügt!«, schreie ich die Frau an, die gerade ihrem Traumtypen vergeben hat und sie endlich glücklich sind, zusammen bis ans Ende ihres Lebens. »Ihr alle lügt!«, fahre ich fort und werfe die Pralinenschachtel in die Richtung meines Fernsehers.

Mit großen Augen blicke ich auf all diese herzförmigen Schokoladenstückchen auf dem Boden und verziehe mein Gesicht zu einer Grimasse. So weit habe ich das Ganze nicht überlegt. Vielleicht hätte ich das nicht tun sollen.

»Verdammt. Die wollte ich eigentlich noch essen.«

Brummend sehe ich Sammy an, der sich neben mich gelegt und keine Sekunde allein gelassen hat. Meine Hände schnappen sich die nächste Praline Box neben meinem Bett und reißen die Verpackung auf. Sofort stopfe ich mir mehrere Stückchen in den Mund.

»Das ist doch alles total scheiße«, spreche ich mit vollem Mund. Es ist mir egal, wie ich aussehe.

Seit Tagen ist mir die Lust vergangen, mich aufzuhübschen oder überhaupt in einen Spiegel zu schauen. Die bessere Idee war, mich hier in meinem Zimmer breitzumachen. Zudem habe ich sogar noch weiter gedacht und vorsichtshalber mein Handy ausgeschaltet, damit niemand meine kleine Liebeskummer-Oase stört.

»Wieso haben eigentlich alle Paare in Filmen ein Happy End? Sie sollten reale Geschichten erzählen, da es meistens anders ausgeht, als da.«

Mit meinen Händen zeige ich auf das küssende Paar, weswegen mir gleich die Galle hochkommt. Der Gedanke an zwei funkelnde Smaragde schiebe ich gekonnt weg. Ich will nicht über ihn nachdenken müssen. Er hat mich erst recht in diese Lage gebracht. Nein, dass stimmt nun nicht ganz, muss ich doch gestehen.

Seufzend blicke ich um mich herum und schiebe mir noch ein Stück der leckeren Schokolade in meinen Mund. »Ich hoffe, dass ich noch lange in dieser Trotzphase gefangen bleibe, bevor ich weiter hinab in das Loch stürze«, murmle ich leise vor mich hin. »Aber es ist besser so. Am Ende hätten wir uns beide nur noch mehr verletzt.«

Ich versuche meinen Worten Glauben zu schenken und nicke mir selbst mehrere Male bestätigend zu. Wenn er wüsste, was ich in der Praxis erfahren habe, dann hätte er mich sowieso verlassen. Also habe ich selbst den Schlussstrich gezogen und versucht, mich vor etwas Größerem als dem freien Fall zu bewahren. Auf den Aufprall will ich gar nicht denken, da ich dieses Mal nicht weiß, ob mich jemand auffangen wird.

Das Ende vom Film wird angezeigt, weshalb ich die Fernbedienung in die Hand nehme und den nächsten anklicke, um mich weiter über jedes Paar aufzuregen. Es ist eine gute Abwechslung für meine sonst so trüben Gedanken und bevor mein Kopf noch explodiert, muss ich etwas dagegen unternehmen.

»Adelina Hamilton! Was zum Teufel machst du da?«

Verdammt, wieso habe ich ihr den Ersatzschlüssel gegeben?

Erschrocken zucke ich zusammen, bevor ich meinen Kopf dem Störenfried zuwende. Mona steht mit offenem Mund im Türrahmen und kann anscheinend nicht glauben, was für ein Anblick ich gerade abgebe. Zugegeben, muss das ziemlich verstörend wirken, wenn man die unzähligen Taschentücher, die verschütteten Pralinen und die Weinflaschen entdeckt und mich mittendrin.

»Ich schaue mir Liebesfilme an«, spreche ich das offensichtliche aus und zucke mit den Schultern. Bevor ich mir weiteres anhören muss, stelle ich die Lautstärke höher und fahre mit meinem Tun fort. »Das ist doch bescheuert. So habe ich dich noch nie gesehen. Was ist nur los mit dir?«

Entschlossen schreitet sie ins Zimmer hinein, bleibt direkt vor meinem Fernseher stehen und versperrt mir dabei die Sicht. Jeder, der mich sehen würde, wüsste genau, was ich hier mache. Muss ich es ihr sagen, oder kommt sie von selbst darauf?

»Willst du mir auf meine Frage keine Antwort geben?«, will sie mit hochgezogener Augenbraue wissen und verschränkt ihre Arme vor der Brust. Zudem beginnt sie mit dem Fuß zu tippen, sodass ein richtig nerviges Geräusch dabei entsteht.

»Ist das nicht offensichtlich?« Meine Arme breiten sich aus, während ich zu ihr spreche und zeigen damit auf das ganze Chaos, das in meinem Schlafzimmer herrscht. »Ich habe Liebeskummer und versuche dabei den Schmerz zu verdrängen, der sich hier befindet.«

Meine Hand wandert zu meiner linken Brust, dort wo sich eigentlich mein Herz befinden müsste. In meinem Fall ist dort jedoch ein gigantisches Loch, was nicht repariert werden kann.

Sammy hebt nur kurz den Kopf, vergewissert sich, dass niemand Fremdes in die Wohnung hereingekommen ist und lässt ihn wieder auf die Matratze fallen. Er wird nicht von meiner Seite weichen, weil er für mich da sein und mich beschützen will.

»Was ist nach dem Arzttermin geschehen? Es muss etwas Schlimmes sein, wenn du nicht mal mehr das Badezimmer aufsucht. Igitt, stinkt es hier in diesem Zimmer.« Mit zwei Schritten ist sie beim Fenster angekommen und reißt es ruckartig auf. Ich sage nichts dazu, da ich eigentlich eine Diskussion vermeiden will und ihr nicht den wahren Grund erzählen möchte. Wieso auch? Es bringt sowieso nichts.

»Ich warte, Adelina. Sprich endlich, bevor ich einen Eimer mit eiskaltem Wasser hole und dich damit nass spritze«, droht sie mir mit erhobenem Finger. Kann sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?

»Ich will nicht darüber reden.«

»Das ist mir egal. Spuck es aus, Lina! Sonst mache ich meine Drohung wahr.« Ergeben seufze ich auf. Sie wird nicht aufhören, bis sie alles aus mir herausgequetscht hat. Und sie hat ein unfassbar gutes Durchhaltevermögen. Sowas will ich mir nicht antun. Außerdem will ich kein nasses Bett.

»Ich habe mit Dean Schluss gemacht«, lasse ich die Bombe platzen.

»Und wieso hast du das getan?«

»Weil er mich scheiße finden muss. Und um das zu erreichen, musste ich ihn scheiße finden, damit ich scheiße, zu ihm sein kann, sodass er mich am Ende scheiße finden kann. Kannst du mir folgen?« Ihrem verwirrten Gesichtsausdruck nach eher nicht. Aber ich muss gestehen, dass es sich plausibler in meinem Kopf angehört hat.

»Lina, komm schon. Erzähl es mir und lass diesen Blödsinn. Du predigst uns allen immer, dass wir unsere Emotionen frei lassen sollen, also wieso tust du das nicht? Lass die Tränen laufen und schrei deinen Schmerz hinaus, ich werde da sein und dich in den Armen halten.«

Oh nein! Ich will keinen Körperkontakt. Nein, auf keinen Fall. Panisch versuche ich nach hinten zu krabbeln, jedoch bin ich zu langsam.

Meine beste Freundin schlingt ihre Arme um mich und sobald ich ihre Wärme spüre, die tröstenden Worte aus ihrem Mund, kann ich nicht anders, als meine Mauern ein kleines Stück fallen zu lassen. Und mit jeder Träne, die meinen Augenwinkel entwischt, erzähle ich ihr alles. Bis ins kleinste Detail und bringe auch sie zum Weinen.

»Ich lasse dich nicht allein. Ich werde immer für dich da sein, Bohne«, flüstert sie mir ins Ohr.

Und diese Worte bringen die Wand zum kompletten Absturz.

Zuckersüß wie dunkle Schokolade | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt